Urs Tillmanns, 24. Juni 2020, 03:15 Uhr

«Format» – Open-Air Ausstellung auf dem Mont-Soleil

Nachdem die Freiluftausstellung «Luft» vor zwei Jahren bereits mehr als 1500 Besucher auf dem Hochplateau des Mont-Soleil zählen konnte, steht jetzt die zweite Open-Air Ausstellung unter dem Motto «Format» an. Bekannt durch das grösste Wind- und Sonnenkraftwerk der Schweiz, bietet der Mont-Soleil in den Freibergen die vielfältigsten Wander-, Bike- und im Winter Langlaufmöglichkeiten. Man erreicht den verkehrsfreien Mont-Soleil bequem mit der Standseilbahn von St. Imier aus, die übrigens zusammen mit der regionalen Tourismusförderung und dem Verein «Impulsion» diese Fotoausstellung ins Leben gerufen hat.

Teil des Ausstellungskonzeptes war es von Anfang an, den Fotografinnen und Fotografen thematisch völlige Freiheit zu lassen. Dabei entstand eine Vielfältigkeit, in der sich die Künstler stilistisch und kreativ verwirklichen konnten und die Besucherinenn und Besucher mit einer grossen stilistischen Verschiedenartigkeit überraschen.

Die Ausstellung «Format» zeigt Kreationen von Schweizer Fotografinnen und Fotografen von der jungen Generation bis zu im In- und Ausland bekannten Namen.

Grazielle Antonini (6+9)
Aladin Borioli
(11)
Sophie Brasey
(7)
Yann Laubscher
(8)
Cathérine Leutenegger
(10)
Christian Lutz
(4)
Cyril Porchet
(5)
Virginie Rebetez
(1)
Guadalupe Ruiz
(9)
Prune Simon-Vermot
(2)
Beat Schweizer
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Virginie Rebetez – «La Femme au nom effacé», 2020

In einer Sammlung von Verfahren und Geständnissen von Hexenprozessen, die zwischen 1611 und 1667 in Diesse gerichtet wurden, ist die Geschichte einer Frau zu lesen, die unbekannt blieb, weil ihr Name aus dem Protokollbuch herausgerissen wurde. Seither wird sie in der Geschichte als «Die Frau mit dem ausgelöschten Namen» erwähnt. Wenn man den Rest des Textes entziffert, erfährt man, dass es sich um eine ältere Frau handelt, die unter der Folter gestanden hat, vor 48 Jahren dem Teufel begegnet zu sein. Zudem soll sie Menschen und Tiere getötet und mit ihren Komplizen getanzt haben. Weiter soll sie als Hebamme die Tochter ihrer Schwester abgetrieben haben, die von ihremn Onkel gezeugt wurde. Danach soll sie versucht haben, die Leiche des Kindes verschwinden zu lassen. Wahrscheinlich ist die unbekannte Frau auf den Scheiterhaufen gekommen. Ihre Asche dürfte in alle vier Winde verstreut worden sein, damit man sich nicht mehr an sie erinnern sollte. © Virginie Rebetez, © Fondation Mémoires d’Ici, FER 1

 

Prune Simon-Vermot – «Les limites du système 1»

In diesem Projekt geht es um Autismus und allgemeiner um das Asperger-Syndrom, die noch immer weitgehend unerforscht und mit archaischen und hartnäckigen Mythen verbunden sind und oft beängstigende und geheimnisvolle Ausdrucksweisen zur Folge haben. «Unterschiede in unserer Gesellschaft werden nur dann toleriert, wenn sie mit der Idee von Erfolg und Exzellenz durchdrungen sind, und Extravaganz wird dann nicht nur akzeptiert, sondern geschätzt. Eine autistische Person ist akzeptabel, wenn sie sehr genauen Kriterien entspricht, die zwischen aussergewöhnlichen Fähigkeiten und tiefem Mutismus schwanken. Mit dieser Arbeit wollte ich gegen die soziokulturellen Muster ankämpfen, die mit dieser autistischen Spektrumstörung verbunden sind. Das Projekt ist als ein sowohl realistisches als auch metaphorisches Logbuch zu verstehen, das einen jungen Mann mit diesem Syndrom verfolgt. Es ist eine Reise zwischen Entmystifizierung und Träumen, die immer mit den Grenzen des Systems kokettiert.» © Prune Simon-Vermot, 2020

