Licht breitet sich aus, fällt auf Hindernisse, wird absorbiert und gerichtet oder diffus reflektiert, erzeugt Schatten, hellt bestehende Schatten auf … Alle diese und viele weitere Merkmale des Lichts sind allgegenwärtig. Meistens machen wir uns darüber keine Gedanken. In der Fotografie arbeiten wir jedoch mit diesen Phänomenen; vor allem dann, wenn wir nicht einfach mit zufällig vorhandenem Licht arbeiten, sondern das Licht für eine bestimmte Aufnahme «selber machen». Mit «Licht machen» meint der Profifotograf subtil angewandte, bewusst gestaltende Beleuchtungstechnik.
Merkmale des Lichts
In unseren Betrachtungen werden wir von «Lichtstrahlen» sprechen, bzw. solche zeichnerisch darstellen. In Wirklichkeit kann man natürlich einen Lichtstrahl nicht zeichnen. Das Symbol, die Gerade, deren Richtung eindeutig durch die Pfeilspitze bestimmt ist, stellt lediglich eine rein geometrische Abstraktion dar.
Strahlenbündel
Stellt man sich eine kleine, punktförmige Lichtquelle vor, so breiten sich die Lichtstrahlen allseitig radial und dreidimensional aus. Greift man aus dieser Gesamtheit einen bestimmten Ausschnitt heraus, so erhält man ein divergentes Strahlenbündel. Divergente Strahlenbündel unterscheiden sich voneinander lediglich durch ihren Öffnungswinkel. Sie sind in der Natur vorherrschend.
Betrachtet man ein divergentes Bündel einer Lichtquelle, die sich unendlich weit weg befindet, so wird das Bündel zum Spezialfall, zu einem Parallelbündel. Durch künstliche (optische) Mittel können divergente oder parallele Bündel beeinflusst werden, so dass sie in einem Punkt zusammenlaufen. In diesem Falle spricht man von einem konvergenten Bündel. All diese Bündel sind für unsere künftigen Betrachtungen in der Fotografie von Bedeutung. So kann beispielsweise jeder Punkt eines Gegenstandes, der von Licht getroffen wird, als kleinster selbstleuchtender Punkt betrachtet werden, der seinerseits ein divergentes Strahlenbündel aussendet.
Links: Divergentes Bündel; Mitte: Parallelbündel; rechts: Konvergentes Bündel
Bei der Darstellung eines Bildes durch Linsen zeichnet man beispielsweise gerne ein auf das optische System fallendes Parallelbündel. Damit meint man nichts anderes als das Licht eines Gegenstandpunktes, der sich in unendlicher Distanz befindet und durch ein Linsensystem wieder zu einem Punkt, dem Bildpunkt (Brennpunkt) konvergiert wird.
Geradlinige Ausbreitung
Solange das Licht sich ungehindert ausbreitet, bleibt es geradlinig. Um sich das mit alltäglichen Mitteln zu verdeutlichen, stellen wir uns einen Tennisball vor, der von einer annähernd punktförmigen Lichtquelle aus geringer Distanz beleuchtet wird. Die eine Hälfte des beleuchteten Körpers ist dabei hell, die unbeleuchtete Seite liegt im Eigenschatten. Hinter dem Körper bildet sich ein Schlagschatten.
Durch die Beleuchtung desselben Körpers mit zwei punktförmigen Lichtquellen wird der Eigenschatten teilweise aufgehellt. Gleiches geschieht mit dem Schlagschatten. Jede Lichtquelle hellt einen Teil des Schlagschattens auf und lässt sowohl einen Kernschatten als auch zwei Halbschatten entstehen. Je weiter die Lichtquelle vom zu beleuchtenden Körper entfernt ist, um so paralleler verlaufen die Lichtstrahlen und bilden einen entsprechend gegenstandsgetreueren Schlagschatten. Der kleinstmöglichste Schlagschatten entsteht dann, wenn die Lichtquelle unendlich weit entfernt ist (Sonnenschatten).
Links: Eigenschatten und Schlagschatten; rechts: Kern- und Halbschatten
Die Lochkamera
Ein ganz einfaches fotografisches Abbildungsprinzip, das auf dem Prinzip der geradlinigen Ausbreitung des Lichts beruht, stellt die Lochkamera dar.
