Als Biennale findet die «Images Vevey» alle zwei Jahre am Genfersee statt. Mehr als 40 Ausstellungsplätze zeigen Fotografien, die sowohl den heutigen Trend entsprechen, aber auch der klassischen Fotografie Raum lassen. Die «Images Vevey» sei anders als andere Festivals. Was ist anders? Und was ist speziell dieses Jahr anders, wo Corona den Organisatoren einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht hat? Fotointern hat den Festival-Direktor Stefano Stoll dazu befragt.
Fotointern: An der «Images» wird ein sehr breites Spektrum kreativer Arbeiten gezeigt. Nach welchen Gesichtspunkten und nach welchem Verfahren werden die ausstellenden Künstler selektioniert?
Stefano Stoll: Die Image Vevey hat den Vorteil, dass es eine Biennale ist und dass wir so zwei Jahre Zeit haben, um unser Programm zu etablieren. Bei der Selektion geht es zwar immer um Fotografie, aber es sind nicht immer nur Fotografen, deren Werke wir ausstellen, sondern es sind auch beispielsweise Gegenwartskünstler, deren Schaffen jedoch einen Bezug zur Fotografie hat. Es geht uns vor allem darum, wie man die Fotografie verbreiten und das Interesse für die Fotokunst fördern kann. Zwar ist die Fotografie omnipräsent, jedermann fotografiert und kommuniziert mit Fotografien in den sozialen Medien. Fotografie ist eine Art «Esperanto» geworden. Bei der Images Vevey geht es nicht einfach darum schöne Fotografien zu zeigen, sondern fotografische Projekte auf eine andere und unerwartete Art zu zeigen. Die Fotografien auf der Images Vevey sollen ihre Geschichten erzählen und so Emotionen vermitteln, die der Besucher teilen kann.
Stefano Stoff, Direktor der Images Vevey (Foto: Julien Gremaud, 2018)
Im Vorfeld der «Images» finden diverse wichtige Fotofestivals statt, wie beispielsweise die Rencontres in Arles, die Photo Schweiz oder die Horizonte in Zingst. Auch schon sah man auf der «Images» Namen und Bilder, die schon andernorts ausgestellt wurden. Besteht eine aktive Zusammenarbeit zwischen der «Images» und anderen Festivals?
Nein, grundsätzlich nicht. Natürlich besuchen wir uns gegenseitig und pflegen einen inspirativen Kontakt, aber auf der Images Vevey stellen wir die Fotos anders aus als dies andere Festivals tun. Wir pflegen hier in der Stadt, in den verschiedenartigen Lokalitäten und Umgebungen eine völlig andere Szenografie, die in anderen Städten so nicht realisiert werden kann. Natürlich kann es vorkommen, dass wir uns für einen Künstler entscheiden, der bereits in Arles ausgestellt hat, aber wir werden ihn anders und in einer eigenständigen Art und Weise in Vevey präsentieren. Es geht bei uns nicht darum einfach Fotos zu zeigen, sondern ein Erlebnis zu vermitteln. Unser Ziel ist es die «Haute Couture» der Fotografie zu vermitteln und unsere Künstler auf einzigartige Weise zu präsentieren. Damit sichert sich die Images Vevey ihre Alleinstellung.
An der Fassade der Waadtländer Kantonalbank, gleich gegenüber vom Bahnhof, hängt ein Riesenbild von Jeff Mermelstein
Die «Image» zeigt alle zwei Jahre sowohl Werke bekannter Künstler als auch solche junger Talente. In welchem Verhältnis stehen dieses Jahr die bekannten Fotografen zu den Newcomern?
