Nicht nur die aktuelle Nachricht über ein Aussetzen der Kölner Weltmesse der Fotografie photokina* – eigentlich sogar ihr Ende – ist Anlass zu einem Rückblick auf die Entstehung dieser Weltmesse vor nunmehr exakt 70 Jahren. Schon im vorigen Jahr hätte man nämlich ein Jubiläum begehen können, denn mit der 1950 veranstalteten «Photo- und Kino-Ausstellung» hatte die photokina vor 70 Jahren eine Vorgängerin. Die Fotoszene war damals stark belebt durch Optimierungen alter und Innovationen neuer Kameras und Filme. Fotointern befasst sich daher mit dieser spannenden Zeit, die unser Autor Gert Koshofer als Schüler damals auch mit dem Erwerb seiner ersten Kamera 1951 und seinem ersten Messebesuch 1952 erlebte.
Das Erscheinungsbild der ersten photokina, die vom 20. bis 29. April 1951 stattfand, zeigt in einem symbolisierten Objektiv den Dom als Wahrzeichen Kölns, darum herum die Länderwappen der teilnehmenden Länder sowie ein langer Filmstreifen, der die Präsenz von Ciné-Produkte markierte.
Die Fotoindustrie hatte in allen Besatzungszonen Deutschlands schon bald nach Kriegsende mit dem Wiederaufbau begonnen. Es galt, die Leistungsfähigkeit der auflebenden Industrie darzustellen und auf der ersten photokina 1951 ausländischen Unternehmen Gelegenheit zur Präsentation zu geben. Agfa-Direktor Dr. h. c. Bruno Uhl, der Initiator der legendären Agfa «Vier-Mark-Box» (Kamerapreis waren vier Markstücke mit den eingeprägten Buchstaben A, G, F und A; [in der Schweiz 5 Einfranken-Stücke, Anm. d. Red.]), hatte die photokina initiiert und organisiert. Die japanische Fotoindustrie spielte damals in Europa noch keine Rolle, die dort hergestellten Kameras und Filme galten als Nachahmungen deutscher Vorbilder und sahen, wie zum Beispiel die Contax II von Zeiss Ikon, auch genauso aus. Der Fotojournalist und spätere Chefredakteur der Agfa-Fotozeitschrift «Photoblätter» Bernd Lohse reiste ins ferne Japan, um erstaunt zu berichten: «Auch Japan ist eine Fotonation». Japanische Produkte tauchten erst ab 1960 auf der photokina auf und hatten sich dann konstruktiv von ihren Vorbildern entfernt.
Die erste Fachmesse 1950
Die «Photo-Kino-Ausstellung» 1950 fand in den Rheinhallen 1 bis 3 statt, die kurz zuvor von den Kriegsschäden renoviert worden waren
Im Blickpunkt der «Photo-Kino-Ausstellung» in Köln standen vor allem Weiterentwicklungen bei Vorkriegs-Kameramodellen. Dazu gehörten die Contax IIa aus Stuttgart und die Exakta Varex von Ihagee, Dresden, als erste einäugige Spiegelreflexkamera mit austauschbarem Suchersystem. Neu war die Mittelformat-Spiegelreflex Ikoflex von Zeiss Ikon und die nunmehr in Westdeutschland und nicht mehr in der Sowjetunion produzierte Minox A Kleinstbildkamera aus Wetzlar.
Contax IIa, Exakta Varex, Zeiss Ikoflex und Minox A waren einige der Höhepunkte auf der Photo-Kino-Ausstellung 1951
Eine Reihe von Tubuskameras, also Modellen mit starr am Kameragehäuse befestigtem Objektiv statt des Balgens, kamen von heute längst vergessenen westdeutschen Herstellern heraus: Akarette, Diax, Finetta, Franca, Futura, Iloca, Photovit und so weiter. Hinzu kamen auch zahlreiche Box-Modelle, die Zeiss Ikon Tengor sogar mit vergütetem Objektiv. Viel Aufmerksamkeit fanden neben Kolben-Blitzlampen die neuen Röhrenblitzgeräte Blaupunkt Ultrablitz und Mannesmann Multiblitz.
