Erosive Vorgänge in der Natur geschehen in der Regel still und langsam. Der Mensch altert und es ist ihm dies nur in zeitlichen Vergleichsabständen von Monaten oder Jahren anzusehen. Das Kontinuierliche, das Tag für Tag am Menschen und der Natur nagt, ist nicht sichtbar und vollzieht sich in einer unsichtbaren Langsamkeit.
Seit ein paar Jahren widme ich mich dem Themenkreis von «Erosionen», «Silence» und «Unterwegs». Es entstehen dabei Serien, die oft ineinander greifen: Man ist unterwegs, um die Stille der Erosionen zu fotografieren. Stille fotografieren? Wie soll das gehen? Ein Beispiel ist das Zusammenspiel von Wasser und Gestein. In einer unendlichen Geduldsarbeit trägt das Wasser den harten Stein nach und nach ab. Während dieses Prozesses entstehen immer neue Bilder, Strukturen und Formen in der Natur. Mich interessieren solche Schnittstellen, an denen die Natur unentwegt arbeitet und im Laufe der Zeit neue Formen schafft.
Für meine Arbeiten verwende ich hauptsächlich grössere Formate. Zu Beginn meiner Arbeit waren dies vor allem die Formate 6×9 cm und 4×5 Inch, später kamen die Vollformatkameras von Sony hinzu. Seit drei Jahren ist Fujifilms GFX50s mein bevorzugtes Werkzeug, um meine Bilder aufzunehmen.
Schwarzweiss war für mich von Anfang an klar. Das Fehlen von Farbe zwingt das Auge noch mehr, das Wesentliche eines Objektes zu suchen und zu erkennen. Schwarzweiss zu fotografieren heisst auch, sich eine völlig andere Sehweise anzueignen. Eine klassische Schwarzweissaufnahme wird schon vor dem Auslösen als Schwarzweissbild gesehen und auch entsprechend fotografiert. Freilich bin auch ich in Zeiten von digitalen Fotografien nicht ganz frei von Farbe. Schliesslich beinhalten die RAF-Dateien, die ich sicherheitshalber zu den SW-jpgs mit aufnehme, immer auch die Farbinformationen. Und diese RAF-Files lassen mir notfalls sogar die Wahl, den Farbfilter von rot auf gelb oder grün wechseln zu können.
Den Wechsel von analoger Aufnahmetechnik hin zur digitalen Fotografie habe ich nie bereut. Im Gegenteil. Nicht nur, dass im Allgemeinen das Equipment bedeutend leichter geworden ist (bei noch besserer Bildqualität). Alleine ein paar Kassetten mit 4×5-Inch-Film füllten bereits eine halbe Fototasche und hochwertige Farb-, Pol- und Verlaufsfilter hatten ihr Gewicht und ich bin froh, dass – bis auf den Polfilter und Big Stopper – heutzutage alles in die Kamera oder in das Bildbearbeitungsprogramm integriert ist. Auch die Anzahl der Auslösungen hat sich, dank den RAWs, etwas reduziert. Waren zu analogen Zeiten Belichtungsreihen manchmal unabdingbar, um auf der wirklich sicheren Seite zu sein, so versichert einen heute ein einziges RAF-File für den Fall der Fälle. Dazu nehme ich meine Motive im Backup-Modus meiner Kamera auf. Das heisst, das Bild wird auf beiden SD-Karten in der Kamera gespeichert für den Fall, dass sich eine Karte einmal unerwartet verabschiedet (was mir allerdings in 15 Jahren noch nie passiert ist).
Ich habe für fotointern ein paar Bilder aus dem Zürcher Oberland und Tösstal ausgewählt. Sie sollen zeigen, wie und wo die Natur stetig arbeitet. Wasser und Eis reiben sich am felsigen Untergrund und bilden dabei einzigartige Motive: Hier die flüchtige Eisskulptur, die schon in ein paar Tagen verschwunden sein wird, dort das Wattige des lange belichteten Wassers im Fluss-, respektive Bachbett. Andernorts sind es dann Bäume, deren Wurzelwerk ganze erratische Blöcke und Findlinge umgreifen und zu erdrücken scheinen.
Ein paar Dinge sind für mich unentbehrlich: ein gutes Stativ, ein grosser Regenschirm sowie das «richtige» Wetter. Seit eh und je verwende ich ausschliesslich Gitzo-Stative, meist ein Systematic der Serie 3. Das Gesamtpaket von relativ geringem Gewicht, äussert guter Stabilität und Dauerhaftigkeit hat wohl seinen Preis, den ich gerne für diese Art von Zuverlässigkeit zahle. Den Schirm benötige ich bei Regen, wenn Kamera und Fotorucksack einigermassen trocken bleiben sollen. Ihn stöpsle ich mit einem Adapter ans Stativ. Ja, und dann das Wetter, wenn es stimmt, heisst es losfahren. Die Orte kenne ich ja mittlerweile …
Das Fotografieren dieser Themen ist manchmal eine etwas einsame Angelegenheit, denn die Motive liegen nicht selten ziemlich abgelegen und weit weg von jedem Wanderweg. Gleichzeitig sind solche meditative Ausflüge in die Natur auch ein Gegensatz zur Hektik meines beruflichen Alltags, der nicht selten geprägt ist von Termindruck.
Ein paar dieser Aufnahmen habe ich erstmals im Jahr 2014 bei der IG Halle im KunstZeugHaus in Rapperswil gezeigt. Seither ist der Zyklus nach und nach erweitert worden. Und wächst weiter …
Text und Bilder: Renato Bagattini
Die Galerien mit weiteren Bildern zu den Themen «Erosionen», «Silence» und «Unterwegs» von Renato Bagattini finden Sie unter https://renatobagattini.com/
Diese Bilder haben etwas reportage-haftes.
Ob das auch beabsichtigt ist? Mir gefällt das.
Kann mir vorstellen, wie wichtig hier die Bedeutung der BildSerie. – gegenüber Einzelbilder – ist.
Wunderbar entspannte Idee. Tolle Fotos. Aber auch toll geschriebener Artikel!