Das ist ein ziemlich ausgewogener Mix, der sich allerdings nicht so in Zahlen fassen lässt. Aber schauen Sie sich das Buch «Le livre d’Image» [erhältlich im Images-Shop, Anm. d. Red.] an, das im letzten November erschienen ist. Es zeigt über 300 Projekte, die in den letzten zehn Jahren auf der Images Vevey realisiert worden sind. Der 400-seitige Bildband zeigt als Querschnitt deutlich wie wir arbeiten und nach welchen Gesichtspunkten wir die Fotokünstler aussuchen. Natürlich lebt jedes Festival von grossen Namen, aber die Newcomer sind ebenso wichtig, weil sie oft originelle und bisher ungesehene Ideen realisieren und damit das Publikum begeistern. Auch dieses Jahr zeigen wir wieder Werke weniger bekannter Künstler, wie Alina Frieske, Alberto Vieceli oder Vincent Jendly, deren Werke auf grosse Beachtung stossen werden. Und um ihre Werke zu präsentieren wenden wir genau so viele Mittel auf, wie für die Präsentation bekannter Fotografen. Das Publikum sucht auf der Images Vevey nicht nach Namen sondern nach origineller und beispielhafter Fotografie. Die Images Vevey ist wie ein grosses Buffet grossartiger Fotografie, an dem man vielfältige Fotokunst erleben und auskosten kann.
Originell präsentiert: Das Archivbild eines brennenden Hauses von Batia Suter ziehrt das Depot der Feuerwehr von Vevey
Welches sind Ihrer persönlichen Meinung nach die drei wichtigsten Ausstellungen bzw Bildpräsentationen?
Das lässt sich so nicht beantworten. Wir stehen jetzt am Ende eines langen Prozesses mit der Selektion der Künstler und allen Detailfragen, wie wir jedes Werk originell und erlebnisreich präsentieren wollen. Da sind einem alle Kinder gleichermassen ans Herz gewachsen …
Das Bild eines einsamen Mannes von Teresa Hubbard und Alexander Birchler passt symbolisch perfekt an die Fassade des alten Stadtgefängnisses
Oder anders gefragt: Was darf man auf der diesjährigen Images Vevey auf keinen Fall verpassen?
Drei Namen, die mir jetzt spontan einfallen. Da ist einmal Batia Suter, der ein Archivbild eines brennenden Hauses bearbeitet hat und dieses monumental am Feuerwehrmagazin der Stadt präsentiert. Oder Stephen Gill, der eine selbstauslösende Kamera auf einer Säule so platziert hat, dass Vögel, die auf einer zweiten Säule landen, fotografiert werden. Was dabei herausgekommen ist, ist verblüffend. Und dann Teresa Hubbard und Alexander Birchler, deren Bild eines einsamen Mannes in seinem Zimmer zeigt, das wir riesengross an der Mauer des früheren Gefängnises von Vevey zeigen. Das Bild strahlt mit dem Lockdown und der gegenwärtigen Situation eine ganz besondere Symbolik aus. Es gibt jedoch noch viele weitere Highlights, wie Christian Boltanski der Wandlung von Gesichtern von Neugeborenen bis zum Greisen, Stephen Shore mit seinen «Uncommon Places» oder Kristine Potter mit ihren grossartigen Schwarzweissbildern.
Auf der Grande Place vor dem Schloss kann man sich unter violetten Sonnenschirmen der Stadt Vevey ausruhen
Zur «Images» kommen jeweils bekannte Fotografen, sei es als Besucher oder als Aussteller. Weshalb bietet die «Images» kein Rahmenprogramm an, in Form von Workshops, Vorträgen, Paneldiskussionen, Hearings etc?
Weil das alle andern tun. Die Images Vevey soll unverwechselbar und einzigartig sein, und das zeigt sich auch darin, dass wir kein solches Rahmenprogramm bieten. Wir sparen dabei eine Menge Geld und einen grossen Aufwand, den ich lieber in zwei, drei weitere Projekte investiere. Da haben alle Besucher mehr davon.