Das Agfa Varioskop-Universal-Vergrösserungsgerät sollte die Laborarbeit erleichtern. Alles in allem präsentierte die Messe 1950 einen hoffnungsvollen Neubeginn. Ihr Initiator Dr. h.c. Bruno Uhl wollte damit an die 1937 zum letzten Mal im Rahmen Leipziger Frühjahrsmessen veranstalteten «ֿPhoto-Kino-Optik-Messen» anknüpfen. Der kulturelle Teil war schon 1950 von L. Fritz Gruber koordiniert worden. Er sorgte dafür, dass auch für die nachfolgenden photokina-Bilderschauen in der Nazizeit «draußen» gebliebene Fotografen wieder oder neue entdeckt wurden. Gruber war auch Mitbegründer der ebenfalls 1951 entstandenen und über Westdeutschland hinaus bekannten Deutschen Gesellschaft für Photographie, kurz «DGPh».
Es gab insgesamt 34 «Photokinen». Diese fanden nicht immer alle zwei Jahre statt | |||||||
1950*
|
1951**
|
1952
|
1954
|
1956
|
1958
|
1960
|
1963
|
1966
|
1968
|
1970
|
1972
|
1974
|
1976
|
1978
|
1980
|
1982
|
1984
|
1986
|
1988
|
1990
|
1992
|
1994
|
1996
|
1998
|
2000
|
2002
|
2004
|
2006
|
2008
|
2010
|
2012
|
2014
|
2016
|
2018
|
(2019)
|
(2020)
|
|
|
|
* Erste «Photo- & Kino-Ausstellung» ** Erste «photokina» (in Klammern = Messen abgesagt) |
Starke Präsentation von Zeiss Ikon
Erfolgsziffern der 1951 erstmals unter dem Namen «photokina» durchgeführten Messe waren: 340 Aussteller mit 70 ausländischen Unternehmen aus 10 Ländern und 100’000 Besucher. Die deutsche Fotoindustrie lebte damals überwiegend vom Export. Im fast völlig wiederaufgebauten Kölner Messegelände war die photokina gegenüber ihrer Vorgängerin von drei auf sechs Ausstellungshallen am Rheinufer erweitert. Den grössten Stand hatte Agfa aus der Nachbarstadt Leverkusen mit Filmen, Fotopapieren und Magnettonbändern sowie Produkten aus ihrem Camerawerk München.
Die Agfa Isolette war als erschwingliche 6×6-Kamera sehr beliebt, während die Contax IIIa und die Leica IIIf in der Nachkriegszeit für die meisten zu teuer waren. Die Kodak Retina war das preisgünstige Pendant dazu.
Kodak trat noch recht bescheiden auf. Die Zeiss Ikon AG Stuttgart, demonstrierte mit 13 ausgestellten unterschiedlichen Kameramodellen eigentlich schon 1951, dass sich das Unternehmen übernimmt. Doch dauerte es noch 20 Jahre, bis dieses grösste westdeutsche Kamerawerk seine Produktion aufgeben musste. Zum 25-jährigen Bestehen des Unternehmens trat Zeiss Ikon 1951 gegen die Leica mit der neuen Contax IIIa an, die ausser dem gekuppeltem Messsucher, auch einen aufgebauten Belichtungsmesser mit gegenüber dem Vorkriegsmodell höherer Messgenauigkeit besass. Auch Filmtransport und Verschlussspannung waren gekuppelt. Leitz zeigte die voll blitzsynchronisierte Leica IIIf als erste Nachkriegskonstruktion aus Wetzlar. Man konnte nun Blitzlichtaufnahmen sogar mit 1/1000 s Verschlusszeit machen.
Parkprobleme gab es damals noch keine. Die wenigen Besucher, die mit dem Auto anreisten, konnten unmittelbar vor den Rheinhallen parkieren.
Auch Schweizer Fotohändler waren dabei …
Der Verein für fotohistorische Forschung «fotohistory.ch» ist im Besitz eines Fotoalbums, welches die Reise vom 6. bis 14. Mai 1950 von knapp 40 Schweizer Fotohändlern mit begleitenden Damen nach Köln dokumentiert, um die erste Photo-Kino-Ausstellung zu besuchen. Abgesehen von einer Einladung zu Agfa nach Leverkusen – wo obiges Gruppenfoto entstand – wurde die Gruppe an den verschiedenen Ständen der Ausstellung freundlichst empfangen, insbesondere bei Agfa, Berning, Franke und Heidecke, Kodak, Leitz, Voigtländer und Zeiss-Ikon.
