Wie bereits mehrfach mitgeteilt findet dieses Wochenende im elässischen Strasbourg das Fotofestival «Rendez-vous • Image» (RDVI) statt. Mehr als 100 Fotografen wurden von der französischen Fotoreporterin Véronique de Viguerie ausgewählt, um ihre Bilderserien zu präsentieren, und über 50 Fotoautoren stellen ihre neuesten Buchkreationen vor. Dazu gibt es rund 20 Worksops und Seminare, die im Vorfeld gebucht werden konnten (Fotointern berichtete).
Auf grossen Styropor-Platten werden in der Halle des Palais den Congrès die Werke von mehr als 100 Fotokünstlern präsentiert
«Rendez-vous • Image» wird bereits zum neunten Mal durchgeführt und gehört zu den wichtigsten Fotofestivals Europas. Es wurde von Thierry Edel initiiert mit dem Grundgedanken, die jährlich besten Bilder aus dem Dreiländereck zu präsentieren, die jedes Jahr von einer anderen Kuratorin ausgewählt werden. Sowohl bei den Fotokünstlern als auch bei den Fotobüchern werden die besten Leistungen mit der Auszeichnung «Prix Photo» bzw. «Prix du livre» sowie weiteren Titeln belohnt.
Dieses Jahr hatte die bekannte Kriegsreporterin Véronique de Viguerie die Oberhand und selektionierte über hundert Fotoserien, die jetzt und noch bis Sonntag im Palais de Congrès in Strabourg gezeigt werden. Das Ergebnis ist eine breit gefächerte Bilderschau mit Werken aller Couleur – Landschaften, Porträts, Architektur, Reisefotografie, Reportagen – viele Reportagen, naheliegenderweise das Liebingsthema von Véronique. Schwarzweissfotografie ist dieses Jahr hoch im Kurs – die geschätzte Hälfte der Bilder sind monochrom. Die Fotografen leben zum grössten Teil in Frankreich, viele kommen aus der Region, doch dann sind auch etwa ein Viertel aus anderen Ländern darunter – nur aus der Schweiz gibt es kaum welche, obwohl Strasbourg nur rund anderthalb Stunden von der Schweizergrenze entfernt ist.
Gestern war Vernissage und Preisverleihung. Nicht nur die Fotokünstler waren mit ihren Angehörigen präsent, sondern auch viele Fotointeressierte, die sich über das Niveau und die Trends der zeitgenössischen Fotografie ein Bild machen wollen – und vielleicht dann nächstes Jahr auch ihre Fotos einreichen. «Heute sind wir alle ein bisschen Fotografen und visuelle Experten» sagt Véronique de Viguerie. «In der Flut von Bildern, stechen einige hervor, berühren uns besonders, heben sich von der grossen Masse ab. Es sind viele in meiner Auswahl. Es scheint, dass die Fotografie den Menschen das bewusste Sehen lehrt – und ich habe viel gesehen, was mich beeindruckt hat – Merci!»
Ein subjektiver Rundgang
Véronique de Viguerie hat eine gute Auswahl getroffen. Das Spektrum der gezeigten Arbeiten ist breit, sehr breit. Es zeigt Bilder aller Arten, von Makros, die zum Staunen Anlass geben, über faszinierende Landschaften, «sprechende» Porträts, imposante Architekturen bis hin zu grafisch interessanten Abstraktionen. Die Fotografie ist vielfältig, und mit der zunehmenden Zahl von Fotointeressierten wird sie es immer mehr. Fotointern war gestern Abend vor Ort und hat sich umgesehen und war von vielen Arbeiten begeistert. Hier ein Auswahl davon – eine sehr subjektive natürlich …
Alfred Blaes – Aube monochrome
Die perfekten Makroaufnahmen von Libellen und ihren Körperdetails faszinieren vor allen, weil sie als Schwarzweissbilder gezeigt werden, was in der Makrofotografie sehr selten ist. Die technische Perfektion paart sich mit einer zarten Tonvielfalt und eindrucksvoll gewählten Ausschnitten.
Loïc Casanova – Sombe insomnie
Wie eine Filmszene zeigt Loïc Casanova einsame Orte seiner Stadt Montpellier, wo nachts nur vereinzelte Personen zum Bildinhalt beitragen – Leute, die spät nach Hause gehen oder den Schlaf nicht finden. Interpretationsreife Geschichten in Licht und Schatten.
Dorota et Bruno Sénéchal – Ice & Fire
Ein bekanntes Thema der grössten Gegensätze – Eis und Feuer, kalt und heiss, Blau und Rot. Gegensätze, die als fotografisches Thema faszinieren und vom diesem Fotografenpaar in beeindruckender Weise umgesetzt wurden.