Wer Vevey sagt denkt an Charly Chaplin. Neben seiner lebensgrossen Statue befindet sich die Installation von Penelope Umbrico
Welche touristische Bedeutung hat die «Images» für die Riviera Vaudoise? Zeigen die Jahre der Durchführung mit den Zwischenjahren einen signifikanten Unterschied?
Eine sehr grosse. Allerdings gibt es hierfür keine Zahlen, aber wir schöpfen die Hotelkapazität der gesamten Region mit der Images Vevey sehr stark aus. Die Leute übernachten von Lausanne bis Villeneuve, wobei auch ein grosser Teil Tagesbesucher sind, die abends wieder nach Hause fahren und eventuell am nächsten Tag wieder kommen.
Die Erkennungsgrafik der diesjährigen Images vom Studio Balmer Hählen Lausanne ist in Vevey omnipräsent
Wie finanziert sich die «Images»? Welcher Anteil kommt von den privaten Sponsoren und welcher von der öffentlichen Hand, wie die Stadt Vevey etc?
Die Finanzierung ist natürlich jedes Mal eine neue Herausforderung. Wichtig ist mir, dass alle Ausstellungen für jedermann kostenlos zugänglich sind, auch diejenigen, die in normalerweise kostenpflichtigen Museen und Institutionen stattfinden. Das ist uns bisher immer gelungen. Das Rezept für die Finanzierung ist eine Drittelregel. Ein Drittel wird durch die öffentliche Hand gedeckt, also durch die Stadt Vevey, den Kanton, den Bund etcetera, ein weiterer Drittel durch Stiftungen, Tourismus-Verbände und die Lotterie-Romande und den Rest durch Sponsoren und Selbstfinanzierung. Das hat über die Jahre immer recht gut funktioniert. Aber dieses Jahr ist alles anders, und ich weiss noch nicht wie die Schlussrechnung aussehen wird.
Die Werbung auf einem Stadtbus weist auf die Ausstellung «Holding the Camera» von Alberto Vieceli hin, die Im Kameramuseum zu sehen ist
Die meisten ähnlichen Veranstaltungen mussten ja dieses Jahr Covid-19-bedingt abgesagt werden. Gibt es für die Besucher der «Images» besondere Auflagen?
Ja, es ist ein schwieriges Jahr, und wir haben uns mit den verschiedensten Fragen bezüglich Covid-19 auseinandersetzen müssen. Wo besteht eine Maskenpflicht, wo nicht? Wo braucht es Desinfektionsmittel, wo nicht? Wo braucht es Hinweisplakate? Welche Abstände und Personenzahlbeschränkungen müssen eingehalten werden? Wir haben mit den Fachleuten ein umfassendes Schutzkonzept ausgearbeitet, das eigentlich einen risikofreien Besuch ermöglichen sollte. Aber man kann nie wissen, ob uns die steigenden Fallzahlen nicht nochmals einen Strich durch die Rechnung machen. Schlimmstenfalls können wir am Samstag die Images Vevey gar nicht mit einer öffentlichen Veranstaltung einläuten.
Mit dem Slogan «Toucher avec les yeux» (mit den Augen berühren) dürfte die Leute sanft an die Corona-Massnahmen erinnert werden. Vielleicht wird die diesjährige Images Vevey etwas weniger interaktiv, aber sie wird ein grossartiges Erlebnis werden, das typisch für die Images Vevey ist: Fotografie zum Erleben!
Das Interview wurde am 31. August 2020 von Urs Tillmanns telefonisch geführt.
Situationsbilder von Urs Tillmanns / Fotointern
Das Festival Images Vevey 2020
Wie alle zwei Jahre findet das Festival Images vom 5. bis 27. September 2020 mit knapp 50 Fotoausstellungen im Freien, auf den Strassen, in den Parks, in Museen, Galerien und öffentlichen Gebäuden statt. Der Zutritt zu allen Ausstellungen ist von 11:00 bis 19:00 Uhr kostenlos. Zum Festival gibt es einen umfassenden Katalog.
Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite https://www.images.ch