«Ein Herausforderung für jeden Kamerasensor» … so habe ich bei der Bewerbung für den Lesertest der Lumix S1 einen kritischen Punkt erwähnt, der bei der Art von Fotografie, die ich betreibe, ein nicht zu unterschätzender Faktor darstellt. Damit meine ich die sogenannten Lightpaintings, die ich während einer Langzeitbelichtung in kompletter Dunkelheit erstelle. Dabei sind Belichtungszeiten von mehreren Minuten nicht ungewöhnlich, was den Sensor enorm aufheizt und zu vermehrtem Bildrauschen führen kann. Ich arbeite bisher mit einer Nikon D750 (DSLR – Vollformat) und einer Fujifilm-XT-20 (Spiegellos, APS-C). Daher kenne ich die Vor- und Nachteile von beiden Welten und war gespannt, die spiegellose Lumix S1 mit dem Vollformatsensor auszuprobieren.
Zum bisherigen Equipment von Bruno Kneubühler gesellt sich kurzfristig die Testkamera Lumix S1
Das Test-Set bestand aus der Lumix S1, dem 4/24-105 mm Objektiv, dem Lumix S Pro 4/16-35 mm Weitwinkelzoom welches mir freundlicherweise von Panasonic Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, sowie einer Funkfernbedienung B.I.G.-WTC-2. Ich habe mich für die S1 entschieden, da die enorme hohe Auflösung der S1R mir doch etwas überdimensioniert schien. Schliesslich braucht es auch beim Rechner entsprechende Leistung, um die Bilder zu bearbeiten.
Lightpainting – also «Zeichnen mit Licht» – ist eine spezielle fotografische Technik bei der man nachts oder in abgedunkelten Räumen fotografiert. Die Bilder entstehen direkt in der Kamera und benötigen praktisch keine weitere Bildbearbeitung. Ein Bild stelle ich mir häufig zuerst im Kopf vor, oder die Idee kommt mir nach Begutachtung der Location. Da die Bilder in kompletter Dunkelheit entstehen, ist es enorm wichtig die Location zu kennen. Und während der Entstehung des Bildes kurz mal Licht einschalten, um sich zu orientieren, geht gar nicht 🙂 Ein Lightpainting soll in einer einzigen Belichtung entstehen, auch wenn es durch Mehrfachbelichtung, Photoshop etc. möglich ist, ähnliche Bilder zu gestalten. Arbeitet man zu zweit geht das wesentlich besser, als wenn man alles alleine bewältigen muss.
Die Objekte entstehen aus Licht. Dazu werden unterschiedliche Lampen, LED-Streifen, Plexiglas, Feuerwerk oder andere leuchtende Sachen in für unterschiedliche Effekte eingesetzt. Viele Tools werden dazu selber gebaut, um bestimmte Effekte zu erzielen.
Anschliessend wird das Bild umgesetzt. Bei komplexeren Vorhaben sind die Abläufe geplant, so dass die erstellten Lichtobjekte, Ausleuchtung von Hintergrund etc nach und nach resultieren. Das komplette Bild ist zum Schluss das Ergebnis einer einzigen Belichtung. Ein paar Situationen benötigen ein Abdecken des Objektivs während die Belichtung weiterläuft, beispielsweise wenn mit Feuer durch das Bild gegangen wird. Mit Lampen ist das unkritisch, da diese ja beliebig ein- und ausgeschaltet werden können. Je nach Situation kann die Belichtungszeit bis zu 15 Minuten betragen.
Der Praxistest
Der erste Eindruck der Lumix S1 ist sehr gut. Die Kamera ist schön verarbeitet und übersichtlich, trotz der vielen Knöpfe. Im Vergleich zu meiner Fuji-XT20 oder der Nikon D750 ist das Set schon recht schwer und gross, jedoch gegenüber der Nikon D750 mit dem 2,8/24-70 mm jedoch sogar etwas leichter.