Stellen wir uns eine kleine punktförmige Lichtquelle vor: Sie sendet allseitig ein divergentes Strahlenbündel aus. Stellen wir nun den Lichtstrahlen eine Blende in den Weg, mag nur ein sehr kleiner Teil der Lichtstrahlen durch die Öffnung treten. Auf einem dahinter sich befindenden weissen Schirm bildet sich ein heller Fleck in Form der Blende. Ist die Öffnung der Blende sehr klein, kann der auf dem Schirm ersichtliche Lichtfleck als Abbildung der punktförmigen Lichtquelle angesehen werden.
Derselbe Eindruck entstünde, wenn wir nicht eine punktförmige Lichtquelle betrachten würden, sondern wenn der «Gegenstand» aus einem weissen Punkt auf schwarzer Fläche bestünde. Allerdings muss dann unser Objekt durch eine andere Lichtquelle beleuchtet sein. Der helle Punkt reflektiert das auffallende Licht divergent und kann einer selbstleuchtenden, punktförmigen Lichtquelle gleichgesetzt werden.
links: Bild einer punktförmigen Lichtquelle; rechts: Abbildungsprinzip der Lochkamera
Darstellung einer Camera obscura um 1800. Zu jener Zeit waren diese eine beliebte Zeichungshilfe. Die Bauart mit dem integrierten Spiegel ergab auf der Mattscheibe ein aufrechtes Bild, das jedoch seitenverkehrt war (Erklärung weiter unten)
Umgesetzt bedeutet diese Überlegung nichts anderes, als dass jeder Gegenstand aus unendlich vielen einzelnen Punkten besteht, die bei Beleuchtung das auffallende Licht divergent reflektieren und praktisch die gleiche Wirkung wie unendlich viele punktförmige Lichtquellen ausüben. Halten wir nun eine kleine Lochblende in das Sammelsurium all dieser divergenten Strahlenbündel, kann von jedem Bündel nur ein ganz geringer Teil die Öffnung passieren und auf einem dahinter sich befindenden Schirm als Punkt sich wieder abbilden. Die Summe all dieser abgebildeten Punkte erzeugt ein reeles Bild des Gegenstandes auf dem Schirm. Nach diesem Prinzip arbeitet die einfachste fotografische Apparatur: die Lochkamera.
Lochkamera-Aufnahme mit einer Ovomaltine-Dose. Der kurze Auszug und die gewölbte Bildebene erzeugen eine Art Weitwinkeleffekt.
Eine Lochkamera (Camera obscura) lässt sich mit jeder lichtundurchlässigen Pappschachtel, einer Ovomaltine-Dose oder einem leeren Farbkessel leicht selber bauen. Die Kamera muss mit einer kleinen Belichtungsöffnung versehen werden. Nehmen wir als brauchbares Beispiel eine leere Ovomaltine-Dose und schneiden zuerst einen quadratischen Ausschnitt aus der Dosenwand. Hinter diesen Ausschnitt kleben wir eine Alufolie, in die danach mit einer dünnen Nähnadel ein Loch gestochen wird. Das abgebildete Beispiel weist zudem einen raffinierten Schiebeverschluss aus einem dünnen Alublech auf, das in einer Führung aus Wellpappe bewegt werden kann. Als Filmbühne dient am besten an die der Belichtungsöffnung gegenüberliegenden Seite geklebte Streifen aus Doppelklebeband, auf dem dann das lichtempfindliche Material haftet.
Verschiedene einfache Lochkameras
Um mit einer Lochkamera eine einigermassen richtige Belichtung durchführen zu können, sollte man ihre Lichtstärke kennen. Die Lichtstärke ist definiert als das Verhältnis zwischen dem wirksamen Durchmesser der Belichtungsöffnung und der Brennweite. Bei einer Lochkamera entspricht die Brennweite der Baulänge. Weist die Kamera eine Länge von 15 cm auf, und hat die Belichtungsöffnung einen Durchmesser von 0,5 mm (0,05 cm), ist die Lichtstärke unserer Kamera: 0,05:15 = 1:300. Die hintere Verhältniszahl des Lichtstärkenverhältnisses ist gleichbedeutend mit der Blendenzahl. Diese Lochkamera arbeitet also mit Blende 300.
