Urs Tillmanns, 16. April 2021, 16:00 Uhr

Dennis Savini 5. Folge: Mit Licht arbeiten

Beim Mischlicht bin ich nicht nur Beobachter der Lichtstimmung, sondern ebenso in der Rolle des Regisseurs, bestimme also, wo die zusätzliche Lichtquelle positioniert werden, wie stark und wie gross und wie gerichtet oder gestreut sie sein soll. Da kommt nicht nur unser Beobachtungsvermögen wie beim Available Light zum Zuge, sondern auch unsere kreative Imagination und Vorstellungskraft, da wir die Lichtstimmung nun bewusst verändern. Wir müssen eine konkrete Lichtvorstellung haben, was in erster Linie eine gute Kenntnis der gebräuchlichen Lichtquellen und ihrer Lichtwirkung voraussetzt. Dafür bekommen wir die Kontrolle über unsere Lichtführung und können die vorhandene Lichtstimmung nach unseren Vorstellungen beeinflussen. Befassen wir uns also etwas ausführlicher mit den unterschiedlichen Lichtquellen.

 

«Calanda-Bier». Für diese Bieraufnahme wählte ich ein stimmungsvolles Restaurant mit grossen Fenstern. Ich positionierte das Bierglas ganz hinten im Raum und fotografierte gegen die Fenster gerichtet. Dadurch wird die Flüssigkeit hell durchleuchtet. Nun brauchte ich aber zwei LED-Panels von oben und von rechts hinten als Aufhelllicht für den Schaum und das Label auf dem Glas sowie als Konturlicht für die Glaskante. Das LED-Licht war etwas wärmer als das Tageslicht eingestellt, um das Raumlicht zu ergänzen. (Nikon D850 mit 100-mm-Makroobjektiv von Zeiss)

 

«Porträt Leonie». Leonie wurde in derselben Location fotografiert. Das ergänzende Licht war diesmal aber ein Blitzgerät mit kleiner, runder Softbox von seitlich vorne und zusätzlich ein direktes Gegenlicht von hinten. Hier spielte das Blitzlicht die Hauptrolle auf dem Gesicht, das Raumlicht wurde durch eine kurze Belichtungszeit dunkler einbezogen. Die Stimmung ist eine ganz andere als bei der Bieraufnahme. (Aufnahme mit Phase One und 120-mm-Schneider-Makroobjektiv)

 

«Peopleszenen mit Küchenmaschine». Diese Peopleaufnahmen fotografierte ich mit Tageslicht, das ich nur mit indirektem Blitzlicht an Wand und Decke aufhellte. Da ich gegen die Fensterfront fotografierte und das Tageslicht eher überbelichtete, erhielt ich eine helle Gegenlichtstimmung. Das indirekt geführte Blitzlicht ist aufhellend und sehr weich. Es verbindet sich wunderbar mit dem Tageslicht, sodass man es nicht mehr getrennt wahrnimmt. Es hat ja auch dieselbe Farbtemperatur.

 

Lichtquellen und ihre Wirkung

Computerblitze

Die kleinen Computerblitze, auch Systemblitze genannt, sind erstaunlich leistungsfähig und handlich klein. Sie können überall hin mitgenommen werden, selbst auf Reisen in ferne Länder. Ob Markengeräte der Kamerahersteller oder Fremdgeräte, sie lassen sich per TTL steuern und sind so in ihrer Lichtleistung einfach und genau dosierbar.

Die Möglichkeit zum entfesselten, von der Kamera losgelösten Einsatz ist essenziell für die kreative Lichtführung. Man nennt dies auch Remote-Blitzen, das heisst, die Blitze können unabhängig von der Kamera positioniert werden. Sie kommunizieren per integriertem Infrarot- oder Funk-Remote mit der Kamera.

Mit Adaptern können zudem Vorsätze, Schirme und Softboxen angebracht werden, was eine flexiblere und grossflächigere Lichtführung mit weicherer Lichtwirkung gestattet.

Bei Outdoor-Shootings kann manchmal keine schwere Blitzanlage mitgeschleppt werden. Hier sind Computerblitze oder – wie in diesem Fall – ein kleines Akku-Blitzgerät von Elinchrom (Ranger Quadra) sehr flexibel und praktisch. Ihre Leistung kann derjenigen des vorhandenen Lichts einfach angepasst werden.