Das Album zeigt zudem auf rund zwei Dutzend Seiten interessantes Bildmaterial der Reise und der Behebung von Kriegsschäden in der Stadt Köln.
Neue und verbesserte Kameramodelle
Schon 1950 hatte das Düsseldorfer Unternehmen Berning & Co. seine Robot-Kamera mit Federwerk für 50 Aufnahmen 24 x 24mm ausgestellt. Die Prominent Kleinbildkamera war das neue Spitzenmodell von Voigtländer. Ausgestattet mit Wechselobjektiven im Zentralverschluss, darunter das lichtstarke Nokton 1:1,5/50mm, sollte sie gegen Leica und Contax antreten – vergeblich. Die neue Kodak Retina IIa war nun ebenfalls vollsynchronisiert und jetzt mit einem Schnellaufzug ausgestattet. Als Zubehör gab es ein Blitzlichtgerät für Blitzbirnen, wie es ähnlich auch Agfa und Zeiss Ikon anboten.
Blick auf den Leica-Stand (1954). Auch wenn man sie sich nicht leisten konnte – einmal anfassen war schon ein Glücksgefühl
Die Retina-Modelle waren die beliebtesten Kleinbildkameras für Amateure. Natürlich kamen auch bei den beliebten Rollfilmkameras neue Modelle heraus. Dazu gehörten von Zeiss Ikon die beiden Mess-Ikonta’s mit angebauten, nicht gekuppelten Entfernungsmessern und der wichtigen Doppelbelichtungssperre. Letztere gehörte zu den technischen Neuerungen auf der photokina. Denn Massnahmen gegen Doppelbelichtungen wurden für sehr wichtig gehalten, wozu auch die Kupplung von Verschluss und Filmtransport gehörte. Die Modellreihe der beliebten 6×6-Kamera Agfa Isolette wurde weitergeführt.
Das Alleinstellungsmerkmal der Robot war ihr Federwerk für den motorischen Filmtransport. Robot, Voigtländer trumpfte mit dem lichtstarken Nokton 1:1,5/50 mm, Rollei blieb ihrem Prinzip der zweiäugigen Spiegelreflexkameras Rolleiflex und Rolleicord treu und Iloca versprach sich Erfolg mit ihren Stereokameras
Iloca belebte den Fotomarkt mit einer Stereokamera in der letztlich vergeblichen Hoffnung, der amerikanische Trend zu 3-D-Aufnahmen würde auch auf Europa übergreifen. Die billigen Boxkameras lagen mit ihrem Marktanteil noch an der Spitze, gefolgt von Rollfilm-Balgenkameras für die beliebten Formate 5 x 6 und 6 x 9 cm.
Messgeräte für Entfernung und Belichtung
Obwohl allgemein ein Trend zu eingebauten oder sogar gekuppelten Entfernungsmessern auch bei Kameras mittlerer Preislage bestand, wurden noch aufsteckbare Entfernungsmesser angeboten. An Autofokus dachte damals noch niemand. Es gab noch optische Belichtungsmesser mit vergleichender Auswertung von Helligkeitswerten in der Durchsicht. Doch waren elektrische Handbelichtungsmesser ein unentbehrliches Werkzeug für die aufkommende Farbfotografie. Der Sixtomat von Gossen gestattete erstmals auch die Messung gegen das Licht mittels eines vor die Messfläche gezogenen Rollos.
Blitzlicht hat in den 70 Jahren einen enormen Wandel mitgemacht, vom Blitzpulver, das noch in den 1950er-Jahren erhältlich war, über schwere Röhrenblitzgeräte zu den Aufsteckgeräten bis hin zu dem Blitzlämpchen wurde das künstliche Aufhelllicht immer komfortabler
Bei den für Blitzlichtfotos vollsynchronisierten Verschlüssen konkurrierten Friedrich Deckel mit seinem Synchro Compur und Alfred Gauthier mit seinem Prontor-S Verschluss miteinander. Sie wurden statt eines Schlitzverschlusses sogar in spätere westdeutsche Spiegelreflexkameras wie die Contaflex von Zeiss Ikon und die Retina Reflex von Kodak eingebaut. Der Nachteil davon war, dass echte Wechselobjektive nicht eingesetzt werden konnten.