Ein kurzer Blick in das übersichtliche Menü und meine wichtigsten Einstellungen konnte ich festlegen. Darunter gehören manuell fokussieren, Bulb resp. Beliebig lange Belichtungszeit wählen und «Rauschunterdrückung bei Langzeitbelichtung» ausschalten. Wenn die Rauschunterdrückung nicht ausgeschaltet ist, dauert es nochmal gleich lang wie die Belichtungszeit, bis dieses entrauscht ist. Und das ist bei den langen Belichtungszeiten sehr störend – falls entrauscht werden muss, mache ich dies hinterher am Computer.
Für die ersten Versuche habe im abgedunkelten Keller ein einfaches Setup mit diversen Materialen aufgebaut. Belichtungszeit «B» / Blende so um 8 bis 11 bei ISO 200 – mit der B.I.G.-Fernbedienung habe ich die Kamera ausgelöst und die Auslösung blockiert, so dass ich die ersten Lichtspuren erstellen konnte. Nach dem Lightpainting habe ich die Auslösung gestoppt und das Bild kontrolliert. Unterschiedliche Lampen brauchen unterschiedliche Einstellungen, dazu später mehr. Die Belichtungszeiten hielten sich bei dem ersten Test im Rahmen, viel länger als eine Minute wurde nicht belichtet, die ersten Tests waren auch keine komplexen Bilder.
Am nächsten Abend bin ich dann nach draussen gegangen, um weitere Tests zu machen. Das Fokussieren in der Nacht ist mit den aktuellen Kameras auch keine grosse Sache mehr. So hatte auch die S1 keine Probleme, korrekt auf den Baum scharf zu stellen. Etwas beleuchten musste ich ihn allerdings schon, natürlich kann der Autofokus nicht in kompletter Dunkelheit scharfstellen. Das ist auch der Grund, warum anschliessend die Kamera auf Manuell umgestellt wird, ansonsten würde beim Auslösen, der Autofocus hin- und her sausen. Auch bei diesem Test habe ich mit der B.I.G.-Fernbedienung ausgelöst und die Fernbedienung bei der Kamera belassen. Danach bin ich nach vorne zu dem Baum gelaufen, habe Kugeln erstellt, den Baum und die Gegend ausgeleuchtet. Anschliessend zurück zur Kamera, die Belichtung wieder gestoppt, Bild kontrolliert, und falls nötig, nochmal das Gleiche gemacht, bis das Bild gepasst hat.
Da ich mich vor der Kamera mit den Lichtern viel bewege und manchmal die Kamera erst auslösen will, wenn ich vor der Kamera in Position bin (zum Beispiel mit brennenden Fackeln), muss ich mich verlassen können, dass die Auslösung funktioniert, und der Verschluss erst wieder geschlossen wird, wenn ich das will. Aus dem Grund trage ich die Fernbedienung meistens in der Tasche mit mir rum. Die Nikon D750 hat eine Funktion «T – Time», mit der einmal auslösen den Verschluss öffnet und ein zweites Mal auslösen diesen wieder schliesst. Das ist sehr praktisch. Schade fehlt diese für mich sehr komfortable Funktion bei vielen heutigen Kameras.
Zurück zur Praxis. Bei den meisten Bildern besteht die Aufnahme aus einzelnen Sequenzen – zwischen diesen wird das Objektiv mit einem Hut oder mit der Hand abgedeckt, was am Schluss eine Art Mehrfachbelichtung in einem Bild ergibt. Oftmals werden die schwierigen Sequenzen zuerst erstellt, dann die etwas einfacheren Vorgänge, und am Schluss wird noch der Hintergrund ausgeleuchtet, was dann zum Gesamtbild wird. Es kommt auch vor, dass ich mit zwei Stativen von unterschiedlichen Standorten aus arbeite. Während ich von einem Stativ zum anderen wechsle, läuft die Belichtung mit abgedecktem Objektiv weiter.