Leider ist diese Blende wohl kaum auf dem Belichtungsmesser angegeben. Rechnen wir daher einfach aus, wievielmal länger zu belichten ist als bei Blende 11:
(300:11)2 = Verlängerungsfaktor 743,8.
Die Rechnung sagt, wir müssten mit dieser Kamera rund 750 mal länger belichten als mit Blende 11 (und diese finden wir auf dem Belichtungsmesser).
Der Bau einer einfachen Lochkamera und die Realisation einiger Bilder ist meines Erachtens der wichtigste didaktische Schritt bei der Einführung in die Kunst der Fotografie.
Um den Aufwand zum Beispiel im Unterricht mit einer Schulklasse in Grenzen zu halten, empfehle ich als Aufnahmematerial normales schwarzweisses Vergrösserungspapier. Es entstehen dann zwar negative Bilder, dafür ist die Verarbeitung mit einem Papierentwickler und etwas Fixierbad besonders einfach nachvollziehbar. Zudem gibt es auch geeignetes Direktpositiv-Papier (Bezugsquelle Ars-Imago). Die Resultate sind mit beiden Materialien seitenverkehrt.
Absorption und Reflexion
Energie kann sich in vielen Formen äussern wie beispielsweise Gravitationsenergie, elektrische Energie, Wärmeenergie, chemische Energie usw. Licht als Strahlungsenergie ist nur eine von vielen Energieformen. Energie kann sich von einer Form in eine andere wandeln, jedoch nicht verlorengehen.
Absorption
Uns allen ist bekannt, wie man Licht in eine tiefmatte schwarze Schicht von Russ oder irgendeine andere mattschwarze Substanz senden kann und wie dabei ein Grossteil dieses Lichts «vernichtet» wird. Da man aber Energie nicht vernichten kann, muss die Strahlungsenergie Licht in eine andere – nicht sichtbare – Energieform umgewandelt werden. Man bezeichnet diesen Umwandlungsprozess als Absorption.
Während einer solchen Absorption wird Licht häufig in Wärmeenergie umgewandelt. Aus der Korpuskulartheorie (Folge 1) wissen wir, dass beim Zusammenprall eines Elektrons mit einem Positron Photonen entstehen. Umgekehrt können Photonen beim Eintreten in das Feld eines Atomkerns wieder einen Paarerzeugungsprozess auslösen, das heisst, wieder in die ursprünglichen Elektronen und Positronen zerfallen. Je nach dem atomistischen Aufbau eines Stoffes können diese beiden neu gebildeten Teilchen unter Umständen nicht mehr zusammenstossen, um wiederum ein Photon zu bilden. Tritt dieser Fall ein, spricht man von Absorption.
Reflexion
Ist der atomistische Aufbau des Stoffes dagegen so, dass die beim Paarerzeugungsprozess entstehenden Teilchen wieder zusammentreten können, entsteht eine erneute elektromagnetische Strahlung. Man spricht von Reflexion.
Oft werden von einem Körper nur Photonen absorbiert, die einer Strahlung ganz bestimmter Wellenlängen entsprechen, andere hingegen reflektiert. Wird vom auffallenden weissen Licht ein Grossteil aller Wellenlängen reflektiert und praktisch nichts absorbiert, so sehen wir den getroffenen Körper weiss. Werden hingegen nur bestimmte Spektralanteile reflektiert, andere aber absorbiert, so entstehen Farben.
Körperfarben
Vereinfacht ausgedrückt, entstehen Körperfarben durch Absorption und Reflexion bestimmter Spektralbereiche des weissen Lichts. Weisses Licht können wir uns als Summe blauer, grüner und roter Wellenlängen (Hauptfarben aus dem Spektrum: Blau 400 bis 500 nm; Grün 500 bis 600 nm; Rot 600 bis 700 nm) vorstellen. Fällt ein solches Sammelsurium auf einen weissen Körper, werden sämtliche Wellenlängenanteile reflektiert. Fällt dasselbe Wellenlängenpaket auf einen schwarzen Körper, wird alles absorbiert, nichts reflektiert, wir sehen «kein Licht» mehr, der Körper erscheint uns schwarz. Bei einem grauen Körper wird gleichmässig ein bestimmter Anteil aller Wellenlängen absorbiert und der Rest reflektiert. Ein blauer Körper absorbiert alle Wellenlängen, ausgenommen die blauen, ein grüner Körper reflektiert lediglich die grünen und ein roter die roten Wellenlängen.