Kameras und Filme aus Ostdeutschland
Die Teilung Deutschlands hatte ihre Folgen auch für die Fotoindustrie: Während Zeiss Ikon Dresden später diesen Namen ablegte und «Pentacon» wurde, behielten die optischen Werke Carl Zeiss in Jena ihren bei. Die Rechtsstreitigkeiten mit der westdeutschen Firma Carl Zeiss in Oberkochen veranlassten diese vorübergehend, ihre Objektive unter der Marke Zeiss Opton anzubieten.
Auch in der DDR gab es 1951 neue Kameras: Das neue Modell der Exakta Varex von Ihagee, Dresden, war jetzt aussen verchromt und in mehreren Details verbessert. Die Exakta genoss als Spiegelreflexkamera mit ihrem austauschbaren Suchersystem damals Weltgeltung. Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1951 präsentierte Ihagee auch die Exakta 6 x 6 Rollfilmkamera mit Schlitzverschluss und Wechselobjektiven. Die Super Dollina II vom noch selbständigen Certo Kamerawerk in Dresden wurde wahlweise sogar mit dem westdeutschen Compur-Verschluss und mit einem Rodenstock-Objektiv ausgestattet – sozusagen ein Stück Gesamtdeutschland im Kamerabau.
Neben der Agfa in Leverkusen existierte die Agfa in Wolfen weiterhin und warb mit dem bleichen, weltbekannten Agfa-Rhombus
In der DDR gab es neben der noch bis Ende 1953 als Kriegsbeute zum sowjetischen «Photoplenka»-Konzern gehörenden grossen Filmfabrik Agfa Wolfen einige weitere kleine Hersteller fotochemischer Produkte, die mit in Westdeutschland neu gegründeten Unternehmen 1951 noch denselben Firmennamen trugen: Turaphot in Wernigerode bzw. Düren und Mimosa in Dresden bzw. Kiel. Die Turaphot existierte schliesslich in Düren unter dem Namen Tura weiter.
Noch ein kaum bekanntes Beispiel für die Nutzung derselben Firmennamen in Ost und West ist Voigtländer, 1951 neben dem Kamerawerk in Braunschweig auch noch als Fabrik für Fotopapiere in Ostberlin existierend. Doch noch im selben Jahr nannte man sich dort um in den heute längst vergessenen Namen Berlofot. Im Ostberliner Stadtteil Köpenick war die die unter Verwaltung stehende Kodak Filmfabrik ansässig, die ihre Schwarzweiss-Filme als Kodak Dekopan (das hiess: Deutsche Kodak Panfilme) auf den ostdeutschen Markt brachte. 1951 startete in der DDR übrigens ein Fünfjahresplan, der für die dortige Fotoindustrie eine starke Kapazitätserweiterung vorsah.
Endlich Farbfilme für Papierbilder
Ein wichtiges Thema der photokina 1951 war die Farbfotografie. Die grosse Neuheit war das 1949 in Westeuropa durch Agfa Leverkusen nun offiziell eingeführte farbige Papierbild vom Negativfilm. Es war schon auf der Messe 1950 vorgestellt worden. Als Pionier präsentierte Agfa an ihrem Stand eine grosse Agfacolor-Ausstellung. Da Agfacolor und die damit verwandten Filme anderer Hersteller noch unmaskiert, also nicht von einem Orange-Farbton zur Verbesserung der Farbwiedergabe im Kopierprozess überlagert waren, konnten auch unschwer schwarzweisse Abzüge vom Farbnegativ gemacht werden. Sie wurden sogar für alle falsch belichteten Negative empfohlen. Dem Autor wurde vom Fotohändler beim Farbfilmkauf empfohlen, den Agfacolor-Film nicht wie angegeben 14/10 °DIN, sondern wie 12/10 °DIN (heute IS0 12) zu belichten. Der allgemeinen Verbreitung der Farbfotografie standen eigentlich nur noch die hohen Kosten entgegen.
