In dieser Folge möchte ich das zuweilen vernachlässigte dritte Standbein unseres Berufs ansprechen. Es bildet sozusagen das Rückgrat der beruflichen Tätigkeit. Diesen Bereich im Griff zu haben, schafft die beste Voraussetzung für eine nachhaltig erfolgreiche Karriere. Und ganz nebenbei auch die nötige Zeit und Raum für Kreativität.
«Organisation ist das halbe Leben». Das Bild hat Dennis Savini in der Stiftsbibliothek in Beromünster aufgenommen, wo übrigens auch die ältesten Buchdruckerei der Schweiz besichtigt werden kann. (Foto: Dennis Savini)
Als Fotoamateur leben Sie von Ihrem Talent, und auch auf dem Weg zum Profifotografen ist dies die wichtigste Voraussetzung. Talent motiviert Sie und bringt Sie vorwärts auf dem Weg. Dazu kommt als zweiter Baustein die Entwicklung der handwerklichen Fähigkeiten. Talent und Handwerk bildet also zwei Grundpfeiler Ihrer Tätigkeit als Fotograf. Und der dritte Grundpfeiler – nicht weniger wichtig für eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit – ist der Umgang mit den wirtschaftlichen und organisatorischen Fragen, kurz der Organisation Ihres Backoffice. Letzteres entscheidet wesentlich über Ihren Erfolg und Verbleib in diesem umkämpften Markt. Rechtssicherheit wiederum bildet das unverzichtbare Netz unter dem Seil, auf dem Sie sich bewegen.
Was und wohin will ich?
Erst einmal werden Sie sich klarwerden müssen, was Sie erreichen wollen und wohin Ihre berufliche Laufbahn führen soll. Gleich eine Starfotografenkarriere zu erträumen, ist zu Anfang sicher noch gewagt und hilft Ihnen nicht über die ersten Hürden hinweg.
Werbung ist aufdringlich – und doch hilft sie uns Entscheidungen zu treffen (Foto: Renato Gerussi)
Eine langfristige Planung, die auch Phasen ausbleibenden Erfolgs berücksichtigt, erscheint da realistischer. Eine fotografische Laufbahn ist tatsächlich auch eher ein Auf und Ab als eine geradlinige Entwicklung. Auf Phasen mit viel Erfolg können immer wieder Durststrecken folgen. Da ist es wichtig, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, beharrlich an seinem Weg zu arbeiten, auch wenn sich der Erfolg nicht sofort einstellt. Ebenso gehört die Selbstreflexion dazu und hilft dabei, sich selbst und seiner Arbeit gegenüber kritisch zu bleiben und den eigenen Weg auch immer mal zu hinterfragen.
Fassen Sie also realisierbare Ziele ins Auge, kurzfristige wie auch langfristige. Die Definition von Etappenzielen ist wichtig, damit Sie immer wieder ein Zwischenziel erreichen und so ein Erfolgserlebnis haben. Analysieren Sie Ihre Befähigungen und Motivation genau, denn das hilft Ihnen, in die richtige Richtung zu gehen und sich nicht selbst zu überfordern. Was können Sie gut, vielleicht besser als die Konkurrenz, was macht Sie stark? Was tun Sie am liebsten und wo können Sie sich Ihr Engagement am besten vorstellen? Das wird auch das Tätigkeitsfeld sein, in dem Sie am meisten Energie freimachen können und jeden Tag gerne arbeiten. So halten Sie länger durch als andere, die sich mit Dingen beschäftigen, die sie nicht gerne tun.
Das Portfolio – Strassenfotografie von Renato Gerussi. Eine spannende Bildserie, welche gekonnt das hektische Leben und seine ruhigen Momente zum Ausdruck bringt.
Den Markt analysieren
Nun haben Sie sich mit sich selbst beschäftigt und Ihre Vorstellungen und Ziele definiert. Es ist Zeit, sich mit Ihren Partnern im Markt auseinanderzusetzen und ein paar Fragen zu stellen:
• Gibt es überhaupt einen Markt für das, was ich anbiete?
• Wie steht es mit der Konkurrenz auf diesem Gebiet?
• Wo und wie finde ich meine Kunden, die an meinen Angeboten Interesse haben?
• Was sind die marktüblichen Preise für solche Angebote und kann ich damit leben?