Barnabé Fossaert – Carnet de bord
Barnabé Fossaert hat mit seinen Doppelgängeraufnahmen den Jugendpreis verdient. Originelle Ideen sind künstlerisch und technisch perfekt realisiert. Sie sind ein Stopper auf den Weg durch die Ausstellung mit einer wohltuenden Brise Humor.
Anne Gerlinger – Naïdes
Anne Gerlinger hat die öffentlichen Bäder der Stadt Strasbourg nicht nur fotografisch dokumentiert, sondern die architektonischen Meisterwerke in beeindruckenden Bildern festgehalten. Sie werden zur Zeit renoviert, und vieles wird dann nicht mehr so sein wie auf den Bildern.
Doris Châtaigner – Ghost
Eigentlich glaubt Doris nicht an Gespenster. Doch als sie dieses Interieur entdeckte, spielte die Fantasie mit ihr. Perfekt inszeniert, mit Langzeitbelichtungen in einem Bild, erzählen uns die Fotos eine spannende Geschichte. Ob es eben doch Gespenster gibt …?
Gérald Albagnac – Dévotation en Ethiopie
Einmal jährlich findet in Äthiopien die muslemische Wallfahrt von Cheikh Hussein statt, die Verarmte und Notleidende aus allen Landesteilen und den umliegenden Regionen zu einem mehrtägigen Treffen vereint. Gérald Albagnac zeigt uns in seiner Bilderreihe Porträts, die für sich selbst sprechen.
Frédérique Duhayer – Les enfants du Népal
Frédérique Duhayer hat fünf Wochen in Nepal zugebracht, um Kinder in Nepal zu fotografieren. Kinder, die meist in ärmlichsten Verhältnissen leben, die auf sich selbst gestellt sind – die jedoch, trotz allem, das Lachen nicht verlernt haben.
Jean-François Rouanet – Zanskar
Zanskar im entlegendsten Norden Indiens ist eine auf sich selbst gestellte Region ohne natürliche Schätze. Und doch leben dort die Menschen harmonisch, glücklich und im Einklang mit der Natur. Jean-François Rouanet hat sie besucht und ihre Lebensweise in bewegenden Bildern mitgebracht.
Zohreh Saberi – Into the light
Der iranische Fotograf Zohreh Saberi erzählt uns mit seiner Bildserie die Geschichte der 13-jährigen Raheleh, die blind zu Welt kam und die Welt auf ihre Weise entdeckt. Sie liebt es, wenn die Sonnenstrahlen ihr Gesicht berühren, wenn sie Dinge ertasten und ergründen kann, wenn man sich mit ihr abgibt. Ihr Vater ist ein armer iranischer Bauer und ihre Mutter leidet an einer unheilbaren Krankheit.
Cihan Serdaroglu – Ombres et lignes
Schatten und Linien haben Cihan Serdaroglu von jeher fasziniert. In der Senkrechten fotografiert ergeben sie besonders eindrucksvolle Raumaufteilungen, und die Menschen verleihen der Szene ein dynamischen und lebendigen Inhalt.
Philippe Simon – Espaces à «habiter»
Die Architekturaufnahmen von Philippe Simon täuschen mit einem geschickten Bildaufbau und einer beeindruckenden Tiefenwirkung eine dritte Dimension vor. Betont wird diese durch das perfekte Licht, welches Strukturen und Formen der Gebäudedetails betonen.
Die «Rendez-vous • Image» in Strasbourg ist noch bis Sonntag, 26. Januar 2020 im Palais de Congrés zu sehen.
Text und Fotocomposings: Urs Tillmanns
Weitere Informationen finden Sie – seit diesem Jahr auch auf Deutsch – auf https://www.rdvi.fr/de/index.html
Rendez-vous • Image
Wann? 24. bis 26. Januar 2020
Freitag 24. Januar 2020, 18:00 bis 21: 00 Uhr
Samstag 25. Januar 2020, 10:00 bis 21:00 Uhr
Sonntag 26. Januar 2020, 10:00 bis 19:00 Uhr
Wo? Palais de la Musique et des Congrès (PMC)
Place de Bordeaux
F-67082 Strasbourg Cedex
Eintritt: EUR 6.00 / 4,00, Wochenendpass EUR 10,00
Weitere generelle Infos unter https://www.rdvi.fr/de/praktische-informationen.html
Fotointern ist Medienpartner der Rendez-vous Image.
Danke Urs für diesen ausführlichen Bericht. Ich freue mich immer besonders wenn ich auf fotointern.ch über die Kunst der Fotografie lesen darf. Strassburg ist vor der Haustüre der Schweiz, vor allem aus Basler Sicht, spannend dass nicht sehr viele Fotografinnen und Fotografen aus der Wohlfühloase Schweiz dort ausstellen.