Urs Tillmanns, 27. März 2021, 10:00 Uhr

Buchtipp: «Fred Boissonnas et la Méditerranée»

Dass wir hier ein französisches Buch vorstellen, ist eher die Ausnahme. Aber der Katalog zur Ausstellung «Fred Boissonnas et la Méditerranée. Une odysée photographique», die Corona-bedingt mehrfach verschoben werden musste und am 28. März 2021 zu Ende ging, und die Bedeutung dieses Buches, hat dies verdient.

Fred Boissonnas ist einer der aussergewöhnlichsten Fotografen der Schweiz, dessen Arbeiten internationale Bekanntheit fanden und auf hohe Anerkennungen stiessen. Er betrieb ein luxuriöses Porträtstudio in Genf, war einer der wichtigsten Schweizer Vertreter des Piktorialismus, wurde an der Pariser Weltausstellung 1900 mit dem Grand Prix ausgezeichnet und investierte in diverse Ateliers in Paris, Lyon, Reims, in das Studio von Nadar in Marseille, sowie in ein Porträtlokal in Petersburg. Danach wandte er sich von der kommerziellen Fotografie ab und bereiste von 1903 bis in die 20er Jahre mehrfach die Mittelmeerländer, um eine Vielfalt von Impressionen aus Griechenland, Italien, Tunesien und Ägypten in Kunstpublikationen zu veröffentlichen.

Das Buch von Estelle Sohier ist mehr als ein Katalog, der uns an eine grossartige Ausstellung erinnert. Es ist sowohl eine ausführliche Lebensdokumentation von Fred Boissonnas als auch ein repräsenativer Bildband über sein fotografisches Schaffen. Die Bildauswahl gibt uns auch einen Einblick in die Epoche des Piktorialismus, jener Epoche von 1890 bis 1914, in der eine Vielzahl von Fotografen mit allen kreativen und technischen Mitteln bestrebt waren, gemäldeartige Fotografien zu schaffen. Fred Boissonnas gehörte zu den massgebenden Initianten dieser fotografischen Stilrichtung in der Schweiz, die einen regen Austausch fotografischer Werke an internationalen Ausstellungen und entsprechende Publikationen in Fotomagazinen zur Folge hatte.

Die Bilder, welche Fred Boissonnas von seinen Reisen aus den Mittelmeerländern nach Hause brachte, in Kunstbüchern publizierte und in Ausstelllungen präsentierte, waren insofern spektakulär, als diese Länder zu jener Zeit nur von wenigen Expeditionen bereist wurden und so deren Impressionen bislang weitgehend ungesehen waren. Dazu gehören vor allem die Bilder der Akropolis, von der Boissonnas unter Mitwirkung namhafter Archäologen viele Details dokumentierte, was oft mit einem grossen Aufwand und mehreren Reisen nach Athen verbunden war.

Boissonnas konzentrierte sich bei seinen Arbeiten vor allem auf die Landschaftsfotografie, auf Städtebilder sowie auf Darstellungen von Einheimischen und deren Lebensgewohnheiten. Seine Arbeiten zeigten das Leben in den Mittelmeerländern mit damals weitgehend unbekannten Darstellungen und trugen so zum besseren internationalen Kulturverständnis bei.

Dem Buch von Estelle Sohier kommt insofern ein sehr hoher Stellenwert zu als bisher das Leben und Schaffen von Fred Boissonnas kaum mit dieser Gründlichkeit und Akribie erforscht und publiziert wurde. Es ist eine hervorragende Quellenarbeit, die künftig oft zitiert und für weitere fotohistorische Forschungen beigezogen werden dürfte.

Für wen ist dieses Buch? All jene, die sich für die Arbeit und das Leben von Fred Boissonnas und die damalige Epoche der Fotografie interessieren und die wegen den Corona-Restriktionen die Ausstellung im Musée Rath in Genf verpasst haben, dürften besonderes Interesse für dieses Buch zeigen. Weiter ist es für all jene, die sich für die Geschichte der Fotografie in der Schweiz interessieren, ein Werk, das bereits in wenigen Jahren zu den Primärquellen und zu den gesuchten Büchern gehören dürfte.

