Urs Tillmanns, 8. März 2020, 10:00 Uhr

Zurück zu den Wurzeln des Lebens …

«Sie sind die Wurzeln des Lebens» sagt Erich Dal Canton, der seit jeher analog fotografiert und der digitalen Versuchung immer widerstehen konnte. «Ich gehe oft in den Wald, suche dort die Ruhe und die Besonnenheit. Ich suche dort meine Wurzeln. Bäume stehen fest in der Erde und richten ihren Blick nach oben in Richtung Himmel. Was sehen die Bäume dort, was ich nicht sehe?»

 

«Osterwald, Study 1» Zingst, Deutschland, 2014

«Jasmund, Study 2», Insel Rügen, Deutschland, 2015

Die Bilder von Erich Dal Canton sprechen uns in seiner eigenen Sprache an. Sie erinnern an den Pictorialismus, an die Kunstfotografie vor mehr als hundert Jahren als die Fotografie gemäldeähnlich wurde und dazu verschiedenste Techniken nutzte, wie Tonungen und Edeldrucke. Nicht das Motiv war an und für sich wichtig, sondern die Stimmung, die das Bild wiedergab. Es waren berühmte Namen, wie Hugo Erfuth, Edward Steichen, Robert Démachy oder die Wiener Schule mit Hans Watzek, Heinrich Kühn und Hugo Henneberg, welche kreativ und weltweit eine neue Stilrichtung pflegten, mit zwei Zielsetzungen: Erstens sollten die Bilder nicht wie «gewöhnliche» Fotografien wirken, die mittlerweile schon viele «Dilettanten» – wie man die Amateure damals nannte – selbst machen konnten, sondern einen gemäldeähnlichen Charakter haben, wie die Werke der Maler, die sich, bedingt durch die Konkurrenz der Fotografen, um diese Zeit in die abstrakte Stilrichtung bewegten. Zweitens sollten ihre Kunstwerke unvergänglich sein, was mit verschiedenen Tonungs- und Edeldruckverfahren gelang – ihre Bilder sehen heute noch so aus, wie am ersten Tag.

 

«Schlosspark, Study 3» Dargun, Deutschland, 2015

«Eigi, Study 4» Wettingen, Schweiz, 2014

Erich Dal Canton darf mit seiner Philosophie und seinem fotografischen Stil als «Neo-Pictorialist» bezeichnet werden. «Nicht das Motiv ist wichtig, sondern die Emotionen, die ich einmal erlebe, wenn ich die Stimmung im Bild festhalte und ein zweites Mal, wenn ich das fertige Bild betrachte» sagt Dal Canton. Seine Prints nehmen aber schlussendlich in seinem Labor für «visuelle Forschung» in Wettingen die endgültige Form an.

 

«Eigi, Study 3» Wettingen, Schweiz, 2013

«Vorpommerische Boddenlandschaft, Study 1», Deutschland, 2014

«Das richtige Licht zu finden ist eine Obsession» ist Erich Dal Canton überzeugt, «denn die Fotografie wird mit Licht gemacht. Es geht mir nicht darum, Motive originalgetreu abzubilden, sondern vielmehr darum, ihre Darstellung in Metaphern zu verwandeln». Nicht das Bild selbst ist wichtig, sondern die Emotion, die uns das Bild vermittelt.

 

«Ludwigshafen, Dyptich 1», Deutschland, 2019

«Eigiweiher, Study 1», Wettingen, Schweiz, 2017

Bäume zählen zu seinen Lieblingsmotiven, einmal wegen ihrer Vielfältigkeit: «Jeder Baum ist einzigartig, ist anders gewachsen als sein Nachbar. Die Struktur seiner Rinde ist einmalig wie ein Fingerabdruck und seine Äste gestalten den Motivraum zu einem einzigartigen Bild.» Sie stehen nach einem naturgewollten Gesetz in ihrer Umgebung, lassen Gegenlichtstrahlen fantastisch passieren oder weisen in einen dunklen, undurchdringlichen Dickicht. «Bäume sind nicht einfach Motiv, sondern sie bilden mit dem Licht zusammen eine Stimmung, die ich in meinen Bildern festhalten und an meine Betrachter weitergeben möchte – damit sie nicht einfach ein Foto sehen, sondern an der Stimmung teilhaben, die ich in der Natur erlebt habe.»

 

«Eigiweiher, Study 1», Wettingen, Schweiz, 2017

«Kau, Study 1», Schweiz, 2017

Ausstellung: Weitere Bilder von Erich Dal Canton sind vom 14. März bis 18. April * 2020 in der Galerie Wertheimer in Oberwil bei Basel zu sehen. Die dortige Ausstellung «Silentium» zeigt vorwiegend Wasserlandschaften von Erich Dal Canton, der andere faszinierende Motivbereich des Künstlers, das er als sein «eigentliches Herzstück seiner Bildfindung» bezeichnet.

* UPDATE: Ausstellungsdauer verlängert bis 16. Mai 2020

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite www.galeriewertheimer.ch sowie auf derjenigen von Erich Dal Canton.

Sämtliche Bilder: Erich Dal Canton
Text: Urs Tillmanns

Biografie und Technik:

Erich Dal Canton ist gelernter Maschinenzeichner und arbeitete bis 1985 in seinem angestammten Beruf und als grafischer Zeichner und bis vor vier Jahren arbeitete er ausserdem als Lichtplaner. Seither ist er freischaffender Fotograf in Wettingen AG. Er arbeitet hauptsächlich mit drei Grossformatkameras mit den Negativgrössen von 6×17 cm, 4×5 inch und 8×10 inch, sowie ergänzend mit Mittelformatkameras mit dem Negativformaten von 6×6 cm und 6×7 cm. Seine Negative verarbeitet er hauptsächlich in Pyroentwicklern, um eine aussergewöhnliche Tonalität und Lumineszenz zu erreichen. Er kopiert jedes Negativ auf das Papier, das den passenden Tonwertabstufungen entspricht. Sämtliche Bilder sind mit entsprechenden Tonungstechniken behandelt. Seit acht Jahren setzt Dal Canton die Lithentwicklung als sein bevorzugtes technisches Instrument ein, welche mittlerweile den Grossteil seiner Arbeit ausmacht, um in noch eine tiefere Ebene zu gelangen. Erich Dal Canton hat seine Bilder in mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

Das Porträt von Erich Dal Canton hat Sebastiano Bucca, Untersiggenthal, im nassen Kollodiumverfahren erstellt.

 

Schreibe einen Kommentar

  • Kommentare werden erst nach Sichtung durch die Redaktion publiziert
  • Beachten Sie unsere Kriterien für Kommentare im Impressum
  • Nutzen Sie für Liefer- und Kontaktnachweise die Angaben im entsprechenden Artikel
  • Für Reparaturanfragen und Support bei Problemen wenden Sie sich bitte direkt an den Hersteller (siehe dessen Website) oder Ihren Händler
  • Beachten Sie, dass Fotointern.ch eine reine und unabhängige Informationsseite ist und keine Waren verkauft oder vermittelt
  • Ein Kommentar darf maximal 800 Zeichen enthalten.

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Noch 800 Zeichen

Werbung
Werbung

Abonnieren Sie jetzt Fotointern per E-Mail direkt in Ihr Postfach und verpassen Sie keine Beiträge mehr. Wir nutzen MailChimp für den Versand. Weitere Infos finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Ihr Browser ist veraltet!

Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser, um diese Website korrekt dazustellen.Den Browser jetzt aktualisieren

×