 

Cyril Porchet – Serie «Meeting», 2012

Cyril Porchet dokumentiert in seiner Serie «Meeting» zeitgenössisch machtpolitische Veranstaltungen, wie die Generalversammlungen der Aktionäre (GA) von UBS, Siemens, Novartis, Allianz und anderen. Er hat diese Lokalitäten frontal fotografiert und hat bewusst die Hauptelemente überbelichtet, um ihre Struktur- und Kontextdaten hervorzuheben. Die Ansichten offenbaren auch die Stimmungen in für solche Veranstaltungen umgenutzten Stadien und Theater mit den quasi-militärische Aufstellung der Stuhlreihen. Die Überbelichtung erzeugt auch einen visuellen Effekt der «Abstraktion», der die Strukturen zu leuchtenden und noch raffinierteren skulpturalen Formen tendieren lässt. Diese ephemeren Inszenierungen wirken als ikonische Prismen des Spektakulären und der Macht. © Galerie C, Neuchâtel

 

Sophie Brasey – «Social Distancing», 2020

Diese fünf Bilder wurden während dem vom Bundesrat vorgeschriebenen Lockdown der Corona-Pandemie aufgenommen und sollen die gesellschaftliche Distanz dokumentieren, welche für viele Menschen im täglichen Leben zur Vereinsamung geführt hat. Alleine und in einer isolierten Umgebung scheinen diese Menschen abgeschnitten von ihrem persönlichen Beziehungsnetz und in einer ruhigen und leeren Umgebung zu warten bis diese merkwürdige Situation vorbei ist. Sind sie wegen ihres Alters so einsam, oder könnten dieselben Bilder auch ohne die aussergewöhnlichen Umstände dieser Pandemie aufgenommen worden sein?

 

Yann Laubscher – «Liévaïa Tchapina, L’Appel», 2010-2020

Die 2010 begonnene Serie mit dem Titel «L’Appel» entstand während mehrerer Reisen in naturbelassene Regionen Russlands wie Sibirien, Kamtschatka und dem Ural. Durch die Kombination von Porträts, Landschaften und Objekten, ohne deren chronologische und geographischen Details, ist L’Appel weniger ein Werk über Russland als vielmehr ein Eintauchen in die Spuren eines rauen und prekären, jedoch würdevollen Lebens.

 

Catherine Leutenegger – «Feather», 2018

Catherine Leutenegger nutzt für ihre Bilder modernste und unübliche Technologien ihrer jüngsten wissenschaftlichen Arbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Lausanne auf kreative Weise. «Feather» entstand mit Hilfe der Röntgenmikrotomographie und zeigt das Fragment einer Vogelfeder. Die Darstellung setzt sich aus mehreren tausend Bildern zusammen, die mit einem in der Schweiz einzigartigen wissenschaftlichen Instrument erzeugt wurde und die dreidimensionale Rekonstruktion der Struktur eines Objekts Schicht für Schicht und mit grosser Präzision bei der Wiedergabe der Materialien offenlegt. Dieser Tomograph ermöglicht es, die äusseren und inneren Eigenschaften eines Materials zu analysieren, ohne dieses zu verändern. Das Verfahren, dessen Auflösung bei kleinen Objekten bis zu einigen Mikrometern betragen kann, wird an der EPFL in verschiedenen Forschungsbereichen wie Ingenieurwesen, Medizin und Archäologie eingesetzt. © Plateforme PIXE EPFL & Catherine Leutenegger

 

