Wie oft hat man sich als Fotografin oder Fotograf nicht schon vorgenommen, ein bestimmtes Thema langfristig fotografisch zu verfolgen – und wie oft ist dann doch nichts daraus geworden. Meist, weil sich die Umstände nicht so entwickelten, wie man es sich vorgestellt hatte, oft auch, weil man ein bestimmtes Zeitfenster der Abfolge verpasst hat. Oder man hat es bleiben lassen, weil das Thema plötzlich nicht mehr interessierte oder zu aufwändig wurde. Gründe gibt es viele …
Caroline Minjolle ist eine lobenswerte Ausnahme. Sie hat sich, als sie 1995 schwanger wurde, vorgenommen, nicht nur die formlichen Veränderungen ihres Körpers in regelmässigen Abständen zu dokumentieren, sondern danach ihre beiden Buben – und dies jeden Monat 25 Jahre lang! Daraus ist nun ein Buch geworden, das diese bemerkenswerte Konsequenz zum Thema hat und die Entwicklung von Merlin und Basil mit gegen 280 Schwarzweissbildern festhält.
Auch die Szenerie ist in den 25 Jahren dieselbe geblieben: Studio, weisser Hintergrund, Blitz, Hasselblad, Schwarzweissfilm. Nichts sollte von den beiden Darstellern ablenken, die anfänglich mit ihrem Lieblingsspielzeug inszeniert wurden, später aber mit eigenen Ideen vor der Kamera agieren wollten. Für die beiden Jungen war der monatliche Fototermin längst zur Gewohnheit geworden, und als sie mit den Jahren die Einzigartigkeit dieser Bilderserie erfassen konnten, wollten sie auf keinen Fall durch ihr Ausbleiben das Projekt ihrer Mutter blockieren. So haben sie 25 Jahre lang durchgehalten – alle drei: Merlin, Basil und ihre Mutter Caroline.
Obwohl im Studio gestellt, sind die Bilder gewürzt von Humor, originellen Ideen und Grimassen, wie sie Kinder eben gerne schneiden, um auf Fotos besonders ungewöhnlich zu wirken. Caroline hat ihnen freien Lauf gelassen und so wurden die Sessions zu einer Gewohnheit, bei der immer Originelles entstand, was die Kinder zum Weitermachen motivierte bis sie erwachsen waren.
Das Buch bekommt mit dem Text von Daniel Blochwitz noch eine lesenswerte Zugabe, in welcher der Kunsthistoriker und Kurator nicht nur in das Projekt einleitet, sondern auch auf das Schaffen früher Fotografinnen eingeht, wie beispielsweise Julia Margret Cameron, Bernice Abbott oder Gertrud Käsebier. Blochwitz bietet darin eine interessante Abhandlung über Kinder- und Familienfotografie und erweitert diese grundsätzliche Betrachtung mit der Erläuterung des erstaunlich konsequenten Werks von Caroline Minjolle.
Für wen ist dieses Buch? Es ist ein Bildband besonderer Art mit Kinderbildern, wie man sie in punkto Originalität und Witz nur selten findet Und in dieser Hinsicht ist das Buch – und die Fotos – beispielhaft gegen langweilige Porträts. Es gibt aber auch einen Einblick in den intimen Bereich eines Familienlebens und das Heranwachsen von zwei Persönlichkeiten, die von ihrer Mutter ein ganz besonderes Geschenk bekommen haben, an dem sie und auch spätere Generationen ihre Freude haben werden.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Eine schwangere Fotografin, ein weisses Quadrat, eine Hasselblad-Kamera – und ein klares Ziel: einmal im Monat ein Foto, solange es die Lebensumstände zulassen. Zuerst der wachsende Bauch, dann das erste Kind, dann beide, über Jahre, immer inszeniert. Die fotografierten Szenen entsprechen der jeweiligen Lebensaktualität der beiden Modelle, Merlin und Basil. Wir sehen Geburtstage, ein gebrochenes Bein, Musikinstrumente, Perücken oder auch den Versuch zweier Kinder, die Scheidung ihrer Eltern zu verarbeiten, indem sie sich in der fiktiven Anwaltskanzlei «Partner & Partner» selbst als Anwälte inszenieren.
Mit dieser umfassenden Sammlung ist das Leben der beiden Söhne von Caroline Minjolle, Merlin und Basil, öffentlich dokumentiert, Veränderungen und Lebensumstände werden schwarz auf weiss sichtbar. In Gesprächen mit der Journalistin Katrin Sutter erzählen die heute jungen Erwachsenen im Buch «Rendez-Vous», wie sie dieses Langzeitprojekt erleben und erlebt haben. Wie stehen sie zu diesem Familienritual? Wie unterscheiden sich die Fotos im Buch von Familienfotos? Wie erleben sie das Heraustreten aus dem privaten Raum? Gibt es Bilder, mit denen sie sich nicht wohlfühlen? Wie gehen sie heute mit ihrem eigenen Bild um? Wie wurden Brüche im Familien-leben in diesem Projekt verarbeitet?
Ein aussergewöhnliches Buch, ein aussergewöhnliches Langzeitprojekt einer begabten Fotokünstlerin – ein Buch über Privatheit und Ausgestelltsein, ein Buch über Familienleben und Veränderungen, ein Buch fürs Auge, aber auch zum Nachdenken und Schmunzeln.
Der Inhalt
Caroline Minjolle – 25 Jahre Rendez-vous
Daniel Blochwitz – The kids are alright
Merlin & Basil: «Photo du moi» – «Photo du toi»
Danke, Biografie
Impressum
Die Autorin
Caroline Minjolle wurde 1964 in Tarbes (F) geboren, durchlief eine Ballettausbildung in Paris und war danach als Ballettänzern in Bonn und Bern tätig. Seit 1988 lebt sie in Zürich, wo sie 1991 ein Linguistik- und Übersetzungsstudium abschloss. Seit 1992 ist sie freischaffende Fotografin und Mitglied der Fotografenagentur Lunax in Zürich. www.minjollefoto.ch
Bibliografie
Caroline Minjolle «Rendez-vous»
264 Seiten, gebunden, Hardcover,
Format 153 x214 mm, ca 280 Abbildungen,
Mit einem Textbeitrag von Daniel Blochwitz
Arisverlag (Redaktionsbüro.ch) Zürich
Preis CHF 34.90 / EUR 34.90
ISBN-Nr. 978-3-907238-11-0
Das Buch kann im Buchhandel gekauft, beim Verlag direkt bestellt oder im Ausland hier geordert werden.
Eindrücklich – und ich habe noch längst nicht alles gesehen… Bravo.