Die Farbfotografie stand auf der photokina 1951 im Zentrum des Publikumsinteresses. Vor allem Papierbilder verlangte der Markt, auch wenn diese anfänglich kaum bezahlbar waren. Diese drei frühen Agfacolor-Bilder wurden um 1951 vom Autor aufgenommen.
In den 1950er Jahren spielte auch noch das spezielle Duxochrom-Verfahren für grossformatige Farbbilder von mit Strahlenteiler-Dreifarbenkameras, insbesondere der deutschen Bermpohl Naturfarbenkamera, aufgenommenen schwarzweissen Farbauszügen am Stand des Bremer Unternehmens Herzog eine gewisse Rolle. Das belegt auch das Porträt des deutschen Bundespräsidenten Theodor Heuß im Messekatalog von 1950.
Konkurrenz für Agfa
Für Agfacolor kündigten sich schon auf der photokina 1951 weitere Konkurrenten unter Nutzung der Agfa-Patente an: der Ferraniacolor Diafilm aus Italien und der Gevacolor Negativfilm aus Belgien. Gevaert war noch nicht fusionierter Teil von Agfa-Gevaert (erst ab 1964). Nicht auf der Messe von 1950 und den nachfolgenden photokina-Ausstellungen gezeigt wurden die ab 1950 hergestellten Schweizer Telcolor Negativfilme und Papiere aus der kleinen Fabrik der Tellko S.A. in Fribourg. Sie wären aber voll konkurrenzfähig gewesen. Als international erfolgreiches Produkt der Schweizer Fotochemie trat 1963 Cibachrome ins Licht der interessierten Messebesucher.
Zu Beginn der 1950er-Jahre kamen immer mehr Farbfilme von verschiedensten Herstellern und mit unterschiedlichsten Bezeichnungen auf den Markt.
1951 wurde auf der photokina auch der scharfe und farbstabile Kodachrome Film zur Verfügung. Er kam damals aus französischer Produktion von Kodak-Pathé in Paris-Vincennes, war rund 50 % teuerer als der 1952 aus Leverkusen folgende Agfacolor-Diafilm und praktisch 1 1/3 Blenden niedriger empfindlich. Bereits 1947 war in der devisenstarken Schweiz der zweite Diafilm von Kodak, Ektachrome, eingeführt worden und wurde 1951 auch auf der photokina vorgestellt. Es gab übrigens damals unterschiedliche Agfacolor Filme, neben den neuen aus dem Bayerwerk in Leverkusen noch die weiter verbesserten aus dem ursprünglichen Herstellungsort Wolfen (Kreis Bitterfeld). Die Wolfener Filme waren aber auf den frühen photokina-Messen noch nicht zu sehen gewesen.
Die beiden Adox-Werbebusse erregten im Aussenbereich der photokina 1954 Aufsehen.
Auf dem Schwarzweiss-Sektor machte das westdeutsche Unternehmen von Dr. Schleussner mit seiner Marke Adox der Agfa Konkurrenz. Die Filmfabrik befand sich in Neu-Isenburg, das Kamerawerk in Wiesbaden. Berühmt wurden die feinkörnigen Dünnschichtfilme Adox KB 17 und KB 21. Ein weiterer starker Konkurrent für Agfa war Perutz in München mit seinen Perpantic, Peromina und Persenso Filmen. Perutz stellte auch schwarzweisse Kinefilme her, was Agfa Leverkusen nicht tat. Sowohl Schleussner als auch Perutz experimentierten in den frühen 150er Jahren bereits intern mit Farbfilmen. Doch sollte es noch fünf bis sieben Jahre dauern, bis sie endlich auf der photokina präsentiert werden konnten.