Guadalupe Ruiz – «Anturios», 2020

«Jedes Jahr, wenn ich meine Familie und Freunde in Kolumbien besuche, fragte ich mich, welche Fotoausrüstung ich mitnehmen soll. Dieses Jahr entschied ich mich nur für meine Kamera mit dem 35mm-Objektiv und mein Smartphone. Das Smartphone kam häufiger zum Einsatz: Es ist alltäglich geworden und ist spontaner. Meine zwei ausgestellten Bilder, die ich unter vielen anderen ausgewählt habe, sind mit dem Smartphone entstanden und stehen in keiner Beziehung zueinander. Es sind Erinnerungen an etwas, was ich zu einem bestimmten Zeitpunkt erlebt habe.»

 

Aladin Borioli – «Things don’t happen in human vision», 2020

«Things don’t happen in human vision» ist ein integraler Bestandteil eines Forschungsprojekts (Apian), das die uralten Beziehungen von Bienen und Menschen und deren gegenseitige Abhängigkeit untersucht. Im Rahmen dieser Forschung interessiert sich der Künstler für die Art und Weise, in der die Beziehung zwischen Bienen und Menschen durch ökologische, soziale, historische, philosophische und ästhetische Begegnungen gemeinsam konstruiert wurde.

 

Graziella Antonini – «Weisstannen», 2019

«Seit sie es mir gesagt hat weiss ich, dass die Nadeln einer Weisstanne nach Mandarine riechen, wenn man sie zwischen den Fingern verreibt.» Graziella Antonini sammelt seit Jahren Pflanzen, Samen und Steine – kleine Objekte, die sie an ihre Reisen und Erlebnisse erinnern. Sie fotografiert die vielen Details und versucht die Pflanzen zu identifizieren, ihnen einen Namen zu geben sowie ihre biologische Abstammung zu ergründen. Die Fotografie hilft ihr die dazugehörenden Daten zu sammeln und ihren Entwicklungsverlauf zu studieren.

 

Christian Lutz – « Lukmanierpass», September 2015

Christian Lutz ist bei «Format» mit einem Einzelbild präsent, das er während der Migrationskrise im September 2015 am Lukmanierpass fotografiert hatte. Es zeigt zwei offensichtliche Flüchtlinge, welche den Weg in eine neue Zukunft suchen.

 

Beat Schweizer – «Die Suche, Udachny, Russland», Juni 2019

Die vier präsentierten Bilder sind Teil eines laufenden Projektes über das tägliche Leben in der russischen Stadt und Region Monotwon, deren Wirtschaft von einer einzigen Industrie dominiert wird. «Udachny», was etwa Erfolg oder Glück bedeutet, ist auch der Name für eine urbane Siedlung im Norden von Jakutien in Russland. Sie wurde in den 1960er Jahren für Menschen erbaut, die in den Diamantenminen und der angeschlossenen Industrie arbeiten. Sie zählt etwa 12’000 Einwohner, und laufend kommen neue Arbeitssuchende hinzu.

 

Informationen zur Ausstellung und zum Ausstellungsort

Die «Format»-Ausstellung findet bereits zum zweiten Mal auf dem Mont-Soleil statt, der ein beliebtes Wander- und Erholungsgebiet ist. Für viele Wanderer wird die Ausstellung «Format» mit den grossformatigen Bildern eine Entdeckung sein, die sie in dieser Naturlandschaft kaum erwartet hatten.

Die Ausstellung wurde von Swann Thommen und dem 2017 gegründeten Verein «Impulsion» organisiert, von Gewerbe und Industrie unterstützt sowie mit vielen freiwilligen Helfern realisiert. Ziel ist es, die verschiedenen Teile des zeitgenössischen künstlerischen Schaffens im Berner Jura in der Öffentlichkeit bekannter zu machen.

Die Ausstellung «Format» dauert vom 13. Juni bis 16. August 2020 und ist kostenlos zu besuchen.

Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite www.exposition-format.ch

Situationsbilder: © Urs Tillmanns / Fotointern.ch

 

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