Eine schwerwiegende Frage im Rahmen der Covid-19 Krise ist die Lehrlingsausbildung, beziehungsweise das Qualifikationsverfahren, das zum Abschluss der Lehrzeit für viele in Kürze ansteht. Zwar hat der Bundesrat dieser Frage von Anfang an eine grosse Bedeutung beigemessen, doch fehlte es an klaren Richtlinien schon deshalb, weil die Kandidatinnen und Kandidaten berufsbedingt sehr unterschiedlich geprüft werden – eine Gärtnerin wird eine andere Prüfung ablegen als ein Goldschmied, und der Fotohändler Fachrichtung Fotografie wird auch anders geprüft als einer der sich auf Finishing spezialisiert. Fotointern wollte von Samuel Fankhauser, Chefexperte der Regionen Bern und Zürich, in einem Interview wissen, was dieses Jahr anders läuft als üblich.
Fotointern: Herr Fankhauser, Imagingswiss hat ja – wie alle Berufsverbände – einen Antrag zur Durchführung des Qualifikationsverfahrens der Fotofachberufe beim Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) einreichen müssen. Wurde diese vollumfänglich stattgegeben oder hat der Bund ein davon abweichendes Prüfverfahren verlangt?
Samuel Fankhauser: Mit dem OdA (Organisation der Arbeitswelt) zusammen hat man sich für die Variante entschieden, bei der eine angepasste praktische Prüfung durchgeführt werden kann. Ja, das SBFI hat dieser Variante zugestimmt. Die Kandidaten haben so nun auch in diesem Covid-19 bestimmten Jahr die Möglichkeit ein faires Qualifikationsverfahren abzulegen und bei Bestehen der Prüfung werden sie ein vollwertiges EFZ erhalten.
Was läuft dieses Jahr anders als andere Jahre?
Bei jeder Fachrichtung wurden Prüfungsteile gekürzt oder gar gestrichen, weil die Covid-19 Vorgaben nicht erfüllt werden könnten. Zum Beispiel kann die Portraitserie mit Model nicht durchgeführt werden, da der Abstand bei dieser Aufgabe nicht eingehalten werden kann (Haarsträhne oder Kravatte richten usw.). Auch die Verkaufsgespräche können wir nur durchführen, weil mir alle Lehrbetriebe zugesichert haben, dass die nötigen Schutzmassnahmen gegeben sind. Sämtliche Prüfungen der Berufskenntnisse werden in diesem Jahr auf Anordnung des Bundes nicht geprüft.
Das heisst, dass neben den Berufskenntnissen auch die Allgemeinbildung dieses Jahr nicht geprüft wird. Zählen dann die Erfahrungsnoten?
Richtig, für diese Prüfungen zählen die Semesternoten die in der Berufsschule abgeliefert wurden. Wohl denen, die den Schulbetrieb nicht auf die leichte Schulter genommen haben.
Können die vom Bund verlangten Vorsichtsmassnahmen bei dieser Prüfung vollumfänglich gewährleistet werden – auch bei räumlich engen Verhältnissen?
Aus unserer Sicht Ja. Ich habe die Experten angewiesen, die Vorgaben des Bundes einzuhalten. In diesem Jahr werden neben dem üblichen Prüfungsmaterial und Unterlagen auch Schutzmasken und ähnliches im Gepäck der Experten sein. Bei den Prüfungen in der Schule, wird darauf geachtet, dass die Abstände gross genug sind, und die Prüfungen werden gestaffelt abgehalten, so dass nicht 20 Personen zusammen in einem Raum sein werden.
Ist dieses reduzierte Qualifikationsverfahren für die Absolventen eher ein Vor- oder ein Nachteil?
Da wir die Variante bestätigt erhalten haben bei der eine praktische Prüfung stattfinden kann, wird die Anforderung auf einem ähnlichen Niveau sein. Sicherlich ist der/die eine oder andere Kandidat/In nicht traurig, dass keine Prüfung in Betriebsmittel und Materialien durchgeführt wird.
Was passiert mit Qualifikantinnen und Qualifikanten, welche das Prüfungsverfahren nicht bestehen? Müssen Sie dann nächstes Jahr das volle Verfahren nochmals durchlaufen, obwohl dieses heuer verkürzt ablief?
Dieser Entscheid liegt nicht bei mir, aber ich gehe davon aus, dass das volle Verfahren geprüft werden würde.
Wir laufen derzeit in eine schwere Wirtschaftskrise. Nehmen wir den nicht zu hoffenden Fall an, dass ein Lehrbetrieb seine Geschäftstätigkeit nicht weiterführen kann. Was passiert mit einer Kandidatin oder einem Kandidaten, die nicht bestanden hat und nun ihren Ausbildungsplatz verliert?
Es ist ja seit je her so, dass die wenigsten Kandidatinnen oder Kandidaten, die die Prüfung nicht bestehen, aus nachvollziehbaren Gründen, nicht im Lehrbetrieb bleiben. Sie suchen sich einen neuen Betrieb, bei dem sie das Zusatzjahr leisten können. Dieser Vorgang wird sich also nicht verändern, nur könnte es sein, dass die Auswahl der Betriebe kleiner wird.
Noch eine persönliche Frage: Wie schätzen Sie das reduzierte Qualifikationsverfahren ein. Stehen die Experten vor einer schwierigeren oder vor einer einfacheren Aufgabe?
Es wird für alle Beteiligten eine Herausforderung, alle die Vorgaben des Bundes zu beachten. Ich bin aber überzeugt, dass alle Experten bereit sind und sich mit den gegebenen Änderungen zurecht zu finden werden und so können alle Kandidatinnen und Kandidaten eine faire Prüfung ablegen.
Herr Fankhauser, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Weitere Infos und die «Wegleitung zum angepassten Qualifikationsverfahren „Covid-19“ Fotofachfrau / Fotofachmann Beratung und Verkauf» finden Sie auf der Webseite von Imagingswiss.
Vielen Dank allen Expertinnen und Experten für Ihre tolle Mitarbeit bei der Erarbeitung einer fairen Prüfung.
Einen speziellen Dank geht an das Chefexpertengremium, welches in einer kurzen Zeit alles neu organisieren und die Prüfung an die Ausnahmesituation und Vorgaben des Bundes angepasst hat.
Der Vorstand von Imagingswiss wünscht allen Kandidatinnen und Kandidaten viel Erfolg bei der praktischen Prüfung, in dieser für alle nicht einfachen Zeit.