Peter Schäublin, 17. Januar 2021, 10:00 Uhr

Leica Q2 Monochrom – auch zum Filmen

«Ich hatte Gelegenheit, für einige Tage die neue Leica Q2 Monochrom zu testen. Die kompakte Kamera hat eine 28-mm-Fixbrennweite, und der Sensor kann nur schwarzweiss sehen und aufnehmen. Eigentlich schränkt das ziemlich ein. Und mit einem Verkaufspreis von rund 6000 Franken ist sie definitiv kein Schnäppchen. Trotzdem entstand in den Wochen seit ihrer Lancierung eine Art Hype. Warum ist das so? Der Versuch einer Erklärung.

 

Qualität und Haptik

Wie das Meiste von Leica ist auch die Q2M sehr durchdacht. Es ist nichts zu viel und nichts zu wenig dran. Die Menüführung ist logisch, und die drei wichtigsten Parameter – Blende, Verschlusszeit und ISO – lassen sich ohne Umwege übers Menü einstellen: Die Blende am Objektiv, für die Verschlusszeit hat die Kamera auf der Oberseite ein Wählrad, und die ISO-Einstellung lässt sich auf den programmierbaren Fn-Knopf setzen. Der Weissabgleich fällt weg. Wenn die Kamera noch zwei frei programmierbare Buttons mehr hätte, könnte man beispielsweise die Autofokus-Einstellung und die Belichtungsmessung etwas schneller als über das Menü verstellen.

Reduziert auf das Wesentliche – die Leica Q2 Monochrom. Sogar der rote Leicapunkt wurde geopfert, um das Design so schlicht wie möglich zu machen. (Foto: Leica)

Die verwendeten Materialien für die Kamera und das ganze Kameradesign sind Spitze. Es macht einfach Spass, die Q2 Monochrom in die Hand zu nehmen und mit ihr zu fotografieren. Das Summilux 1.7/28 mm ASPH ist ein hervorragendes Objektiv – notabene mit einer Einstellgrenze von 17 cm – und im Inneren des kleinen Gehäuses schlummert ein 47 Mpx Vollformat Sensor, der eben nur hell und dunkel, weiss und schwarz – und natürlich alle Grauabstufungen dazwischen –, aufnehmen kann. Das bringt durchaus ein Plus an Qualität, doch dazu später mehr.

 

Zurück zur Einfachheit

Obwohl wir in unserer Gesellschaft immer mehr elektronische Helfer haben, wird das Leben – zumindest empfinde ich das so – immer komplexer. Das befeuert die Sehnsucht nach einfachen Dingen. Ich bin überzeugt, dass gerade deshalb viele die Einschränkungen dieser Kamera – keine Wechselobjektive, keine Farbe – als befreiend empfinden. Das mag im ersten Augenblick paradox klingen, doch macht es bei etwas vertieftem Nachdenken durchaus Sinn. Zudem sind Einschränkungen durch den Wegfall von Wahlmöglichkeiten in der Fotografie immer eine kreative Herausforderung. Eine Kamera ohne Farbe und ohne Wechselobjektive ist da sozusagen die ultimative Challenge. Der kreative Prozess innerhalb dieser eingeschränkten Möglichkeiten fordert heraus. Dadurch entstehen Bilder, die man vielleicht sonst übersehen würde. Und der Schwarzweiss-Sensor zwingt einen, nur noch in Licht, Schatten und Strukturen zu denken. Auch das hat einen grossen Reiz.

Auch alle Beschriftungen an Kamera und Objektiv wurden konsequent nur in Graustufen ausgelegt. Das Objektiv hat eine Makroeinstellung. Wenn man sie durch Drehen aktiviert, liegt die Naheinstellgrenze bei 17cm, was den Einsatzbereich der Kamera beträchtlich erweitert (Foto: Leica).

