Ob der bekannte chinesische Filterhersteller NiSi sein erstes Objektiv wirklich selbst herstellt oder ob es in Kooperation mit einem anderen Hersteller entwickelt wurde, konnten wir nicht schlüssig in Erfahrung bringen. Dennoch, NiSi hat grosse Erfahrung im Bereich der optischen Planglasherstellung, und es ist durchaus denkbar, dass sich das Unternehmen nun auch im Objektivmarkt mit Eigenprodukten etablieren will.
Das 4/15mm ist dazu als extremes Weitwinkelobjektiv ein guter Einstieg, denn in diesem Segment gibt es für Vollformat nicht allzu viele Mitbewerber. Und wer Spass an der Weitwinkelfotografie hat, wer mit dieser sehr kurzen Brennweite die extremen Aufnahmestandorte so nutzen kann, dass interessante perspektivische Wirkungen entstehen, der lernt eine neue Welt der Fotografie kennen.
Dass mit einer solch extremen Brennweite und einem Bildwinkel von 112° leicht auch unschöne Effekte entstehen können, wie starke stürzende Linien und Randverzerrungen, kennt man aus der Praxis zur Genüge. Die Kunst mit einem extremen Weitwinkelobjektiv dieser Art ist es, Perspektive und Motivausschnitt so zu wählen, dass diese verräterischen Weitwinkeleffekte möglichst nicht in Erscheinung treten – es sei denn, man wolle damit (in Ausnahmefällen) etwas besonders betonen.
Mit dem NiSi 4/15mm Asph unterwegs
Das erste Objektiv eines neuen Herstellers in der Praxis zu erproben, macht natürlich neugierig. Das war auch beim NiSi 4/15mm Asph nicht anders, das wir mit Sony E-Mount zum Testen bekamen und an einer Sony Alpha 7 III auf einem Spaziergang durch die Allerheiligen Klosteranlage in Schaffhausen mitnahmen. Hier gibt es eine Fülle von Motiven mit einem grossen Kreuzgang, in welchem man perspektivische Fluchten und Schärfentiefe-Effekte gut zeigen kann, sowie einem prachtvollen Kräutergarten, der zu jeder Jahreszeit eine interessante Botanik zeigt.
Beeindruckend, wie man mit den 112° Bildwinkel den Kreuzgang voll erfassen kann. Hier zeigen sich auch die sehr guten Randeigenschaften des Nisi-Objektivs.
Prädestiniert ist das NiSi 4/15mm Asph natürlich für Architekturaufnahmen. Mit dem grossen Bildwinkel kann man die Gebäude in ihrer gesamten Grösse erfassen. Ideal ist, wenn man einen etwas erhöhten Standort wählen kann, damit möglichst keine stürzenden Linien entstehen. Natürlich könnte man diese bei der Bildbearbeitung nötigenfalls korrigieren, doch damit verliert man wieder kostbaren Bildwinkel.
Bei dieser extremen Aufnahme entstehen sie, die stürzenden Linien, doch fallen diese kaum auf, weil das ganz Bild durch den Torbogen «zusammengehalten» wird.
Was gerade bei einem Weitwinkelobjektiv interessiert, ist die Qualität der Vergütung, bzw. die Empfindlichkeit für Blendenreflexe und Geisterbilder bei extremen Gegenlichtaufnahmen. Hier holt sich das NiSi 4/15mm Bestnoten, wie dieses Bild zeigt.
Typisch für Weitwinkelobjektive ist die extreme Schärfentiefe, die man mit Abblenden gewinnen kann. Das Nisi 4/15mm kann bis Blende 22 abgeblendet werden – aber gehen Sie nicht so weit, 11 oder 16 reicht meistens aus. Es droht sonst eine schlechtere Allgemeinschärfe wegen Beugungseffekten. Lobenswert, dass das Nisi 4/15mm eine Schärfentiefeskala aufweist, worauf heute leider die meisten Objektivhersteller verzichten.
Bäume sind eines meiner Lieblingsmotive in der Weitwinkelfotografie. Man kann die Kraft dieser Giganten und die eindrückliche Ausbreitung der grossen Äste über das ganz Bildfeld prachtvoll auskosten, wie hier bei dieser seltenen Pavie im Mosergarten.
Hier steht auch mein geduldigstes Fotomodell, das sich auch hemmungslos am helllichten Tag hüllenlos ablichten lässt. Eigentlich wollte ich damit das Bokeh des Objektivs zeigen. Dieses wirkt zwar zart und ausgewogen, doch braucht es, um den Effekt voll auszukosten, eine höhere Lichtstärke und damit noch weniger Schärfentiefe.
Auch ja, unser Standard-Testmotiv, der Munot als Wahrzeichen von Schaffhausen von der Zürcherseite aus fotografiert, wollte ich Ihnen nicht vorenthalten. Sie kennen das Sujet von unzähligen anderen Objektivtests. Es soll Ihnen hier nochmals den riesigen Bildwinkel demonstrieren. Zum Vergleich sehen Sie weiss umrandet den Bildausschnitt eines 50mm «Normalobjektivs», und rechts einen 200% Extremausschnitt, um die Qualität zu beurteilen.
Unser Fazit
Das NiSi 4/15mm Asph ist praktisch verzeichnungsfrei und weist nur eine sehr geringe natürliche Vignettierung auf. Die Allgemeinschärfe ist gut bis sehr gut, aber ohne Wow-Effekt. Dennoch zeichnet sich das Objektiv durch ein gutes Preis-/Leistungs-Verhältnis aus. Es ist sehr kompakt und wertig gebaut, wiegt bloss 420 Gramm und wird mit seinen geringen Abmessungen (Ø x L = 75.6 x 80.5 mm) gerne mitgenommen.
Mit seinem grossen Bildwinkel bietet es geniale gestalterische Möglichkeiten und ermöglicht Bilder, die mit längeren Brennweiten nicht möglich sind. Ideal auch für Einsteiger in die Weitwinkelfotografie – die eigentliche «Königsdisziplin der Fotografie». Je mehr man mit solch einer extremen Brennweite fotografiert, desto mehr Spass hat man damit und desto unverzichtbarer wird ein solches Objektiv in der Fototasche.
Text und Bilder: Urs Tillmanns
Das NiSi 4/15mm Asph ist für Canon R, Fujifilm-X, Nikon Z, L-Mount und Sony E erhältlich und kostet CHF 898.00.
Weitere Infos:
• Neuvorstellung auf Fotointern vom 25.01.2021
• Produkteseite bei Perrot-Image SA
Nisi-Produkte werden in der Schweiz vertrieben durch
Perrot-Image SA
CH-2560 Nidau
Tel. 032 332 79 79
Top! Danke, werde es mal in Erwähung ziehen…
Ein sehr guter Bericht, der hier morgens um 4 Uhr publiziert wurde. So habe ich den Kreuzgang zu Allerheiligen noch nie gesehen. Praxisnahe die Beispiele, sodass man sogar sehen kann, wie bei Einstellung auf 2 m und Blende 4,5 die Schärfe ab 1 m bis unendlich reicht. Werde das Objektiv für Architekur an einer Sony 7R IV ausprobieren und bin gespannt, wie die Auflösung ist. Bei dem Preis kein Risiko.
Schade, dass es Perrot hier für rund 900 Franken verkauft, denn der NiSi-Shop bietet es in Deutschland für gerade mal 480 € an, was fast die Hälfte ist. Dies trotzt 11 Prozent höherer Steuer.