Marmorerasee (2014), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Erinnerung an damals: Natürlich, zu meiner Jugendzeit gab es nur die analoge Fotografie. Fast jeder hatte eine Kleinbildkamera, schoss die 36 Bilder, sandte die Filmpatrone in einer Foto-Auftragstasche an ein Labor seiner Wahl ein und erhielt nach kurzer Zeit per Post die Fotos zurück, nebst einiger Negativstreifen, denen die meisten keinerlei Beachtung schenkten. Dazu erhielt man eine neue Auftragstasche damit man den nächsten Film portofrei möglichst wieder an das gleiche Labor senden konnte. Das Geschäft der Grosslabore lief wie geschmiert.
Tinzenhorn mit Piz Mitgel, (2015), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Digital: Dann kam die Zeit, wo sich fast jeder eine Digitalkamera leisten konnte und die Bilder mit dem eigenen PC selbst ausdrucken konnte. Die Vorteile lagen auf der Hand: Schnell, farbig, unabhängig. Das Internet war noch nicht sehr verbreitet, aber es gab spezielle Drucker und Automaten um die digitalen Bilder aufs Papier zu bringen.
Pizzo Cengalo und Pizzo Badile, (2015), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Das Ende? Für mich war die analoge Fotografie (vorläufig) kein Thema mehr …
Versamer Tobel, (2016), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Der Neuanfang: 2010. Mit zwei Freunden bereitete ich eine Expedition im Himalaya vor, wir wollten den etwas über 7000 Meter hohen «Baruntse» besteigen. Es wurde mir empfohlen, zusätzlich eine rein mechanische Fotokamera mitzunehmen, da die digitalen Kameras bei den zu erwartenden tiefen Temperaturen aussetzen könnten. Also legte ich mir eine analoge Mittelformatkamera zu, die ich bei unserer Expedition zwar nur wenig einsetzte, aber die wenigen Aufnahmen hatten mich überzeugt und wieder auf den Geschmack der analogen Fotografie gebracht.
Bergseeli am Splügenpass,(2016), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Der Drang nach mehr: Nach mehreren weiteren Mittelformatkameras suchte ich nach noch mehr Qualität. Ich bestellte in China eine neue, mehrheitlich aus Holz fabrizierte 4×5-Zoll (10 x 12,5 cm) Fachkamera der Marke «Chamonix». Eine wunderbare Kamera, der bald eine weitere im Format 5×7-Zoll (13 x 18 cm) der gleichen Marke folgte. Damit war ich endgültig auf den Geschmack des analogen Grossformats gekommen.
Pizzo Badile, (2020), Chamonix 4×5″ Kamera, Kodak T-Max 100
Do-it-Yourself: Die Filme wurden zu Beginn zum Entwickeln in ein Fachlabor geschickt und anschliessend selbst gescannt. Doch die Fachlabore wurden leider immer rarer und deren Dienstleistungen immer teurer. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mir ein kleines Labor zuzulegen und die Planfilme selbst zu entwickeln. Dazu gesellte sich ein jahrzehntealter 13×18 cm Vergrösserer der Marke Foba, offenbar einer der ersten Kaltlicht-Vergrösserer ihrer Zeit.
Unterer Surettasee mit Teurihorn, (2017), Chamonix 5×7″ Kamera, Kodak T-Max 400
Noch grösser, 10×10-Zoll: Vor wenigen Jahren suchte ich orthochromatischen Film um Kontrastmasken herzustellen und fand abgelaufene Agfa 10×10-Zoll Filme bei einem Verkäufer aus Georgien. Die Qualität des Films war recht gut. Ursprünglich wurden damit Kopien von Flugaufnahmen gemacht. Da ich es schade fand, dieses gute Filmmaterial nur für Masken zu verschneiden, suchte ich nach einer 10×10-Zoll Kamera und stiess in Ungarn auf eine «Argentum». Dann kaufte ich den gesamten Restbestand des 10×10-Zoll Agfa-Films in Georgien, der jetzt auf Eis liegt.
Kloster Einsiedeln, (2018), Argentum 10×10″-Kamera, Agfa Avitone P3p
Darf es noch etwas mehr sein? Ein gut gemachter Kontaktabzug eines 10×10-Zoll-Negativs ist schon recht beeindruckend, insbesondere, wenn man das quadratische Format mag. Aber könnte nicht auch eine 11×14 Kamera mit dem Negativformat 28 x 36 cm in meinen Rucksack passen? Gedacht, getan. Die «Argentum»-11×14-Kamera, welche ich ebenfalls bei István Soltész in Ungarn fertigen liess, wiegt weniger als fünf Kilogramm und ist damit noch recht «berggängig». Die Resultate sind atemberaubend. In Zukunft wird es darum gehen, die Grenzen etwas auszuloten. Zurzeit habe ich 11×14-Zoll Farbnegativfilme belichtet, und ich werde versuchen, davon Farbkontaktabzüge anzufertigen.
Gigerwald Stausee, (2018), Argentum 10×10″-Kamera, Agfa Avitone P3p
Warum Analog? Es gibt viele Gründe, nicht analog zu fotografieren. Trotzdem bleibt die analoge Fotografie für mich ein grossartiges kreatives Erlebnis. Man fotografiert ruhiger und bewusster. Man muss die grossen Formate lieben, die Schwierigkeiten, das Umständliche, die Überwindung und manchmal auch den Ärger. Es braucht viel Zeit, aber wenn eine Arbeit gelingt, ist das Ergebnis ebenso grossartig wie befriedigend.
Landwasser Viadukt, (2018), Argentum 11×14″-Kamera, Ilford HP5 Plus
Die Kamera- und Motivwahl: Meistens fotografiere ich Berglandschaften. Oft suche ich mit Hilfe von Google Earth eine geeignete Perspektive und Position im Gelände. Je nachdem wie abgelegen oder wie schwierig diese Position zu erreichen ist, entscheide ich mich, welche Kamera ich mitnehme, in der Tendenz die grösstmögliche. Die zu erwartenden Windverhältnisse werden bei der Entscheidung natürlich auch berücksichtigt, weil starker Wind zu Verwacklungsunschärfe führen kann. Meistens nehme ich ein bis drei Objektive mit, denn die Szene und den Blickwinkel habe ich zuvor ja bereits geklärt. Dann mache ich mich auf zum ausgesuchten Ort im Gelände. Mit der 11×14 Zoll Kamera kann ich nur eine Filmkassette mitnehmen, das gibt dann zwei Aufnahmen. Aber es wird einem nicht alles geschenkt: Es kommt schon vor, dass ich mehrmals an den gleichen Ort steigen muss, bis die Wetter- und vor allem Lichtverhältnisse ideal für die geplante Aufnahme sind.
Text und Bilder: Marc Deragisch
Die nächste Ausstellung
Vom 6. bis 28. März 2021 zeigt Marc Deragisch zusammen mit Arno Balzarini die Ausstellung «Monochrom – Bilder im Grossformat» in der Galaria Burgaisa (Kulturzentrum Sentupada) am Plaz 2 in Domat/Ems.
Weitere Bilder von Marc Deragisch finden Sie auf seiner Website www.marcderagisch.ch/
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Es ist immer wieder beeindruckend, welche Tiefe die Bilder von Marc Deragisch aufweisen. Ich durfte für ihn ein Bild auf dem Trommelscanner digitalisieren. Die Auflösung des 10 x 10 Inch Negativs war gigantisch. Ich bewundere die Arbeiten von Marc. Seine Akribie mit der er ans Werk geht ist phänomenal. Und endlich dürfen wir wieder ins Museum. Das werde ich mir nicht entgehen lassen.