 

Blitzanlagen

Dort, wo die Leistungsfähigkeit der kleinen Computerblitze an ihre Grenze kommt, etwa bei grösseren Szenerien und Gruppenaufnahmen, setzen die leistungsstärkeren Kompaktblitzanlagen ein. Es gibt Typen mit Stromanschluss und solche mit unabhängiger Akku-Stromversorgung.

Im Studio und in elektrifizierten Räumen ist die erste Gruppe geeigneter, da solche Locations über Einstelllichter verfügen, mit denen das Licht auch visuell überprüft und beurteilt werden kann.

Die Akku-Blitzgeräte können dagegen überall betrieben werden, auch outdoor, wo keine Steckdose zur Verfügung steht. Sie verfügen meist über ein schwaches LED-Einstelllicht, das mindestens eine kurzzeitige Kontrolle ermöglicht.

Beide Systeme bieten Anschlussmöglichkeiten an die umfangreichen Lichtformer der jeweiligen Hersteller und lassen sich auch in grössere Studio-Blitzanlagen integrieren.

 

«Charleston-Paar». Diese Szene fotografierten wir in einer alten Werkstatt. Neben dem Tageslicht setzten wir drei Pro foto-Blitze Typ A1 ein: zwei davon als Akzentlichter von hinten links und rechts, eines als Hauptlicht mit Softbox von vorne rechts. Die Mischung ist hier so angelegt, dass das Tageslicht einen grösseren Anteil hat als die Blitze, etwa im Verhältnis von 70:30. Den Weissabgleich setzte ich auf 5300 Kelvin, um diese warme, etwas altmodische Atmosphäre zu erzielen. Die Farben der Kleidung wählten wir in warmer Farbharmonie. Ich reduzierte in der Entwicklung noch etwas die Farbsättigung.

 

Kunstlicht und LED-Lichtpanels

Dauerlichtquellen haben gegenüber Blitzlicht den grossen Vorteil, dass sie das Licht genauso zeigen, wie es auf dem Foto wirkt. Blitzlicht weist hingegen eine zu kurze Abbrennzeit auf, um es beurteilen zu können. Bei vergleichbarer Lichtstärke sind die Dauerlichtquellen allerdings um einiges grösser und verbrauchen wesentlich mehr Strom. Zudem sind sie, der langen Belichtungszeiten wegen, für Objekte in Bewegung dem schnellen Blitzlicht gegenüber im Nachteil.

Kunstlicht als preisgünstigere Alternative zum Blitzlicht kann anfänglich infrage kommen. Ein Baustrahler vom Baumarkt ist preiswert zu erstehen und gibt ganz viel Licht ab, das aber in der Regel nicht dosierbar ist und leider auch viel Wärme erzeugt. Lichtformer sind dafür nicht erhältlich. Sie müssen selber gebastelt werden. Für einzelne improvisierte Fälle eignen sie sich vielleicht, auf längere Sicht und im professionellen Alltag aber sind sie zu wenig flexibel einsetzbar.

Text-Copyright Dennis Savini

Lesen Sie auch:

Folge 1: «Fotografisches Sehen lernen» (19. März 2021)
Folge 2: «Den richtigen Moment erfassen» (26. März 2021)
Folge 3: «Den Blick fokussieren» (1. April 2021)
Folge 4: «Available Light-Fotografie» (9. April 2021)

In der nächsten Folge, die am kommenden Freitag um 16:00 Uhr auf Fotointern erscheint, geht um Still-Life-Fotografie.

 

Dieser Artikel von Dennis Savini, Leiter der cap fotoschule, ist eine Leseprobe aus dem Buch «Professionell fotografieren lernen», das 2019 im Verlag dpunkt erschienen ist. Das Buch kann im Buchhandel, direkt beim Verlag oder im Ausland hier bestellt werden. Lesen Sie dazu auch die Buchbesprechung auf Fotointern.ch.

216 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
April 2019, Format: 207 x 255 mm
dpunkt.verlag, Heidelberg
Buch ISBN 978-3-86490-504-9
Preise:
Buch CHF 46.90 / EUR 34,90
PDF: EUR 27,99 (ohne DRM) ISBN PDF: 978-3-96088-217-6
E-Book (PDF + ePub + Mobi) EUR 27,99 ohne DRM

Das Buch kann direkt beim Autor oder im Ausland hier bestellt werden.

 

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