Urs Tillmanns, 20. Februar 2021, 11:00 Uhr

Buchtipp: «Pia Zanetti. Fotografin»

Eigentlich hätte am 23. Januar 2021 in der Fotostiftung Winterthur die Retrospektive zu fotografischen Schaffen von Pia Zanetti eröffnet werden sollen, doch wegen Corona hängt die Ausstellung noch immer – ohne Besucher. Voraussichtlich anfangs März darf die Fotostiftung – wie auch die anderen Museen – ihren Betrieb wieder aufnehmen. Bis dahin ist der Bildband Ersatz, der zur Ausstellung im Verlag Scheidegger & Spiess erschienen ist.

Pia Zanetti hat es als Fotojournalistin nicht einfach gehabt. Nicht nur, dass sie als Frau damals keine Lehrstelle als Fotografin finden konnte und dann schliesslich die Ausbildung bei ihrem älteren Bruder machen musste, sondern sie hat sich auch danach immer in der Männerdomäne von Fotoreportern «durchzuboxen» müssen, wie sie in der SRF-Sendung Kulturplatz vom 20. Januar 2021 erzählte. Zusammen mit ihrem Mann, dem Journalisten Gerardo Zanetti, hat sie für viele international renommierte Zeitschriften arbeiten können, was ihr für viele weitere Projekte die Türen öffnete. Pia Zanetti musste als Fotografin immer wieder aufs Neue Leistungsbeweise erbringen, was ihr mit ihrem emotionalen Bildstil je länger je mehr gelang. Mehrere Bildserien von Prominenz haben zu ihrer Bekanntheit beigetragen, zum Beispiel Bilder des Filmregisseurs Federico Fellini, des Schauspielers Fernandel, der Modedesignerin Vivienne Westwood, der Filmschauspielerin Bette David oder die einmalige Sequenz, welche Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt an einem Tisch zeigen, die sich über ein neuerschienenes Buch lustig machen.

Pia Zanetti lebte in Rom und London, reiste zwanzigjährig nach New York, um das dortige Strassenleben und vor allem die Rollen der Frauen in Farbe zu fotografieren, sie zieht weiter in diverse Krisenregionen, wie Nicaragua, Südafrika, Kenia, den Sudan, Usbekistan, Laos oder Vietnam und dokumentiert dort vor allem die Lebenssituation der Menschen. Menschen sind immer das zentrale Motiv in Zanettis Bildern – Menschen, die ihre Geschichte erzählen, voller Emotionen, in glücklichen ebenso wie in schweren, ja ausweglosen Situationen.

Das Buch ist eine hervorragende Retrospektive zu Pia Zanettis Werk und dokumentiert das breite Schaffensspektrum einer aussergewöhnlichen Fotografin von 1960 bis rund zur Jahrtausendwende. Ihrem Stil ist sie in dieser Zeit immer treu geblieben, hat Menschen in ihrem Umfeld dokumentiert und porträtiert mit ausdrucksstarken Bildern, die aufdecken, anklagen und uns emotional berühren. Bereichert wird das Buch mit den beiden lesenswerten Texten von Peter Pfrunder «La condition humaine» und Nadine Olonetzky «Mit der Kamera die Welt befragen». Beide enthüllen viel Wissenswertes über das Leben und Schaffen dieser aussergewöhnlichen Fotografin, wie sie sich in ihren Anfangsjahren im Fotografenberuf bewähren musste und wie sie schliesslich Aufträge von den grössten Zeitschriftentitel bekam, wie Stern, Paris Match, Repubblica, NZZ Wochenende oder die Kulturzeitschrift du.

Das Buch zeigt eine ununterbrochene Bilderreihe zwischen den Texten von Peter Pfrunder und Nadine Olonetzky. Allerdings: Kurze Zwischentexte zu den einzelnen Epochen in der an sich chronologisch aufgebauten Bildabfolge hätten dem Buch eine klarere Struktur gegeben. Im Anhang finden sich Reproduktionen der wichtigsten Publikationen, sowie eine Übersicht aller Bilder mit ausführlicheren Bildlegenden.