Fotozeitschriften und -bücher
1950/1951 waren in der Bundesrepublik Deutschland das schon 1949 von Dr. Walther Heering herausgegebene «Photo Magazin« und in der DDR die Zeitschrift «die fotografie» führend. Sie sollten die wieder aufstrebende Fotoindustrie fördern, über Neuigkeiten berichten und fotografische Stilentwicklungen begleiten. Im visuellen Vordergrund stand immer noch das schöne, idyllische Bild, zunehmend später auch in Farbe. Im «Photo Magazin», dessen damaliger Chefredakteur der auch durch seine Kamerabücher bekannte Dr. Otto Croy war, verteilte sich die Farbfotografie neben dem Titelbild nur auf zweimal eine Doppelseite im Heft, wobei die Filmnamen, neben Agfacolor auch Kodachrome und Ektachrome, angegeben wurden. Damals gab es aber noch längere Artikel nur aus Text und ohne Bebilderung – Neuheiten wurden kurz vorgestellt und vergleichende Tests gab es überhaupt nicht.
Das von Dr. Walther Heering herausgegebene «Photo Magazin« und die DDR-Zeitschrift «die fotografie» waren 1950 führen, ebenso das Standardwerk «Agfacolor» von Dr. Heinz Berger
Besonders mit dem neuen Farbnegativ/Positiv-System befasste sich das 1950 in erster Auflage erschienene Fachbuch «Agfacolor» von Dr. Heinz Berger. Er war 1937 bis 1945 Mitarbeiter in der Prüfstelle der Filmfabrik Wolfen gewesen und 1947 nach Leverkusen übergesiedelt, wo er als Fotochemiker aktiv zum erfolgreichen Start der, wie sie damals genannt wurde, «Neuen Agfacolor-Photographie» mit farbigen Papierbildern beitrug. Das Buch erreichte mit seiner deutschen Ausgabe neun Auflagen und wurde jeweils vorne mit einer Original-Farbvergrösserung geschmückt – heute Beispiel für die recht gute Haltbarkeit der früheren Agfacolor-Papiere. Als eine Art «mitteldeutsches Gegenstück» erschien erst 1958 in der DDR das Buch «Agfacolor – Material und Verarbeitung» der Wolfener Mitarbeiter Dr. Franz Lühr, Albert Nürnberg und Horst Schrader.
Der Heering-Verlag legte 1950 das zehn Jahre vorher erstmals erschienene, reich mit Agfacolor- und sogar Kodachrome Professional-Aufnahmen illustrierte Buch «Schule der Farben-Fotografie» in der hohen Auflage von 70.000 Exemplaren neu auf. Autor war der damals mit seinen schwarzweissen «Foto-Schulen» sehr bekannte und beliebte Autor Hans Windisch. Mit welchem Buch und welcher Zeitschrift auch immer, man konnte sich gut auch mit dem neuen Medium Farbe in der Fotografie fortbilden und an schönen Bilderstrecken erfreuen.
Die photokina im Wandel der Zeit
Die Kölner Rheinhallen waren bald zu klein für die «Weltmesse des Bildes», so dass nordöstlich davon in einem neuen Gelände Platz für 11 mehrstöckige Hallen geschaffen wurde. Auf der letzten photokina 2018 wurden allerdings nur noch gerademal fünf davon benötigt.
Exkurs ins Kino: die ersten deutschen Nachkriegs-Farbfilme
In Deutschland war ja das Farb-Negativ/Positiv-Verfahren für Kinofilme ausgearbeitet – auch als technische Alternative zum komplizierten amerikanisch-englischen Technicolor-Verfahren. Fast gleichzeitig erlebten 1950, also auch 2020 als Jubiläum vor 70 Jahren, endlich in beiden deutschen Staaten die ersten farbigen Spielfilme der Nachkriegszeit fast gleichzeitig ihre Premieren: «Schwarzwaldmädel» im Westen und «Das kalte Herz» im Osten. Endlich konnten auch deutsche Produktionen auf das Agfacolor zugreifen können, das zuvor als «Beute» nur der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Staaten vorbehalten gewesen war. Es kam noch ausschliesslich von Agfa Wolfen, Agfa Leverkusen lieferte aber ab 1951 eigene Agfacolor-Kinefilme, die ihren ersten Einsatz für den Revuefilm «Sensation in San Remo» mit Marika Rökk fanden. Er entstand in den in der Lüneburger Heide gelegenen Ateliers der Jungen Filmunion im «Hollywooddorf» Bendestorf, wo noch die Studiobauten stehen und ein sehenswertes Filmmuseum existiert.