• Habe ich etwas, das mich auszeichnet und abhebt von der Konkurrenz? Habe ich eine USP (Unique Selling Proposition)?
Anhand dieser Fragen finden Sie heraus, wo Sie auf diesem Marktplatz stehen und welche Vorteile Sie für sich nutzen können. Sie beurteilen Ihre Chancen und Möglichkeiten realistisch und passen allenfalls Ihr Angebot auf die Marktsituation an, damit sich Ihre Chancen erhöhen.
«Gutes tun und davon reden»
Als Erstes sollten Sie etwas produzieren, das Sie zeigen können und über Sie Auskunft gibt. Dies wird Ihnen dann gelingen, wenn Sie diese Aufgabe persönlich nehmen und Ihre Interessen dazu einsetzen, ein persönliches Portfolio zu erstellen, das Sie auf eindeutige Art repräsentiert.
Damit schaffen Sie eine Identifikation, die mit Ihnen zu tun hat und im besten Fall unverwechselbar ist. Je grösser der Markt, desto klarer muss Ihr Auftritt profiliert sein
Das Portfolio
Ein Portfoliobuch oder eine Portfoliomappe, die Sie zeigen können, ist Ihre vergrösserte Visitenkarte und präsentiert Sie und Ihre Fähigkeiten im besten Licht. Überlegen Sie sich gut, was Sie zeigen wollen, lassen Sie Durchschnittliches weg und schärfen Sie Ihr Profil mit den Leistungen, die Sie am besten beherrschen. Zeigen Sie nur Ihre besten fotografischen Ergebnisse. Dann werden Sie wahrgenommen und nicht sofort wieder vergessen.
Das Portfolio – Strassenfotografie von Renato Gerussi.
Ein wirkungsvolles Portfolio ist also keine Gemischtwarenhandlung, sondern eher ein Spezialitätenladen. Es sollte nicht zu umfangreich sein: 40 Bildseiten sollten genügen, um Ihre fotografische Arbeit im besten Licht zu zeigen. Selbstredend ist es sorgfältigst produziert und qualitativ herausragend, ansonsten zeigen Sie nämlich nur, dass Sie sich selbst nicht ganz ernst nehmen.
Gute, qualitativ hochwertige Fotografen-Portfolios können im Digitaldruck gedruckt und als Bücher gebunden, als Inkjet-Ausdrucke in einer Box präsentiert oder auch auf echtes Fotopapier ausbelichtet und als Flatbook verleimt werden. Hier gibt es verschiedenste Anbieter, von WhiteWall in Deutschland bis zu Prociné oder Bookfactory in der Schweiz.
Ergänzend dazu empfiehlt sich unbedingt ein elektronisches PDF-Portfolio, das für eine erste Kontaktanfrage per E-Mail versandt werden kann. Erstkontakte erfolgen oft auf diesem Weg. Die wenigsten Kunden nehmen sich Zeit für ein Vorstellungsgespräch, solange sie noch kein konkretes Interesse haben, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Auch für dieses Portfolio gelten selbstredend die oben genannten Anforderungen.
Es kann einfach mit Keynote oder PowerPoint oder – ganz professionell – in einem Gestaltungsprogramm wie InDesign erstellt und dann als PDF mit geringer Dateigrösse gespeichert werden. Ebenfalls kann es anbieterabhängig als Nebenprodukt aus der Software des Portfolioherstellers heraus exportiert werden.
Die eigene Webseite
Die Webpräsenz ist schon seit einigen Jahren ein wichtiger Baustein des Marketings, mittlerweile ist sie unverzichtbar geworden. Wenn wir gefunden werden wollen, müssen wir im Internet präsent sein. Kartenversand, Prospekte und E-Mail-Versand sind aufwendig und mit hohen Streuverlusten verbunden. Ausserdem ist das Zeitalter des Merkens vorbei, und erwischen wir nicht gerade den richtigen Moment, bleibt unsere Kontaktaufnahme meist wirkungslos!
Heute ist das Web Nachschlagewerk und Suchmaschine für alles, was uns bewegt und interessiert. Die Webpräsenz ist also die wichtigste Plattform, auf der wir unbedingt vorhanden und auffindbar sein müssen. Doch ein Webauftritt allein garantiert noch keine Kunden, denn verschiedene Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit wir gefunden werden. Im Internet ist Schnelligkeit Trumpf, daher sollte unsere Webpräsenz übersichtlich und klar gestaltet sein. Text hilft unsere Seite zu indexieren und macht sie auffindbar.
