Gastautor/-in, 11. September 2020, 16:49 Uhr

photo basel in Berlin zu Gast

Die Menschenschlangen vor dem Hangar 3 und 4 des Flughafen Tempelhof waren kilometerlang. Vermutlich schafften es wohl an diesem Abend ein Grossteil der Besucher nicht mehr hinein in die Hallen. Die «Positions» Berlin Art Fair ruft und viele, sehr viele Leute wollen die Kunst hier sehen. Auch Berlin erwacht in diesem September als Kunststadt neu. Die Besucher scheinen geradezu hungrig zu sein, Kunst endlich wieder in Echt anzusehen, statt in Online-Messen.

Vor den Hangars 3 und 4 des  Flughafens Tempelhof in Berlin stehen die Leute Schlage (mit Corona-Abstand) um in die Kunstausstellung «Positions» zu kommen, wo die photo basel zu Gast ist.

Der Stand der Photo Basel an der «Positions» präsentiert sich im Hanger des früheren Flughafen Tempelhof sehr grosszügig (Pressefoto)

 

Photo Basel setzt ein Statement

Mit dabei im Hangar 3 und 4 ist auch die photo Basel. Präsentiert werden 23 Galerien aus zehn Nationen mit 45 Künstlerinnen und Künstlern mit 200 Positionen. Selbst Paul Seger, Schweizer Botschafter in Berlin, liess es sich nehmen, die Ausstellungen zu besuchen und die Schweizer Galeristen zu begrüssen. Sven Eisenhut sagt: «Was war das eine grosse Ehre für uns und ein Zeichen, dass man uns auch hier im Ausland wahrnimmt.»

Sven Eisenhut «Was war das eine grosse Ehre für uns und ein Zeichen, dass man uns auch hier im Ausland wahrnimmt.»

Wie kam es zu dieser Ausstellung? Der Direktor der photo basel sagt: «Nachdem die photo basel wegen Corona abgesagt wurde, wollten wir wieder eine hautnahe Begegnung mit der Fotokunst ermöglichen und folgten einer Einladung der Positions Berlin Art Fair.» Das Team habe dieses Momentum sofort ausnützen wollen, um diese Ausstellungen durchführen. Das Team habe auch bezüglich des Timing ein gutes Gefühl gehabt. Wer weiss, so Eisenhut, wann Messen wegen steigenden Corona-Zahlen wieder abgesagt werden müssen.

 

Josef Wolfgang Mayer: Mauersegmente und Wachtürme, fotografiert 1990

Dass die Leute fast zwei Stunden warten mussten, um an die Messe zu kommen, das sei «absoluter Rekord». Es zeige jedoch, «dass die Kunst eine wichtige Daseinsberechtigung hat und dass die Leute sie sehen wollen». Natürlich gehe es, so Eisenhut, bei einer Messe um Verkäufe. In diesem Jahr aber gehe es auch um ganz andere Dinge: «Es geht auch darum, das Statement zu setzen: Wir sind hier, wir machen weiter!»

Impression vom photo basel-Stand mit Werken von Rabin Huissen

 

Hochkarätige Fotokunst

Die Galerien zeigen auf der photo basel / berlin im Rahmen eines einheitlichen Konzeptes auf zehn Meter Wandfläche (25 qm) jeweils eine dialogische Präsentation von zwei Künstlern. Geht man mit Sven Eisenhut durch die Ausstellungen, bleibt er vor vielen Werken länger stehen.

Eine Auswahl: Da sind die grossen Prints von Rabin Huissen, vertreten durch die Chrysalid Gallery aus Rotterdam; da sind die Bilder von Josef Wolfgang Mayer aus dem Jahr 1990, die Mauersegmenten und Wachtürmen zeigen. Vertreten wird er durch die Berliner Galerie Koschmieder. Zerschlagene Knie zeigt die Aufnahme von Sascha Weidner von der Berliner Galerie Dorothee Nilsson. Auch Roger Ballen ist da. Er zeigt Fotos von Menschen, die seltsame Masken tragen. Die Galerie STP-Greifswald wiederum zeigt  die farblich intensiven Bilder von Kirk Sora. Der Aussenbereich des Hangar 4 wird während der Messe zudem zu einem Skulpturen-Park unter dem Titel «Outdoor Positions».

 

Schweizer Galerien

Auch Schweizer Galerien sind stark vertreten. Die Gowen Contemporary zeigt unter anderem Werke von Marta Zgierska, die an Hautlappen erinnern. Die Galerie 94 aus Baden sticht mit Werken wie den kunstvoll inszenierten Bildern von Vogelhäusern von Patrick Fuchs, einem farbintensiven Bild von Zak van Biljon oder ein von der starken Sonne ausgebleichtem Motiv von Sandro Livio Straube hervor. Fabian & Claude Walter Galerie Zürich zeigt eine Fotoserie der Fotografin Luzia Simons.

