Urs Tillmanns, 5. Juni 2021, 10:00 Uhr

Buchtipp: Albert Steiner / Ralph Feiner – Architekturfotografie 1941/2020

Auch wenn Sie sich nicht sonderlich für den Kantonsspital Graubünden interessieren, und diesen vor allem lieber von aussen als von innen sehen, so ist dieses Buch für Sie wahrscheinlich doch interessant. Es ist eine spannende Gegenüberstellung der Architekturfotografie vor 80 Jahren und derjenigen von heute. Albert Steiner (1877-1965) und Ralph Feiner (*1961) hatten beide den Auftrag, das neue, beziehungsweise umgebaute Spital 1941 und 2020 zu dokumentieren. Der eine anlog mit grossformatigen Planfilmen oder Glasplatten, der andere mit moderner Digitaltechnik. Daraus ist mehr als eine interessante Architekturdokumentation geworden, sondern eine spannende Gegenüberstellung unterschiedlicher Interpretationen, Auffassungen und Stilfreiheiten.

Albert Steiner gehörte zu den bekanntesten Fotografen des Engadins und hatte berühmte Namen wie Jean Moeglé, Fred Boissonnas und Walther Küpfer als Vorbilder. Mit seinem Fotostudio in St. Moritz hatte er sich vor allem auf die Landschaftsfotografie spezialisiert und wurde bald mit zahlreichen Publikationen und Postkartenausgaben berühmt. So traf der Kanton Graubünden sicher 1941 die richtige Wahl das neu eröffnete Spital in Chur durch ihn fotografisch dokumentieren zu lassen. Was dabei entstand, sind perfekte Architekturaufnahmen im klassischen Schwarzweiss-Stil, technisch und gestalterisch makellos – so wie es damals zum Leistungsausweis eines guten Fotografen gehörte.

Achtzig Jahre später erhielt der bekannte Architekturfotograf Ralph Feiner denselben Auftrag, nachdem das Kantonsspital von Grund auf renoviert und modernisiert worden war. Feiner geht den Auftrag, der Zeitepoche entsprechend, anders an – zeitgemäss mit einer Digitalkamera und viel freieren Interpretationen als dies zur Zeit Steiners möglich und vom Auftraggeber gewünscht war. Die Farbe ist in Spiel gekommen, der höhere Dynamikumfang bringt mehr Details in den Lichtern und Schatten an den Tag, und moderne Weitwinkelobjektive lassen ganz andere Perspektiven zu als zu Steiners Zeiten.

Mit dem Buch wird ein hoch interessantes Experiment mit dem Wandel der Architekturfotografie an ein- und demselben Gebäude präsentiert – von zwei auf dieses Gebiet spezialisierte Fotografen zu unterschiedlichen Zeitepochen. Es zeigt nicht nur die Veränderungen der technischen Möglichkeiten, sondern vor allem ein ganz andere Auffassungs- und Auftragsvorgabe in einer Zeitspanne von achtzig Jahren.

Abgesehen von dieser interessanten fotografischen Gegenüberstellung ist das Buch eine reichhaltige Dokumentation zur Architektur des Kantonsspitals Graubünden mit handgezeichneten Originalplänen und aufschlussreichen Erklärungen zu dessen Bau aus der Feder kompetenter Fachautoren.

Für wen ist dieses Buch? Für die meisten unserer Leserinnen und Leser steht die unterschiedliche Interpretation der beiden Fotografen mit einer Zeitspanne von achtzig Jahren im Vordergrund. Es zeigt welchen Wandel die Architekturfotografie geprägt hat und wie die technischen Mittel unterschiedliche Bilder ermöglichen. Anderseits dürfte das Werk auch viele Leute interessieren, die sich mit Architektur befassen und in dieser Dokumentation ein interessantes Beispiel finden, wie ein Altbau bei laufendem Betrieb auf Moderne getrimmt werden konnte.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

1941 wurde der berühmte Engadiner Landschaftsfotograf Albert Steiner damit beauftragt, das im selben Jahr fertiggestellte Rätische Kantons- und Regionalspital der Zürcher Architekten Fred G. Brun und Rudolf Gaberel in Chur zu fotografieren. Aus dem Auftrag an Steiner ist ein einmaliges Zeitdokument in Form gut erhaltener fotografischer Abzüge entstanden.