 

Erste Gehversuche

Faszinierend ist, dass sowohl der hintere Screen wie auch der Sucher – ein sehr schöner OLED-Sucher mit 3.68 Mpx – das Bild gleich in Schwarzweiss zeigen. Man kann gar nicht mehr anders, als nur noch in Licht und Schatten zu denken. Von anderen Personen, die die Kamera bereits vor mir getestet haben, weiss ich, dass der Schwarzweiss-Sensor im Vergleich zu einem Farbsensor besonders in den höheren ISO-Zahlen weniger rauscht, beim Aufhellen von Schattenpartien weniger zum Rauschen neigt und dass er schärfer wirkende Bilder erzeugt. So drehe ich munter am ISO-Rad bis in teilweise schwindelerregende Höhen.

 

Stimmungsvolle Schwarzweiss-Fotografie mit der Leica Q2 Monochrom. 1600 ISO, 1/30 Sek., f 2.0

Es ist so gut wie kein Bildrauschen erkennbar. In der Nachbearbeitung fällt mir auf, dass die Bilder vom Schwarzweiss-Sensor tatsächlich alle schärfer sind wie die Dateien eines Farbsensors. Ich ziehe in Lightroom normalerweise den Klarheit-Regler gerne hoch. Bei den Bildern der Q2M mache ich das nie in dem Mass wie bei Farbfiles. Und wenn man den Klarheit-Regler dann doch mal ganz nach oben zieht, resultiert ein ungemein akzentuiertes Bild.

 

 

Vollmond im Prättigau. Die Kamera wird zum Restlichtverstärker. Mit der Q2M ist auch dieser ISO-Wert in der Reportagefotografie keine theoretische Grösse, sondern wirklich in der Praxis einsetzbar. Das Bildrauschen wirkt für mich zudem einem Filmkorn ähnlich und ist deshalb nicht störend. Unbearbeitet, 1/30 Sek., f 1.7, 12500 ISO

Vergleicht man die Files der «normalen» Leica Q2 mit denjenigen der Leica Q2 Monochrom, so fällt auf, dass das RAW-File der Leica Q2 Monochrom etwas toniger und kontrastärmer wirkt als das Bild aus der Q2. Das scheint ein weiterer Nebeneffekt des Monochrom-Sensors zu sein. In der Praxis ist dieser Umstand meines Erachtens jedoch nicht relevant, weil man die Bilder in der Postproduktion je nach Geschmack kontrastärmer oder -reicher ausarbeiten kann.

 

Eine Kurzgeschichte – in Schwarzweiss erzählt

Die Frage, die sich jeder, der mit einer der beiden Q2 liebäugelt, selbst stellen muss, ist: Brauche ich die Farbe oder kann ich zugunsten eines geringeren Bildrauschens darauf verzichten? Je höher der ISO-Wert ist, mit dem Sie fotografieren, desto grösser wird der Unterschied im Bildrauschen.

 

Wie im analogen Fotozeitalter mit der Leica Q2 Monochrom starke Farbfilter verwenden, um die Tonwertwiedergabe der Farben zu verändern, zum Beispiel wird der blaue Himmel mit einem Rotfilter dunkler, das Bild kontrastreicher. Grundregel: Farbfilter geben ihre Eigenfarbe heller und die Komplementärfarbe dunkler wieder.

 

Panorama, in Lightroom erzeugt. Das Original hat 150 Megapixel. 1/125 Sek., f 10, 200 ISO, Rotfilter.

 

Filmen mit der Leica Q2 Monochrom

Weil das Fotografieren mit der Kamera so viel Spass macht, bin ich nochmals losgezogen in die Berge – in Begleitung von Ursulas Nichte Angi und einen Song von Rio Glacier im Gepäck. Beim Anhören der Songs von Rio Glacier alias Van Vogt taten sich gleich Bilderwelten vor meinem inneren Auge auf: starke Schwarzweissbilder in den Bergen. Weil Angi gerade zusammen mit einem ehemaligen Schulkollegen «Restless Crew» als Label für nachhaltige Kleider gegründet hat, sollen ihre Kleiderstücke im Clip auch eine Rolle spielen – ein sehr sinnvolles Product Placement.

Die Storyline hat sich aus all den «Zutaten» fast von selbst ergeben: Junge Frau bricht aus der Zivilisation auf, um Zeit in der Einsamkeit zu verbringen. In dieser Einsamkeit entdeckt sie ihre Lebensfreude wieder und schläft am Abend mit einem Lächeln auf dem Gesicht ein. Viele Szenen, die am frühen Morgen und am Abend spielen sind wie gemacht sind für die Leiva Q2 Monochrom.