Die Galerie 94 aus Baden präsentiert Werke von Patrick Fuchs und Sandro Livio Straube.

Die ausstellenden Fotokünstler sind jung: Die photo basel widmet sich seit 2015 fotobasierter Kunst von jungen Künstlern. Die photo basel versteht sich als Vermittlerin zwischen Kunstsammlern, Kuratoren, Galeristen und Künstlern. «Seit der Lancierung vor fünf Jahren sind wir an Grösse und Qualität stetig gewachsen», sagt Sven Eisenhut.

 

Raum und Zeit

Neben der durchwegs ausgezeichneten Qualität der Fotografien und unkonventionellen Präsentationsarten fallen beim Gang durch die Ausstellung auch die verschiedenen fotografischen Techniken ins Auge. Das zeigen etwa die Arbeiten von Heléne Lacharmoise, präsentiert von der Galerie Dix 9, die ihre Fotos von verwitterten Hausfassaden auf Stoff printet.

Ein beeindruckendes Beispiel sind auch die fotografischen Werke von Douglas Mandry, präsentiert von der Bildhalle Zürich. Ein welscher Fotograf, der die riesigen Tücher, die für eine Saison über einen sterbenden Gletscher gelegt werden, abräumt, zerschneidet und seine Lithographien darauf druckt.  Mirjam Cavegn von der Bildhalle Zürich weiss: «Er findet seine Motive von Landschaften, die es alle in dieser Form heute nicht mehr gibt, in Archiven, Nachlässen und auf Flohmärkten». Die stark farbigen Bilder in Acrylkästen daneben sind ebenso speziell. Mit seiner Camera obscura fährt Douglas Mandry zu sterbenden Gletscher. Mirjam Cavegn erkärt: «Er nimmt das Eis und legt es auf Kodak-Papier unter die Lochkamera und macht ein Fotogramm.»

Edward Burtynsky mit «Natural Order» präsentiert von der Galerie Springer, Berlin

 

Dauergast in Berlin

Der Ausstellungsort, die hohen Hallen im ehemaligen Flughafen Tempelhof, beeindruckt Sven Eisenhut. Er kennt ihn schon von mehreren Messebesuchen. «Ein unglaubliches Gebäude, sehr geschichtsträchtig», sagt er. Auch der Empfang hier passte: «Als wir angeliefert haben, kamen wir über das Rollfeld. Das Berliner Team hat uns dabei mit einem grossen Foto-Basel-Banner überrascht.»

Sven Eisenhut betont: «Ich empfinde es als Privileg, als photo basel hier in Berlin sein zu können.» Er und sein Team können es sich gut vorstellen, künftig nicht nur in Basel, sondern auch im Herbst regelmässig als photo basel in der deutschen Hauptstadt auszustellen.

Text und Bilder: Vera Rüttimann

Photo Basel in Berlin

Die photo basel/berlin ist noch bis Sonntagabend 13. September 2020 mit Ausstellungen im Hangar 3 und 4 des Flughafen Tempelhof in Berlin zu Gast. Sie folgt damit einer Einladung der «Positions» Berlin Art Fair, die in diesem Jahr erstmals zeitgleich mit der «paper positions berlin» eröffnet. Die Messen sind offizieller Teil der «BerlinArt Week», welche zeitgleich mit dem «Berlin Gallery Weekend 2020» und der Berliner Biennale stattfindet.
Weitere Informationen finden Sie auf www.photobasel.ch  

Diese Galerien werden auf der «Positions» von photo basel präsentiert:
Galerie & C0119, Paris / Artco Galerie, Aachen, Berlin, Cape Town / Bildhalle, Zürich, Amsterdam / Baudoin Lebon Gallery, Paris / Blow Up Press, Warsaw / Chrysalid Gallery, Rotterdam / Dix9 – Héléne Lacharmoise, Paris / Dorothée Nilsson Gallery, Berlin / Fabian & Claude Walter Galerie, Zürich / Galerie 94, Baden / Gowen Contemporary, Geneva / Galerija Fotografija, Ljubjana / ISSP Gallery, Riga / Katharina Maria Raab, Berlin / Galerie Koschmieder, Berlin / Migrant Birdspace, Berlin / Mironova Gallery, Kyiv / Galerie-Peter-Sillem, Frankfurt / Photon Galerija, Ljubljana, Vienna / Per van der Horst Gallery, Taipei

 

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