Körperfarben entstehen durch Absorption und Reflexion einzelner Spektralfarbanteile.
Komplizierter liegen die Verhältnisse bei Sekundärfarben. Ein Körper erscheint uns deshalb gelb, weil er vom auffallenden weissen Licht die blauen Wellenlängen absorbiert und die grünen und roten reflektiert. Ein Körper der Mischfarbe Magenta (Purpur = Blaurot) reflektiert Blau und Rot, während er Grün absorbiert. Bei einem blaugrünen Körper (Cyan) verhält es sich gleich. Hier werden Blau und Grün reflektiert und Rot absorbiert.
Komplementärfarben
Weisses Licht setzt sich aus Blau, Grün und Rot zusammen. Entfernen wir mit irgendeiner Methode aus diesem Spektrum den gesamten Anteil an blauer Strahlung, bleibt Grün und Rot = Gelb zurück. Blau und Gelb bezeichnet man als Komplementärfarben oder zu deutsch Ergänzungsfarben. Der deutsche Ausdruck trifft den Nagel genau auf den Kopf. Komplementärfarben sind nämlich Ergänzungsfarben, die sich bei additiver Mischung gegenseitig zu Weiss, bei subtraktiver Mischung zu Schwarz ergänzen. Handelt es sich bei diesen Farben um Filter, so löschen diese gegenseitig ihre durchgelassenen Strahlen aus.
Komplementärfarbene Filter übereinandergelegt, lassen kein Licht passieren.
Nehmen wir als Beispiel ein Gelbfilter. Dieses erscheint uns in der Durchsicht gelb, weil es blaue Strahlen absorbiert und lediglich grüne und rote passieren lässt. Legen wir auf diesen Filter ein Blaufilter, der seinerseits nur für blaue, nicht aber für grüne und rote Strahlen passierbar ist, kann kein Licht mehr durch diese Filterkombination treten.
Geometrische Reflexion
Zurückreflektierende Photonen verhalten sich gleich wie Bälle oder Billardkugeln. Treffen sie in einem bestimmten Winkel auf die Reflexionsfläche auf, so werden sie in eben diesem Winkel auch wieder reflektiert. Das Reflexionsgesetz lautet: Einfallswinkel ε = Reflexionswinkel (Ausfallswinkel) ε‘. Dabei müssen wir beachten, dass die Winkel immer vom Lot (Senkrechte auf der Reflexionsfläche) aus gemessen werden. Der einfallende Strahl, das Lot und der reflektierende Strahl liegen in einer Ebene.
Reflexionsgesetz: Einfallswinkel gleich Reflexionswinkel
Mit anderen Worten beträgt der Einfallswinkel eines mit dem Lot senkrecht auf die Fläche auftreffenden Strahles 0°. Der Strahl reflektiert in sich zurück, daher ist der Reflexionswinkel natürlich auch 0 (mittlere Abbildung). Die Abbildung ganz rechts zeigt einen weiteren Grenzfall. Hier streift der einfallende Strahl gerade auf der Oberfläche der Reflexionsfläche. Einfallswinkel und Reflexionswinkel betragen daher je 90°.
Gerichtete und diffuse Reflexion
Fällt ein Parallelbündel auf eine absolut ebene Fläche, wird jeder einzelne Strahl gemäss dem Reflexionsgesetz reflektiert. Da der Einfallswinkel in diesem Fall bei sämtlichen Strahlen gleich ist, bleibt das reflektierte Bündel – wie das einfallende – parallel und in dieser Hinsicht unverändert. Es handelt sich um eine gerichtete Reflexion.
Fällt dasselbe Bündel hingegen auf eine nicht ebene Fläche, deren Oberfläche zum Beispiel gekörnt ist, verändert sich je nach Oberflächenort die Lage des Lots. Die Einfallswinkel sind sehr unterschiedlich. Gemäss Reflexionsgesetz sind dies dann auch die Reflexionswinkel und das ursprünglich parallele Bündel wird in alle Richtungen zerstreut. Die untere Abbildung rechts zeigt einen stark vergrösserten Ausschnitt einer nicht ebenen Oberfläche sowie die einfallenden parallelen und die reflektierten Strahlen. Wird der Charakter eines einfallenden Bündels durch die nicht ebene Oberfläche einer Reflexionsfläche verändert – werden die Strahlen also in alle Richtungen zerstreut – so handeltn es sich um eine diffuse Reflexion.