Achtzig Jahre später wird das Grossprojekt «Sanierung, Umbau und Neubau» (SUN) des nun Kantonsspital Graubünden genannten Krankenhauses nach den Plänen des in Frauenfeld beheimateten Büros Staufer & Hasler realisiert. Den ersten Teil des Neubaus hat der bekannte Bündner Architekturfotograf Ralph Feiner im Jahr 2020 dokumentiert.

In diesem Buch erzählen Albert Steiners analoge Fotografien und Ralph Feiners digitale Farbbilder von den Entwicklungen in der Fotografie und der Spitalarchitektur. Aus ihrem Blick auf die Bauten in Chur sind auch die gewandelte Bedeutung des Gesundheitswesens und die deutlich gesteigerten Ansprüche unserer Gesellschaft an Krankenhäuser ablesbar.

 

Der Inhalt

Walter Reinhart: Am Puls der Zeit – Bilder eines Spitals

Fotografie Albert Steiner, 1941

Karin Fuchs: Bauen, umbauen, erweitern

Visualisierung und Pläne, von Hand – Brun und Gaberel, 1941

Visualisierung und Pläne, computerassistiert – Staufer & Hasler, 2020

Köbi Gantenbein: Von Steiner zu Feiner
Bilderbeispiel vom alten zum neuen Kantonsspital

Fotografie Ralph Feiner, 2020

Stephan Kunz: Blickwechsel

Bildlegenden, Biografien, Impressum

 

Bibliografien

Albert Steiner (1877-1965) absolvierte 1892 eine Fotografenlehre bei Jean Moeglé in Thun. 1897 Anstellung beim Fotografen Fred Boissonnas in Genf, 1906 bei Walther Küpfer in St. Moritz. 1909 Eröffnung eines eigenen Fotostudios in St. Moritz. Er entwickelte sich zu einem der herausragenden Schweizer Fotografen des 20. Jahrhunderts, bekannt für seine einzigartigen Landschaftsfotografien aus dem Engadin. Publikationen: 1927 Engadiner Landschaften; 1930 Schnee, Winter, Sonne; 1938 Die vier Jahreszeiten; 1992 Du grosses stilles Leuchten. 2005 Ausstellung über Tälern und Menschen – Albert Steiner. Das fotografische Werk im Bündner Kunstmuseum, Chur, und in der Fotostiftung Schweiz, Winterthur.

Ralph Feiner (*1961) eignete sich die Kunst der Fotografie autodidaktisch an. Seit 1995 als Architekturfotograf tätig, gilt er als Chronist der zeitgenössischen Architektur in Graubünden und darüber hinaus. Seine Fotografien wurden in zahlreichen Büchern und Architekturzeitschriften publiziert. Teilnahme an Gruppenausstellungen in Flims, Sydney, Basel. Chur und Zürich. Er erhielt 2013 den Anerkennungspreis der Stadt Chur und 2021 denjenigen des Kantons Graubünden.

Karin Fuchs ist Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturforschung Graubündens.

Köbi Gantenbein ist Verleger und Chefredaktor der Architekturzeitschrift «Hochparterre» und Autor zahlreicher Reportagen und Publikationen zur Baukultur des Kantons Graubünden.

Stephan Kunz ist Kunsthistoriker und Direktor des Bündner Kunstmuseums in Chur sowie Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen.

Walter Reinhart ist ehemaliger Chefarzt des Kantonsspitals Graubünden und Präsident der Stiftung Bündner Kunstsammlung.

 

Bibliografie

Albert Steiner / Ralph Feiner:
«Architekturfotografie des Kantonsspitals Graubünden 1941/2020»
Gesundheit im Fokus: Albert Steiners und Ralph Feiners Blick auf ein Krankenhaus

152 Seiten, gebunden, Hardcover,
Format 22 x 29 cm, 1. Auflage, 2021
33 Schwarzweissbilder von Albert Steiner
35 Farb- und 3 Schwarzwissbilder von Ralph Feiner
diverse Zeichnungen und Pläne
Herausgegeben von Walter Reinhart.
Mit Textbeiträgen von Karin Fuchs, Köbi Gantenbein, Stephan Kunz und Walter Reinhart
In Zusammenarbeit mit dem Kantonsspital Graubünden
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
CHF 49.00 | EUR 48.00
ISBN 978-3-85881-689-4

Das Buch kann im Buchhandel erworben, direkt beim Verlag bestellt oder im Ausland hier geordert werden.

 

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