Urs Tillmanns, 30. Januar 2020, 09:00 Uhr

Artgenève 2020: viel spannende Kunst, wenig Fotografie

Um es vorweg zu nehmen: Wenn Sie nur an Fotokunst interessiert sind und für alle anderen Kunstformen kein oder nur wenig Interesse haben, lohnt sich der Gang nach Genf kaum. Sind Sie jedoch auch für andere Kreationsrichtungen zu begeistern, für die Malerei, für Plastiken, für Licht- und Akustikunst oder wenn Sie an bizarren Installationen Interesse haben, dann bietet Ihnen die neunte Ausgabe der Artgenève einen breiten Überblick über neue Kunst, über Trends in der Kreativität und über das, was die Galerien zur Zeit für trendig halten. Die Artgenève öffnet heute ihre Tore und dauert bis Sonntagabend 19 Uhr. Fotointern konnte sich gestern bereits einen Überblick verschaffen und in den über 90 Ständen nach Fotokunst suchen.

 

Die Artgenève öffnet heute ihre Pforten und dauert bis Sonntagabend. Es ist die zweit wichtigste Kunstausstellung der Schweiz

Die Artgenève gewinnt jedes Jahr an Bedeutung, und bald wird das Messegelände wohl eine Halle mehr öffnen müssen, um allen Ausstellern den gewünschten Platzbedarf einräumen zu können. Über 90 Aussteller sind es dieses Jahr, und immer mehr Platz nehmen auch die Sonderschauen ein, wie dieses Jahr die LOOP Barcelona mit faszinierender Videokunst und die Kunstsammlung der Mobiliar-Versicherung, welche erstmals ihre Kunstförder-Ausstellung «Espace futur – d’aujourd’hui à demain» mit 80 Arbeiten von 38 Künstlern zeigt, worunter sich auch einige Fotokünstler präsentieren. Daneben gibt es verschiedenste Konferenzen und Vorträge aller Art zu den unterschiedlichsten Themen, doch scheint hier die Fotokunst kaum gefragt zu sein.

 

In der Sonderausstellung der «Mobiliar» entdeckt: Das Denkmal von Pedro Alexandrino in Luanda, Generalgouverneur von Angola, im Wandel der Zeit, fotografisch recherchiert von Kiluanji Kia Henda, «Redefining The Power III, 2011».

 

Ebenfalls im «Espace futur» eine Reihe kommerzieller Porträts von Shirana Shahbazi (2015) …

 

… und weiter in der Mobiliar-Kunstsammlung eine Fotoreihe von Thomas Struth «Orte der Entscheidung».

 

Eine der wenigen Galerien, die gänzlich auf Fotografie spezialisiert sind, ist Michael Hoppen aus London. Sie zeigt vor allem Klassiker wie Richard Avedon, Gyula Halàsz Brassaï, Georges Bunzel, Sarah Moon oder Bradford Washburn.

 

Am Stand der Galerie Rossi & Rossi aus London und Hong Kong sind eine ganze Reihe von Winterlandschaften des iranischen Filmschaffenden Abbas Kiarostami zu sehen. Er verschrieb sich der Fotografie, weil er die landschaftliche Schönheit in Europa den Menschen in seinem Land weitergeben wollte.

 

Ebenfalls mit einem Stand vertreten ist der «Centre de la Photographie Genève», der zu den bedeutendsten Ausstellungsforen für Fotografie der Schweiz gehört. Hier sind gleich zwei hervorragende Arbeiten zu sehen, einmal die Fotoreihe «Altamira» von Carlo Reisewitz, welche das naturzerstörerische Werk des drittgrössten Staudams der Welt in den Amazonen zeigt, und daneben die Bildreihe «One Belt One Road» über Frachtcontainer von Marco d‘Anna.

 

Wenn Sie bei diesem Ruheplatz inmitten der Messe glauben ein Original von Alfred Eisenstaedts berühmten Bild «The Kiss» zu sehen, dann täuscht der Eindruck. Die Szene wurde 2010 in Tokio nachgestellt und von Yasumasa Morimura fotografiert. Ausgestellt ist der Riesenprint am Stand der Galerià Juana de Aizpuru, Madrid.

 

Fast hätten wir die Vogelserien von Alex Hanimann übersehen, die etwas versteckt in einem Seitengang von der Galerie Skopia / P.-H. Jaccaud (Genf) präsentiert werden. Man kann sich an der Vielfalt der Varianten kaum sattsehen.

 

Die Galerie Lévy Gorvy (Zürich, NewYork, London und Hong Kong) zeigt neben vielen anderen Kunstobjekten eine ganze Reihe seltener Prints von Diane Arbus.

 

Am Stand der Galerie Xippas, die in Genf, Paris und Montevideo vertreten ist, gibt es Werke von drei Fotografen zu sehen: Das Bild «Bitonto» (1986) von Luigi Ghirri, dann «Fullmoon at Autumnal Alps» von Darren Almond und schiesslich an der Wand den Halbakt «Délivrez nous du Mâle» von Bettina Reims.

 

Die Galerie Thomas Brambilla aus Bergamo zeigt neben diversen Kunstobjekten eine Auswahl der 20-teiligen Bilderserie «Wand, Boden, Ecke, Raum» (1970) des deutschen Universalkünstlers Klaus Rinke.

 

Und zum Schluss noch eine Rosine, die Sie, falls Sie wirklich an die Artgenève gehen, auf keinen Fall verpassen dürfen: der Stand der Galerie Magnum (Paris und London). Sie zeigt frühe zu zeitgenössische Bilder von Magnum-Fotografen, darunter Raymond Depardon, Werner Bischof, René Burri, Paolo Pellegrin, Matt Black und Stuart Franklin.

Damit wären wir am Schluss unseres Rundgangs, was nicht heisst, dass dieser umfassend ist, Denn an vielen Ständen sind vereinzelte Fotografien zu sehen von mehr oder weniger bekannten Künstlern. Sie bestätigen trotzdem unseren Eindruck, dass die Fotografie einen relativ dürftigen Platz in der Artgenève einnimmt. Dennoch darf man dieser Kunstmesse ihre Bedeutung nicht absprechen: Sie dürfte nach der Art Basel die wichtigste Kunstmesse der Schweiz sein, die vor allem auf dem Platz Genf eine grosse internationale Besucherschaft anlockt.

Text und Fotos: Urs Tillmanns

Die Artgenève dauert von Freitag 30. Januar bis Sonntag 2. Februar 2020 und findet im Messegelände Palexpo unweit des Flughafens Genf-Cointrin statt. Vom Bahnhof Genf-Cornavin fährt der Bus der Linie 5 direkt vor den Haupteingang. Die Ausstellung ist täglich von 12:00 bis 19:00 Uhr (Freitag und Samstag bis 20:00 Uhr) geöffnet und kostet CHF 20.00 / 10.00 Eintritt.

Weitere Informationen finden Sie unter www.artgeneve.ch

 

Ach ja, noch etwas …

Falls Sie gerade in Genf sind, lohnt sich ein kurzer Besuch in der Leica Galerie am Place de Saint-Gervais 1.

Dort werden zur Zeit Bilder gezeigt, welche die drei Fotografen Nicolas Simenon, Pierre-Eduoard Monnier und Chris de Bottière mit der neuen Leica M10 Monochrom gemacht haben.

 

 

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