Für wen ist dieses Buch? Es ist ein prachtvoller Bildband, der sich an Fotografie-Liebhaber richtet und der als Katalog zu einer grossartigen Ausstellung dient und danach als bleibende Erinnerung das eindrucksvolle Schaffen von Pia Zanetti dokumentiert. Nicht zuletzt ist es auch ein wichtiges Bilddokument von vier Jahrzehnten bewegten Zeitgeschehens.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

«Pia Zanetti. Fotografin» gibt mit einem umfangreichen Bildteil Einblick in das langjährige Schaffen der Fotojournalistin Pia Zanetti (*1943 in Basel). Ihr Interesse galt immer den Menschen, die sie auf der Strasse, bei der Arbeit oder in der Freizeit aufnahm – einfühlsam, kritisch und präzis ist ihr fotografischer Blick. Aus Pia Zanettis Archiv sind jene Aufnahmen ans Licht geholt, die mehr als Dokumente sind: einprägsame Bilder, in denen sie Ereignisse und Begegnungen mit Menschen ein Stück Poesie abgerungen hat.

 

Aus dem Inhalt

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Autoren

Nadine Olonetzky, 1962 in Zürich geboren, studierte an den Schulen für Gestaltung Basel und Zürich. Nach einem Volontariat auf der Redaktion der Kulturzeitschrift du folgten Assistenzen an der Kunsthalle Wien und am Fotomuseum Winterthur. Sie war mehrere Jahre in der Kulturstiftung des Kantons Thurgau für Projekte der bildenden Kunst zuständig und Redaktorin des Kunst-Inserts der Literaturzeitschrift entwürfe. Olonetzky ist Autorin, Herausgeberin und schreibt u.a. für die NZZ am Sonntag zu Themen aus Fotografie, Kunst und Kulturgeschichte. Sie ist Mitglied von «kontrast» und seit 2008 Projektleiterin/Lektorin im Verlag Scheidegger & Spiess. (Quelle: Kommode-Verlag)

Peter Pfrunder, Publizist, geboren 1959 in Singapur, aufgewachsen in der Schweiz. Studierte Germanistik, Europäische Volksliteratur und englische Literatur in Zürich, Montpellier und Berlin. 1995 bis 1998 Co-Leiter des Forums der Schweizer Geschichte / Schweizerisches Landesmuseum, Schwyz. Seit 1998 Direktor und Kurator der Fotostiftung Schweiz in Winterthur. Lebt in Zug. Zahlreiche Veröffentlichungen und Ausstellungen zur Schweizer Fotografie, u. a. «Theo Frey, Fotografien», «Gotthard Schuh – Eine Art Verliebtheit», «Schweizer Fotobücher 1927 bis heute – Eine andere Geschichte der Fotografie». Zuletzt im Limmat Verlag erschienen: «Schöner wär’s daheim. Fotopostkarten 1914/18 aus der Schweiz». (Quelle: Limmat-Verlag)

 

Bibliografie

Pia Zanetti. Fotografin
Die Welt mit der Kamera befragen: Das Lebenswerk der Fotojournalistin Pia Zanetti

196 Seiten, 153 farbige und 200 sw Abbildungen
Klappenbroschur, Format 24 x 34 cm
1. Auflage, 2021
Herausgegeben von Peter Pfrunder und Jürg Trösch.
Mit Beiträgen von Nadine Olonetzky und Peter Pfrunder
Verlag Scheidegger & Spiess. Zürich
In Zusammenarbeit mit der Fotostiftung Schweiz und Codax Publisher
ISBN 978-3-03942-008-7
Preis: CHF 49.00 | EUR 48.00

Das Buch kann im Buchhandel gekauft, beim Verlag bestellt oder im Ausland hier geordert werden.

 

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