Die Webseite muss einfach gestaltet und ansprechend sein. Sie ist Dein Verkaufsprospekt …
Für eine funktionale Webseite sind folgende Punkte zu beachten:
• Google sucht nach Text. Also sind die Texte wichtig, vor allem auf der ersten Seite. Das, wofür wir gefunden werden wollen, gehört ausformuliert auf die erste Seite! Header-Stichworte sind weniger wichtig, da Google den ganzen Text absucht. Halten Sie sich kurz, Romane gehören zwischen Buchdeckel und nicht ins Web.
• Keine Intros, da zappen die meisten Kunden sofort weg.
• Kein Flash, nur HTML verwenden. HTML-5-Programmierung stellt sicher, dass die Webseite auf allen Geräten gut dargestellt wird und lesbar ist.
• Kein Firlefanz, z. B. keine Musik hinterlegen, einfache und rasche Navigation zu den wichtigsten Punkten.
• Klare Information und Struktur gleich auf der ersten Seite, dazu gehören auch die Kontaktdaten.
• PDF-Portfolio zum Herunterladen, und das natürlich mit vollständigen Kontaktdaten versehen. Dieses PDF sollte klein sein, die Bilder höchstens mit 100 dpi Auflösung ohne Wasserzeichen!
• Schwerpunkte legen, denn weniger ist mehr.
• Überlegen Sie: Für was will ich gebucht werden, was sind meine Stärken?
• Neben den Auftragsarbeiten ein persönliches Portfolio aus max. 20 Bildern zeigen, die ersten drei Bilder sind hier am wichtigsten. (Es werden selten mehr als 5 bis 10 Bilder angeschaut.)
• Keine Ferien- oder Privatfotos verwenden.
• Die Webseite aktuell halten und immer wieder mal Neues zeigen. Etwa alle drei Monate sollte Ihre Webseite ein Update erhalten.
• Das Impressum sollte kopierbar sein, um den Kunden die Kontaktdaten einfach zur Verfügung zu stellen.
• Vita schreiben: informativ, kurz und bündig. (Das heisst: Keine Liste, keine Schullaufbahn, nur die für den Kunden wesentlichen Daten in einigen Sätzen darlegen, eventuell durch ein Statement ergänzt.)
• Mit Facebook- oder Instagram- oder LinkedIn-Seiten verknüpfen, falls solche vorhanden bei Ihnen sind. Damit kann ich bei Interesse des Kunden eine fortlaufende Bindung erreichen, Aktuelles über mich veröffentlichen und so besser in Erinnerung bleiben.
Text-Copyright Dennis Savini
Lesen Sie auch:
Folge 1: «Fotografisches Sehen lernen» (19. März 2021)
Folge 2: «Den richtigen Moment erfassen» (26. März 2021)
Folge 3: «Den Blick fokussieren» (1. April 2021)
Folge 4: «Available Light-Fotografie» (9. April 2021)
Folge 5: «Mit Licht arbeiten» (16. April 2021)
Folge 6: «Still-Life – das fotografische Handwerk» (23.04.2021)
In der nächsten Folge, die am kommenden Freitag um 16:00 Uhr auf Fotointern erscheint, geht es um PR und Social Media.
Dieser Artikel von Dennis Savini, Leiter der cap fotoschule, ist eine Leseprobe aus dem Buch «Professionell fotografieren lernen», das 2019 im Verlag dpunkt erschienen ist. Das Buch kann im Buchhandel, direkt beim Verlag oder im Ausland hier bestellt werden. Lesen Sie dazu auch die Buchbesprechung auf Fotointern.ch.
216 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
April 2019, Format: 207 x 255 mm
dpunkt.verlag, Heidelberg
Buch ISBN 978-3-86490-504-9
Preise:
Buch CHF 46.90 / EUR 34,90
PDF: EUR 27,99 (ohne DRM) ISBN PDF: 978-3-96088-217-6
E-Book (PDF + ePub + Mobi) EUR 27,99 ohne DRM
Das Buch kann direkt beim Autor oder im Ausland hier bestellt werden.