Vera Rüttimann, 9. November 2020, 10:25 Uhr

Nachlese: «Helmut Newton. One Hundered» Openair in Berlin

Zum 100. Geburtstag des Fotografen Helmut Newton am 31. Oktober waren auf der Köpenicker Straße in Berlin auf einer 85 Meter langen Wand Fotos bis gestern, Sonntag 8. November 2020, ausgestellt. Unter dem Titel «Helmut Newton. One Hundered» verschmolzen für einige Tage eine 85 Meter langen Fotowand und die Gäste zu einem temporären Kunstwerk.

«I am not an Artist, I am a Photographer», «Die Achselhöhle is very interesting» und: «I am a Manipulator». Diese Zitate von Helmut Newton prangten gross auf Plakaten. Dazu rund 30 Motive aus all seinen Schaffensperioden. Einige der hier gezeigten Bilder machten Newton Anfang der 1980er-Jahre auch über die Modewelt hinaus berühmt.
Sex, Macht, Verführung – bis heute provozieren Helmut Newtons Darstellungen von Frauen. Sie lassen keinen kalt. Die Me Too-Debatte und der damit verbundene gesellschaftliche Diskurs über die Rolle der Frau heute hinterliess auf den Plakaten jedenfalls eindeutig seine Spuren. «Frauen sind nicht dein Kunstwerk» und «Sexismus ist keine Kunst» hat ein Unbekannter über die Schwarzweiss-Aufnahmen gesprayt. Helmut Newton, dem hintersinnige Provokateur, hätte das bestimmt gefallen.

 

Wie Filmstills

Die Berliner fuhren teilweise lange Wege, um diese grosse Outdoor-Ausstellung auf der 85m langen Wand am Kraftwerk in Berlin-Kreuzberg an der Köpenicker Straße 70 zu sehen. In einer solchen Präsentationsform war Helmut Newtons Werk noch nie in Berlin zu sehen. Die Bilder des Fotografen, der für nahezu alle namhaften Magazine und Modelabels weltweit arbeitete, üben bis heute durch ihre Mehrdeutigkeit und ihre visuelle Ausstrahlung eine starke Faszination aus. Manche erinnern, wie das Motiv der von einem Flugzeug fliehenden Frau, an Filmstills.

Ein besonders beliebtes Motiv, vor dem sich die Berliner fotografieren liessen, war das Porträt von David Bowie in seiner ganzen Androgynität. Eine Reminiszenz an einen Künstler, der in dieser Stadt durch seine Alten «Low», «Lodger» und «Hereos» seine Spuren hinterliess.
Ein ganz anderes Bild zeigt eine alte Dame samt Cognac-Glas an einem Tisch. Es trägt den Titel «Princess of the Night».

 

Verbundenheit zu Berlin

Berlin und Helmut Newton sind untrennbar verbunden. Der aus einer jüdischen Familie stammende Newton musste 1938 vor den Nazis aus dieser Stadt fliehen. Später nahm er die australische Staatsbürgerschaft an, lebte in Paris, Monaco und Los Angeles. Zeitlebens aber blieb der Starfotograf Berlin verbunden. 2003 vermachte er der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sein Lebenswerk. Im Herbst 2003 wurde seine Stiftung in Berlin Charlottenburg gegründet und im Sommer 2004 eröffnet.
Helmut Newton Werk wird, wie jetzt diese Openair-Fotoausstellung zeigt, von immer neuen fotobegeisterten Leuten entdeckt und gedeutet.

 

Tipp: Helmut Newton-Ausstellung vom 4. Juni 2021 bis 23. Januar 2022
Die Retrospektive «Helmut Newton. One Hundred» konnte aufgrund der Corona-Krise nicht wie geplant an Newtons 100. Geburtstag am 31. Oktober 2020 in Berlin im Museum für Fotografie eröffnet werden. Sie wird erst ab 3. Juni 2021 gezeigt, begleitet von einer umfangreichen neuen Monografie.

 

 

3 Kommentare zu “Nachlese: «Helmut Newton. One Hundered» Openair in Berlin”

  1. Guter Artikel, der nicht gleich wieder zur Polarisierung verleitet. Dennoch sollte man, gerade in Zeiten dieses neuen und teilweise sehr exotische Früchte tragenden Ikonoklasmus die öffentliche Anerkennung eines Fotografen zulassen, der sehr viel für die Fotografie, deren Bildsprache und vor allem für Bild- und in seinem Fall gleichermaßen Selbstironie getan hat. Auch wenn viele Arbeiten Newtons tatsächlich sexistisch sind oder scheinen, habe ich nach wie vor großen Respekt vor im und seiner Arbeit und bin ihm dankbar für seine Inspiration für meine eigene Arbeit. Gerade seine Arbeiten müssen tatsächlich immer im Kontext ihrer Entstehungszeit, der geschichtlich vorangegangen und ebenso der nachfolgenden Bildsprache betrachtet werden.

  2. Hey, danke für den tollen Artikel. Um Helmut Newton noch besser zu verstehen: Aus welchem Grund hätte ihm dieser Protest gefallen? Er war bekennender Feminist, er kann doch also gar nicht sexistisch gewesen sein??
    Freu mich über eure Antworten 😉

    1. Sehr geehrter Herr Graufuchser,

      Danke für Ihren Kommentar. Natürlich ist Helmut Newton KEIN Sexist. Ich meinte mit
      dieser Textpassage: Er hätte sich gefreut über diese Kommentare, weil er mit seinen Werken zum Nachdenken anregen wollte. Er hat, – ich habe ihn selbst noch getroffen-, die Auseinandersetzung mit seinen Bildern geliebt. Auch die Kritische. Deswegen glaube ich, hätte ihm diese Präsentation seiner Fotos im öffentlichen Raum wohl gefallen.

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