Die Q2 Monochrom kann in C4K (4096 x 2160 px) mit 24 Bildern pro Sekunde aufnehmen. In diesem Format habe ich gefilmt. Die Slow Motion Szenen sind in HD mit 120 fps gedreht. Den leichten Schärfeverlust im Vergleich zu C4K muss man in Kauf nehmen. Viele Kameras sind ja (noch) nicht in der Lage, höhere Bildraten in 4K zu erfassen. Da der Sensor lediglich einfarbig aufnimmt, empfinde ich die Farbtiefe von 8 Bit (4.2.0) als absolut genügend. 

Um die Flexibiliät der kleinen Kamera zu nutzen, habe ich auf sperriges Zubehör wie Dreibeinstativ und externer Monitor verzichtet. Die Szenen sind ab Einbeinstativ oder aus der Hand gefilmt. Der interne Bildstabilisator funktioniert meines Erachtens sehr gut, und auch die Filmclips weisen in den hohen ISO-Zahlen, im Gegensatz zu Kameras mit Farbsensoren, ein wesentlich geringeres Bildrauschen auf.

Screenshot aus dem Film: 6400 ISO sind problemlos möglich. Ich habe die Clips aus der Kamera noch etwas kontrastreicher gemacht und eine leichte Vignette hinzugefügt.

 

Bei 25’600 ISO ist dann langsam Schluss: Die letzte Szene im Film haben wir im Licht von drei Kerzen gedreht.

 

Zum Making-of: Um den Vorteil der kleinen Kamera zu nutzen, habe ich mit «leichtem» Equipment gearbeitet – ein Einbeinstativ und sonst nichts. Ich habe beim Filmen nur vorhandenes Licht verwendet und bei den letzten Szenen im Film mit drei Kerzen aufgehellt. (Fotos: Ursula Schäublin)

 

Mein Fazit

Die Leica Q2 Monochrom ist eine tolle Kamera. Mit ihrer Limitation auf Schwarzweiss und auf die 28 mm Brennweite ist sie logischerweise kein Allroundgerät. Leica hat das so auch nicht vorgesehen, sondern möchte mit der Kamera dem Schwarzweiss-Enthusiasten ein kompaktes, hoch leistungsfähiges Werkzeug zur Verfügung stellen. Und diesen Approach erfüllt die Q2M voll und ganz. Über den Preis kann man gar nicht diskutieren, denn niemand ausser Leica hat die Courage, ein solches Produkt zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

Und die Q2 Monochrom ist ja nicht die einzige Schwarzweiss-Kamera: In der M-Serie bietet Leica auch bereits Modelle mit dem Monochrom-Sensor an – die M Monochrom und die M10 Monochrom. Diese Modelle bieten die Möglichkeit von Wechselobjektiven, dafür gibt es keinen Autofokus.

Wollte man Wechselobjektive und Autofokus, dann müsste man darauf spekulieren, dass die SL-Serie ebenfalls eine Monochrom-Ausgabe spendiert bekommt. Für mich wäre das die ultimative Lösung, denn so hätte ich – wie der Schweizer so schön sagt – «den Fünfer und das Weggli»: eine Kamera mit dem grossartigen Schwarzweiss-Sensor und der Möglichkeit, all die tollen SL-Objektive daran zu nutzen …»

Die vier Stars: Peter, Ursula, Angi – und natürlich die Leica Q2 Monochrom

Text und Bilder (sofern nicht anders vermerkt)
Peter Schäublin Photography, Schaffhausen

Lesen Sie den vollumfänglichen Artikel von Peter Schäublin auf seinem Blog in Folge 1 und Folge 2.

Weitere Informationen zu …

Peter Schäublin: peterschaeublin.com
Angis Modelabel: restlesscrew.com
Rio Glaciers Musik: rioglacier.com
Infos zur Leica Q2 Monochrom: leica-camera.ch
Neuvorstellung der Leica Q2 Monochrom auf Fotointern.ch

 

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