Gerichtete und diffuse Reflexion.
Auch die scheinbar glatte Oberfläche eines mattgestrichenen Papiers reflektiert diffus. Unter dem Mikroskop offenbart eine matte Oberfläche nämlich eine ausgeprägte Körnigkeit. Glänzende Kunstdruckpapiere hingegen sind porenausfüllend satiniert und neigen zu einer stärker gerichteten Reflexion.
Spiegel
Die grösste Erfahrung mit gerichteter Reflexion besitzen wir im täglichen Leben mit Spiegeln. Normalerweise haben wir es mit «gewöhnlichen» Spiegeln zu tun. Bei solchen besteht die spiegelnde Schicht aus Silber oder heute meistens aus Aluminium auf einem Trägermaterial. Zum Schutz der Spiegelschicht ist auf die Oberfläche eine möglichst planparallele Glasplatte montiert. Im Gegensatz dazu besitzen optische Spiegel keine schützende Glasschicht und verursachen daher keine Doppelbilder
Stellen Sie sich vor den Badezimmerspiegel und zupfen Sie sich dabei am rechten Ohrläppchen. Das Abbild im Spiegel ist gleich gross, aufrechtstehend, aber seitenverkehrt (Ihr Spiegelbild zupft sich am linken Ohr). Das Bild befindet sich im gleichen Abstand hinter dem Spiegel, wie sich der Gegenstand vor ihm befindet. In Tat und Wahrheit befindet sich das Bild natürlich nicht hinter dem Spiegel, es erscheint uns lediglich dort. Wir sprechen deshalb von einem virtuellen Bild.
Entstehung des virtuellen Bildes in einem Spiegel
Die Entstehungsverhältnisse können wir anhand obiger Abbildung erkennen. Nehmen wir als Gegenstand einen leuchtenden Punkt P an. Von diesem Punkt strahlt ein divergentes Bündel allseitig aus, von dem wir nur einen beschränkten Öffnungswinkel der auf die Spiegelebene fallenden Strahlen betrachten. Die auf den Spiegel auftreffenden Strahlen reflektieren gemäss Reflexionsgesetz gegen das Auge des Betrachters. Der Betrachter sieht also gewissermassen um die Ecke, glaubt jedoch, das Abbild des Punkts – den Punkt P‘ – hinter dem Spiegel im Schnittpunkt der rückwärts verlängerten Reflexstrahlen zu erkennen.
Winkelspiegel und Pentaprisma
Versuchen Sie zwei Spiegel im Winkel von 45° bis 90° zueinanderzustellen und sich darin zu betrachten. Sie stellen fest, dass durch den Winkelspiegel die Seitenverkehrtheit des Spiegelbildes aufgehoben wird. Für fotografische Zwecke kommen solche Spiegel nicht in Betracht, wenn man davon absieht, dass das Prinzip im Dachkantenprisma bei Spiegelreflexkameras eingesetzt wird. Maler hingegen haben den Winkelspiegel oft verwendet, wenn Sie von sich ein Selbstportrait anfertigten.
Anstelle des Winkelspiegels verwendet man in der Fotografie häufig das Pentaprisma. Die Flächen 2 und 3 stehen unter einem Winkel von 45° zueinander. Das Pentaprisma wirkt deshalb wie ein Winkelspiegel, hat aber den Vorteil feststehender Flächen, die sich gegenseitig nicht verschieben lassen.
Winkelspiegel und Pentaprisma erzeugen seitenrichtige Spiegelbilder.
Das Dachkantenprisma, so genannt, weil es an seiner Oberseite (entsprechend der Fläche 2 des Pentaprismas) eine dachförmige Abschrägung aufweist, hebt die Seitenverkehrtheit des Mattscheibenbildes bei Spiegelreflexkameras auf. Die Dachkante wirkt wie ein Winkelspiegel, in dem sich das seitenverkehrte Mattscheibenbild gleichbleibend spiegelt, bevor es von der Vorderkante des Prismas bei der Reflexion wieder gekehrt wird.