Noch etwas komplexer wird es, wenn sich die Objekte, die man ablichtet, in unterschiedlichen Entfernungen befinden. So kann beispielsweise zuerst ein Motiv ganz aus der Nähe fotografiert werden, um eine Silhouetten-Wirkung zu erzielen, während sich ein zweites Objekt in zehn Metern Entfernung befindet. Bei den Vorbereitungen werden die Distanzen ausgemessen, um dann die Entfernung am Objektiv manuell einzustellen. Das kann recht aufwändig werden: Pos. 1 auf Stativ 1 / Distanz 1m /Auslösen / Objektiv abdecken / Wechsel zu Stativ 2 / Distanz am Objektiv auf 10m stellen / weiterbelichten bis die Aufnahme beendet ist. Leider fehlen an den beiden getesteten Panasonic 4/24-105mm- und 4/16-35mm- Objektiven die Schärfeskalen, was das Scharfeinstellen zusätzlich erschwert. Auch fehlt am 16-35mm Zoom der Schalter um den Autofokus auszuschalten, doch kann man dazu problemlos den Drehschalter an der Kamera auf manuellen Fokus umstellen.
Auch die Verwendung von unterschiedlichen Lichtquellen ist beim Lightpainting zwar effektvoll, aber auch ein zusätzliches Erschwernis. Da kann schon mal vorkommen, dass man während der Belichtung die Blende korrigieren muss, wenn eine Kerze und eine LED Lampe mit 1000 Lumen als Lichtquellen dienen. Für solche, zugegeben, seltenen Fällen habe ich auf meiner Nikon ein altes manuelles Objektiv, bei dem ich die Blende auch während der Belichtung problemlos verstellen kann.
Es gibt viele unterschiedliche Techniken im Lightpainting, und die Fantasie lehrt einem immer wieder neue. Einige davon habe ich mit der Lumix S1 ausprobiert. Die längste Belichtung dauerte 995 Sekunden, also 16,5 Minuten, um die Sternspuren aufzunehmen. Selbst bei dieser sehr langen Belichtungszeit habe ich anschliessend keine nennenswerten «Hotpixels» in den dunklen Bereichen vom Bild gesehen. Bei anderen Kameras kommt es nach längeren Zeiten zu grün/rot/blauen Punkten, welche durch Erhitzung des Sensors entstehen. Diese Punkte sind im normalen Bild kaum auffällig oder sie können in der Postproduktion entfernt werden.
Meine Bilder habe ich immer im RAW- und JPG Format abgespeichert. Da meine alte Lightroom-Version die Dateien der Lumix noch nicht erkennt, habe ich die RAW-Bilder mit dem Adobe DNG-Converter umgewandelt, um diese DNG-Files danach problemlos in den Lightroom importieren zu können.
Im Gegensatz zu Spiegelreflexkameras gibt es bei den Spiegellosen das kleine «Problem» des fehlenden Auslösegeräusches. Einen Spiegelschlag hört man besser als das elektronische Auslösen, welches man bei den Spiegellosen einstellen kann. Das ist aber eine Gewöhnungssache und ist auch wieder etwas, dass bei meiner Art der Fotografie praktisch ist, damit ich vor der Kamera höre, ob die Kamera auch ausgelöst hat.
Fazit:
Die Lumix S1 ist eine Topkamera mit fast allen erdenklichen Funktionen einer modernen Kamera. Ich habe sie nur in meiner «Nische» des Lightpainting erprobt, da brauche ich all die Möglichkeiten, die sie bietet, nur sehr eingeschränkt, obwohl ich natürlich auch andere Sachen gerne fotografiere. Ich bin überzeugt, ob für Porträt, Landschaft, Sportfotografie und was es sonst noch gibt, hier findet jede/r etwas.