«Schwarzwaldmädel» (Berolina Film, West-Berlin) mit dem beliebten Filmpaar Sonja Ziemann und Rudolf Prack leitete die Periode der Heimatfilme ein, «Das kalte Herz» nach dem Hauff-Märchen war der Auftakt zu den schönen Märchenfilmen der ostdeutschen DEFA. 1951 produzierte Berolina auch den grössten Heimatfilmerfolg «Grün ist die Heide» allerdings in Gevacolor aus Belgien. Dazu hiess es im Filmvorspann richtig «Nach Agfa- und Gevaert-Patenten». 1954 benutzte die Berolina erstmals in Deutschland für den Operettenfilm «Zigeunerbaron» Eastman Color von Kodak (USA). Es war auch das Filmmaterial für den 1955 gedrehten ersten Schweizer abendfüllenden farbigen Spielfilm «Heidi und Peter», der für den internationalen Einsatz im Technicolor-Druckverfahren kopiert wurde.
Das bewegte Bild war auf der photokina immer schon ganz grosses Thema. Die Filmkameras wurden immer kleiner und immer besser. Wer hätte damals gedacht, dass nicht nur Fotokameras dereinst filmen könnten, geschweige denn die Telefone …
Das Kino erfreute sich, besonders mit Farben in der noch herrschenden Trümmerwelt der Städte in Europa, grosser Besucherzahlen. Und in der Fotoszene ahnte man damals noch nicht, dass später einmal Telefongeräte (Handys) zum Fotografieren beliebt werden würden und das Filmangebot knapp. Der photokina wird man nachtrauern, aber die Zeiten haben sich geändert. Leica, Nikon und andere Hersteller waren bereits 2018 aus der Messe ausgestiegen.
Gert Koshofer
* «photokina» wird als so eingetragenes Warenzeichen klein geschrieben.
Der Autor
Gert Koshofer (geb. 1936) wuchs in Düsseldorf, Gengenbach im Schwarzwald und in Mülheim (Ruhr) auf und entdeckte im Alter von 14 Jahren seine Leidenschaft für Fotografie. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln war er kurz in der Kommunalverwaltung tätig, wonach er bei der Agfa-Gevaert AG, Leverkusen, im Bereich Marketing von 1968 bis 1977 die Abteilung für hauseigene Publikationen aufbaute und verantwortlich leitete. Koshofer war Mitbegründer der «Gesellschaft für Farbfotografische Versuche» (GbR), die sich mit Experimenten, vergleichenden Filmtests und mit der Beschaffung von technischen, historischen und Markt-Informationen zur Farbfotografie befasste. Gert Koshofer war von 1977 bis 1997 Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) in Köln. Er hielt in dieser Zeit auch diverse Vorträge zur Geschichte der Farbfotografie, unter anderem an der Universität in Basel, an der ETH Zürich und in Fribourg. Ferner war und ist Koshofer als freier Autor für in- und ausländische Foto- und Filmfachzeitschriften, hauptsächlich über Geschichte, Technik und Markt der Farbfotografie engagiert und hat über 30 Bücher selbst oder als Ko-Autor verfasst. Heute lebt Gert Koshofer in Bergisch-Gladbach im Ruhestand.
Mit bestem Dank an Rudi Hillebrand für die Kooperation mit Photo-Deal
Lesen Sie auch:
«Photokina 2020 ist abgesagt» (Fotointern, 18.03.2020)
«Photokina 2019 abgesagt» (Fotointern, 03.12.2018)
«Photokina in Zukunft jährlich kürzer und früher» (Fotointern 24.05.2017)
«175 Jahre Fotografie: Die Geschichte der Photokina» (fotointern 14.09.2014)
Ganz grosses Kino! Danke für den Artikel. Als ich die Fotos aus der Zeit sah, dachte ich ganz spontan: So, und was ist in der Zwischenzeit nach der Vergeudung von Milliarden im digitalen Zeitalter besser geworden? Die Fotos sind nur beliebiger und austauschbarer geworden, aber inhaltlich definitiv nicht besser. Technisch eventuell…