Das Dachkanten-Pentaprisma hebt die Seitenverkehrtheit des Mattscheibenbildes auf.
Gekrümmte Spiegel
Die einfachste Art eines gekrümmten Spiegels stellt der Ausschnitt einer Kugel dar. Ist die Spiegelfläche nach aussen gewölbt, spricht man von einem Konvexspiegel, ist sie nach innen gewölbt, von einem Konkavspiegel. Alle Spiegel, deren Wölbung zur Kugel ergänzt werden kann, bezeichnet wir als sphärische Spiegel. Daneben gibt es auch Hohlspiegel mit paraboloider Form.
Strahlen, die auf die Oberfläche eines Konvexspiegels auftreffen, werden ebenfalls nach dem Reflexionsgesetz reflektiert. Bei ebenen Spiegeln steht das Lot senkrecht auf der Grenzfläche. Gleich ist es bei sphärischen Spiegeln. Die «Senkrechte» ist hier die direkte Verbindung der Kugeloberfläche mit dem geometrischen Mittelpunkt der Kugel.
Links: Konvex- und Konkavspiegel. mitte: Reflexion am Konvexspiegel. rechts: Beim Konkavspiegel werden Parallelstrahlen zu Brennpunktstrahlen und umgekehrt.
Das Reflexionsverhalten von Lichtstrahlen am sphärischen Konkavspiegel lässt sich aufgrund der gemachten Erfahrungen am Konvexspiegel ohne weiteres ableiten. Auch hier ist das Lot die direkte Verbindung zwischen dem Krümmungsmittelpunkt und dem betreffenden Punkt an der Spiegeloberfläche. Sphärische Konkavspiegel haben in der Fotografie Bedeutung als Spiegelobjektive oder Beleuchtungsreflektoren. Befindet sich eine punktförmige Lichtquelle genau im Brennpunkt eines Konkavspiegels verlassen die
vom Spiegel reflektierten Strahlen das System als parallele Strahlung. Es liegt auf der Hand, dass Beleuchtungsreflektoren die Funktion von (glänzenden oder matten) Konkavspiegeln aufweisen.
Beleuchtungstechnik
Die Begriffe Absorption und Reflexion haben insbesondere auch in der Beleuchtungstechnik grosse Bedeutung.
Direkte Beleuchtung
Die Wirkung einer direkt auf das Objekt gerichteten Beleuchtung ist abhängig von der Leuchtenart, deren Flächenausdehnung und Strahldistanz. Bei jeder direkt auf das Objekt gerichteten Beleuchtung wird eine hohe Farbsättigung erreicht, doch entstehen mehr oder weniger ausgeprägte Schlagschatten, deren bildgestalterischer Einsatz bei der Lichtführung Kenntnisse und Fingerspitzengefühl verlangt. Und so kommt es natürlich nicht von ungefähr, wenn zum Beispiel in der Stilllife-Fotografie der direkte Einsatz eines harten Lichts eher gemieden und nach Alternativen bei der Schattenbildung gesucht wird.
Links: Kurzer Beleuchtungsabstand erzeugt grossen Schatten. mitte: Grösserer Beleuchtungsabstand. rechts: Unendlich grosser Beleuchtungsabstand = Sonnenschatten.
Die nachfolgende Farbaufnahme des Schminksets versucht, diese Überlegung zu verdeutlichen. Wie die Skizze der Aufnahmesituation zeigt, ist als Hauptlichtquelle eine Leuchte mit engem Konus (1) relativ weit vom Objekt entfernt platziert. Die Leuchte erzeugt auf der als Untergrund verwendeten Kunstharzplatte einen vergleichsweise harten Schattenwurf, der die Form des Schminksets wiederholt.
Denselben Effekt hätte man durch einen Acrylschatten erreichen können, das heisst, durch die Aufnahme auf einer schwarzen, hochglänzenden Acrylplatte und weicher Beleuchtung durch eine Grossflächenleuchte. Der so simulierte Schattenwurf wäre dann aber nur die Spiegelung der unbeleuchteten Unterseite des Objekts. Bei der vorliegenden Aufnahme wurde die direkte Beleuchtung vorgezogen, um gleichzeitig auf dem irisierenden Schminkfarbstoff kleinste Spitzlichter zu erzielen, die ja nichts anderes als Spiegelungen der Hauptlichtquelle darstellen.