Urs Tillmanns

Buchbeschreibung des Verlags

Ein Fotograf auf den Spuren von Homer. Fred Boissonnas, ein Porträtfotograf, der in Genf ein luxuriöses Studio betrieb, hatte dank der Pariser Weltausstellung 1900 internationalen Erfolg, der es ihm ermöglichte, sein Geschäftsimperium zu erweitern und Nadars Studio aufzukaufen. In den 1890er Jahren war er ein Vertreter der piktorialistischen Bewegung, von der er sich jedoch 1903 löste, als er begann, das Mittelmeer zu bereisen (Griechenland, Italien, Tunesien, Ägypten, etc.). Sein fotografisches Werk, das von dem Wunsch geprägt ist, wissenschaftliche Analyse und poetische Träumerei zu verbinden, erlangte eine zutiefst originelle Dimension, die von der Geschichte der Fotografie erst jetzt wieder an der richtigen Stelle gewürdigt wird.

Dieser Ausstellungskatalog würdigt sein avantgardistisches Werk sowohl künstlerisch als auch technisch durch die Reproduktion zahlreicher Silberdrucke, Heliogravüren, Kontaktbögen, Autochrome, Dias, Plakate und handschriftlicher Dokumente. Ein Nachschlagewerk über einen aussergewöhnlichen Fotografen. (Übersetzung DeepL)

 

Der Inhalt

Prologue

 

I. De la Suisse à l’arcadie. Formation d’un regard

L’extension territoriale de la photographie

Étendre la perception du temps et de l’espace.

Éduquer les regards

Le pictorialisme comme échappée du réel

 

Il. La «voie enchanté» de la Grèce

Voir le monde comme une œuvre d’art

Des colonnes jouant dans la lumière.

Le Parthénon

Photographier l’émancipation des corps

Le livre d’art, une autre voie photographique

«Les enfants spirituels de la Grèce».

L’adhésion au projet politique grec

La conquête de l’Olympe

 

Ill. Sur les traces d’ulysse et des Marins phéniciens

De Gibraltar à Djerba, de Calypso aux Lotophages

Une archéologie du regard. L’œil d’Ulysse

 

IV. Voir pour croire. Les éditions d’art et de science

Sur les traces de saint Augustin

De l’apogée à la Grande Catastrophe

«Les volumes primaires sous la lumière».

Héritage et transmission

 

V. De l’Égypte postcoloniale au mont Sinaï

«Après le miracle grec, le miracle égyptien»

À la recherche du miracle, dans le Sinaï

Épilogue

Chronologie

Liste des photographies et documents, techniques et crédits

Sources

Remerciements

A photographic odyssey. Fred Boissonnas (englische Zusammenfassung)

 

Die Autorin

Estelle Sohier hat an der Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne und an der Universität Neapel «L’Orientale» in Geschichte promoviert. Sie ist derzeit Dozentin und Forscherin an der Universität Genf. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Verwendung von Fotografie, die Geschichte des Blicks und den Begriff der geografischen Vorstellung. Seit mehreren Jahren beschäftigt sie sich mit der Arbeit des Genfer Fotografen und Herausgebers Fred Boissonnas, insbesondere mit seinen Arbeiten über Schweizer Landschaften, Griechenland, Ägypten und das Mittelmeer.

Weitere Mitwirkende: Vorwort von Lada Umstätter, Chefkuratorin für Bildende Kunst am Genfer Museum für Kunst und Geschichte, und Nicolas Schätti, Kurator für Sondersammlungen an der Genfer Bibliothek. Einleitung von Sami Kanaan, Bürgermeister von Genf.

 

Bibliografie

Estelle Sohier
«Fred Boissonnas et la Méditerranée. Une odyssée photographique»

192 Seiten, Format 190 x 25,5 cm, gebunden, broschiert
reich illustriert in Duplex und Vierfarben
Sprache: Französisch
© Editions de La Martinière, Paris    
ISBN 9782732495712
Preis: CHF 35.00 / EUR 35.00

Das Buch kann im Buchhandel erworben, bei der Librairie Payot (CHF 54.40) bestellt oder im Ausland hier geordert werden.

 

Lesen Sie auch die Top Story «Fred Boissonnas und das Mittelmeer – eine fotografische Odyssee» (14. März 2021)

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