Die Lumix S1 ist sehr robust gebaut und macht einen sehr soliden Eindruck. Die Knöpfe sind griffig und lassen sich gut bedienen, allerdings finde ich persönlich den Ein/Aus-Knopf nicht optimal plaziert, und er ist auch recht klein geraten. Ein kleiner Joystick zur Auswahl wo fokussiert werden soll, ist praktischerweise auch vorhanden. Das (Touch-)Display ist sehr gut, lässt sich horizontal und vertikal ausklappen. Der Sucher kommt dem Analogsucher der DSLR sehr nahe. In der Nacht ist das Displaybild noch klar und gut zu erkennen, wo andere Kameras vermehrt rauschen. Auch gibt es keine sichtbaren Verzögerungen mehr, oder für mich nicht bemerkbar. Der Handgriff (Batteriefach) ist für mich etwas gross, aber griffig und sicher Gewöhnungssache. Eine kleine Reisekamera ist es aber definitiv nicht.
Die fehlende Schärfeskala und dass sich der Ring zum Scharfstellen ohne Anschlag durchdrehen lässt, habe ich schon bei anderen Kameras gesehen. Das ist für mich ein wichtiger Punkt, da ich diese Möglichkeiten gerne nutze. Die Blende zu verstellen während der Belichtung ist auch bei meinen anderen Kameras nur mit manuellen Objektiven möglich.
Die Objektive sind leicht, etwas kürzer dafür aber dicker im Vergleich zum Nikon 24-70 – welches allerdings Lichtstärke 2.8 hat (gegenüber 4.0). Die Nikon wiegt mit dem 2,8/24-70mm ca. 1900 Gramm, die Lumix S1 mit dem 4/24-105 etwa 1700 Gramm – ist also sogar etwas leichter.
Der Setpreis von ca. 3100.- Franken ist ein stolzer Preis, dafür kriegt man aber eine Kamera, die viele Wünsche erfüllt. Mit all den Funktionen – besonders auch im Videobereich – braucht sie sich nicht vor den anderen bekannten Marken zu verstecken. Die Bildqualität ist 1A – ich konnte keine Probleme feststellen.
Wer mehr über Lightpainting erfahren möchte, kann gerne bei mir einen Kurs besuchen, welche ich gegen Winter wieder durchführen werde – sofern es die aktuelle Situation erlaubt. Die Termine finden sich jeweils auf meiner Website www.kneubuehlers.net
Text und Bilder: Bruno Kneubühler
Anm. d. Red.: Die Funkfernbedienung B.I.G.-WTC-2 wurde uns freundlicherweise von Photo Vision Zumstein in Bern für den Test zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank.
Weitere Infos über die Lumix S1 finden Sie unter www.panasonic.ch
Bruno Kneubühler
Ich wohne mit meiner Famile in Messen, und bin 53 Jahre alt. Als Informatiker bin ich viel am Computer, umso mehr geniesse ich es, mich draussen in der Natur zu bewegen. Für mich ist es entspannend, mit der Kamera unterwegs zu sein, Details zu sehen, Momente festzuhalten und mich an den Bildern erfreuen. Ob bei speziellen Anlässen, besonderem Licht, mittels ausgefeilten Techniken, einfach oder kompliziert, es zählt die Freude an der Fotografie, und nicht «nur» das Resultat.
Die Faszination der Fotografie hat mich schon immer begleitet. Früher noch mit Analogkameras unterwegs, fotografiere ich heute natürlich digital, hauptsächlich Landschaften, Tiere und natürlich die Familie. Vor ca. 7 Jahren habe ich angefangen, mich mit Lightpainting zu beschäftigen. Ich habe mir die Technik selber beigebracht, auch einen Kurs dazu besucht um ein wenig mehr zu erfahren. Die Technik wie diese Bilder entstehen, hat mich sofort gepackt und bis heute nicht losgelassen. Mit Licht zu malen ist nicht einfach, man kann nichts mehr wegnehmen, muss die Schritte zu dem Bild planen und viel probieren. Oftmals gibt es während einer Nacht nur ein Bild das dem entspricht, was man sich vorgestellt hat.
Wer mehr über Lightpainting erfahren möchte, kann gerne ein Blick auf meine Website werfen. Ich biete dort auch Kurse im Bereich Lightpainting an, sofern es die aktuelle Situation erlaubt.
Website: www.kneubuehlers.net, Instagram: @onurb67