Beleuchtung mit indirektem und diffusem Licht
Das in der Studiofotografie meist gebrauchte Licht ist indirektes, weiches Licht. Man kann grundsätzlich zwei verschiedene Arten dieser Lichtart unterscheiden: Licht, das durch Reflexion und Licht, das durch Diffusion gestreut wird. Die erste Variante ist tatsächlich indirekt, indem das Licht beispielsweise über ein Reflexmaterial auf das Objekt geworfen wird. Je nach Beschaffenheit des Reflexmaterials und dem Abstand zum Objekt entsteht das Licht einer leicht oder stark verschleierten Sonne. Die zweite Variante ist Licht, das durch Diffusion auf das Objekt fällt, indem die Leuchte durch ein Diffusionsmaterial strahlt.
Geeignet sind beispielsweise grossformatige Reflexschirme mit metallisierten oder weissen Innenflächen, in die normale Beleuchtungsstrahler hineinleuchten. Vorteile dieser Reflexschirme sind das geringe Gewicht, die gute Transportierbarkeit und die Möglichkeit, normale Leuchten – wie sie auch für die direkte Beleuchtung Verwendung finden – einzusetzen. Nachteilig ist das etwas unkontrollierbare Streulicht, was zu einer reduzierten Farbsättigung führen kann.
Ein diffuses Licht mit gegenüber Reflexschirmen unvergleichlich besseren Farbsättigung erzeugen Flächenleuchten, bestehend aus Leuchtelement, Blitzröhre, Reflektor und Diffusor. Das entstehende Licht gleicht demjenigen eines bewölkten Himmels. Erreicht wird dieses Traumlicht durch ein Leuchtelement mit einer hochreflektierenden Innenbeschichtung und einer vorgespannten, extrem lichtdurchlässigen Streufolie. Die Konstruktion solcher starr gebauter Flächenleuchten, bei denen sich bei einigen Ausführungen vor der Blitzröhre ein rückstrahlender Reflektor befindet, ermöglicht ein völlig gleichmässiges Ausleuchten des Diffusors.
Grossflächenleuchten dieser Art eignen sich auch für das Setzen übergrosser Reflexe auf hochglänzenden Gegenständen; denken Sie dabei beispielsweise an glänzendes Besteck, aber auch grosse Objekte wie ganze Autos usw.
Schliesslich gibt es noch textile Flächenleuchten. Es handelt sich dabei um faltbare Grossreflektoren, die am Bajonett einer Blitzleuchte montiert werden können. Der Zusammenbau der in vielen Grössen lieferbaren Flächenleuchten innert weniger Minuten kann am Aufnahmeort geschehen. So hat man auch «on location» Grossflächenleuchten zur Verfügung.
Weil bei den textilen Flächenleuchten die Blitzröhre nach vorne nicht abgedeckt ist, entsteht ein etwas härteres Licht als bei starren Flächenleuchten mit geringfügigem Helligkeitsabfall gegen die Diffusor-Ecken. Dieser Hot-Spot-Effekt wird geschätzt und die textilen Leuchten aus diesem Grund oft den starren Flächenleuchten vorgezogen.
Für diese Beauty-Aufnahme wurden mehrere grossflächige Textilleuchten eingesetzt, die zu einer schattenarmen Modulierung der Haut des Modells führten, ohne jedoch die Faltenbildung des Unter- und Hintergrund-Satins zu beeinträchtigen.
© by Jost J. Marchesi
In der 3. Folge am nächsten Freitag geht es darum, wie ein optisches Medium das Licht bricht.
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Folge 1: «Licht, das «Rohmaterial» der Fotografie» (28.05.2021)
Beim Verlängerungsfaktor von über 700 bei Blende 11 muss man ja fast in Stunden rechnen. Ich musste einfach darüber schmunzeln.
LG Bernhard
Ganz so lange dauert es dann auch nicht. Gibt der Belichtungsmesser bei Blende 11 1/30 Sekunde aus, ergibt dies beim erwähnten Verlängerungsfaktor 700 mal 1/30 = 700 : 30 = 23,3 Sekunden. Also keine Bange, Sie müssen nicht in Stunden, ja nicht mal in Minuten rechnen… Aber ich freue mich natürlich über jedes Schmunzeln!