Gastautor/-in, 25. Juli 2021, 13:33 Uhr

Praxisreport: Mit der Sigma fp-L in Schaffhausen unterwegs

Nachdem Christian H. Hildebrand die Sigma fp bereits ausführlich auf der Insel Elba testete (Fotointern berichtete) liegt nun die Weiterentwicklung dieser spiegellosen Vollformatkamera vor. Was gleich geblieben ist, ist die kompakte Form der Kamera, was an der fp-L neu ist, ist der Sensor mit 61 Megapixel und der ansteckbare Sucher. Christians Fazit: «Richtig vergleichbar sind die beiden Sigma fp-Modelle eigentlich gar nicht». Lesen Sie hier seine Erfahrungen.

Schier unglaublich, dass in dieser kleinen Vollformat-Systemkamera ein 61mp Sensor werkelt, der eine solch fantastische Bildqualität liefert. Aber schön der Reihe nach: Etwas Fingerspitzengefühl ist beim seitlichen Montieren des elektronischen Suchers EFV-11 gefragt, um die sensiblen Anschlüsse nicht zu verwürgen. Sitzt er aber mal dran, offenbart er ein gutes Sucherbild. Sehr nützlich ist auch die Möglichkeit des Hochklappens des Suchers in die vertikale Position, sowohl bei einem Stativeinsatz wie auch bei der Streetfotografie.

Im Gengensatz zur Sigma fp (links) kann an das Gehäuse der neueren fp-L ein LCD-Monitor abgesetzt werden, der nach oben geklappt werden kann

Zusammen mit dem anschliessend montierten Handgriff HG-21 liegt die Kamera richtig angenehm in der Hand und ist immer noch überraschend kompakt. Die Tragriemenösen werden mit ¼ Zoll Schrauben an die Kamera geschraubt – wie schon bei der kleineren Schwester. Eine sehr clevere Lösung!

 

Der Rheinfall, ein Naturspektakel, welches immer wieder fasziniert (14 mm f8)

Mit vier Objektiven, dem Sigma 1,8/14mm DG HSM Art, dem Sigma 2,0/35mm DG DN 1 Contemporary, dem Sigma 2,8/45mm DG DN 1 Contemporary und dem Sigma 1,8/135mm DG HSM Art ging’s zwei Tage durch die Rheinfall-Region durch Neuhausen und in die pittoreske Schaffhauser Altstadt auf Fotopirsch. Zur Basisausrüstung gesellte sich später noch ein Novoflex LET/NIK Objektivadapter, welcher es ermöglicht, an der fp-L Nikon Objektive mit mechanischer Blendensteuerung zu verwenden. Daran kam ein Nikkor 60mm Micro AF-D zum Einsatz, welches für mich auch heute noch den Massstab in Sachen Schärfe setzt.

 

Kaffirlimetten-Blüte, aufgenommen mit dem Mikro-Nikkor 2,8/60mm und Novoflex-Adapter, f8

Es waren zwei Tage mit Sonne und Wolken. Hohe Kontraste, starke Lichter und Schatten waren vorprogrammiert; ideale Bedingungen, um den Dynamikumfang des neuen 61 Megapixel-Sensors auszuloten. Weiter war ich gespannt, welchen Detailreichtum der Sensor in Zusammenarbeit mit den vier Objektiven bieten würde. Durch das modulare Design bietet sich die Kamera an, sowohl perfekt in spezielle Rigs montiert, wie auch für den Drohneneinsatz verbaut zu werden. Mein Erfahrungsbericht aber sollte ihre Alltagstauglichkeit als höchsten Ansprüchen genügende «Immerdabei-Kamera» unter Beweis stellen. Das hat sie bravourös bestanden. Sie hat mit dem sehr kompakten, lichtstarken 35er Objektiv praktisch in jeder Handtasche Platz und ist so immer bereit für Motive, wo man schnell sein muss.

 

Kompaktgepäck – ideal für den Städtebummel

Wer mit leichtem Gepäck unterwegs ist und sich für ein wenig «Fusszoom» nicht zu schade ist, hat mit der fp-L mit ihren 61MP – was auch grösszügiges Beschneiden ermöglicht – wahrlich ein extrem kompaktes Kraftpaket bei sich. Man ist für fast jede fotografische Situation gewappnet.

 

Der Herrenacker-Platz in Schaffhausen. Die weisse Wolken setzen einen bildmässigen Höhepunkt (35mm f8)

Eine Action-Kamera ist sie nicht; die Einschaltzeit ist nicht rekordverdächtig und der Autofokus beisst bei sich schnell bewegenden Objekten nicht immer sofort fest. Diesen Anspruch hat die Kamera aber auch nicht. Dafür bietet sie extreme Bildqualität mit grosser Auflösung trotz kleinsten Abmessungen.

 

Extreme Hell-/Dunkel-Unterschiede im Kreuzgang Allerheiligen bewältigt der Dynamikumfang Sensors spielend. (14mm, f2.8)

 

Im Kräutergarten des Klosters Allerheiligen (14mm, f4.5)

Auch die hohe Bildqualität ist ein besonderer Augenmerk Wert, denn die hat es wahrhaft in sich. Das Vorschau-JPG eines in der Altstadt fotografierten farbigen alten Hauses im gleissenden Gegenlicht, lässt den unglaublichen Dynamikumfang und den Detailreichtum der DNG-RAW Datei nicht erahnen, welche das Fotografenherz später am Bildschirm wirklich höherschlagen lassen.

 

Das «Haus zum Ritter» – eines der schönsten Häuser in Schaffhausen: satte Dynamik aus dem 61mp-Sensor (15mm, f8)

Der Tiefenregler meines RAW-Converters hat schon fast magische Kräfte und zaubert aus den Schatten satte, akkurate Farben und haarfeine Details hervor. Auch in den Lichtern finden sich stattliche Reserven:

Schäumende Wassermassen am Rheinfall zeigen vollen Detailreichtum (135mm, f5.6)

Die JPGs aus der Kamera weisen eine sehr hohe Qualität auf und lassen einiges an Bearbeitung zu. Wer jedoch die Möglichkeiten der RAWs erlebt hat, möchte diese nicht mehr missen.

 

Die Front des Stadttheaters in Schaffhausen: links ab RAW, rechts unbearbeitetes JPG (35mm, f8)

 

Ein echter Schnappschuss: Fensterliebe in der Altstadt von Schaffhausen  (135mm, f4)

 

Die Sigma fp und fp-L in hohen ISO-Bereichen

Das Rauschverhalten der beiden Kameras bei hohen Empfindlichkeiten ist eindrücklich. Hier hat die fp-L, die bis auf ISO 102’400 geht, gegenüber der fp einen leichten Vorsprung. Die Vergleichsreihen zeigen einen etwa 50%-Ausschnitt mit den Empfindlichkeiten ab ISO 800 – darunter sind keine Unterschiede feststellbar.

 

 

Das Rauschverhalten der Sigma fp ist, wie schon früher berichtet, sehr gut. ISO Werte bis 1600 erbringen eine tadellose Bildqualität. ISO 3200 und 6400 zeigen etwas Detailverlust, was aber beim Betrachten kaum stört; die Bilder sind immer noch sehr gut brauchbar. ISO 12’800 hat merklichen Detailverlust, wer aber mit RAW fotografiert und die Bilder sensibel aufarbeitet wird erstaunt sein, was aus den Bilder noch zu holen ist. ISO 25’600 ist zur Not brauchbar, aber nicht mehr wirklich schön.

Was das Rauschverhalten der Sigma fp-L anbelangt, war ich bass erstaunt. Bis ISO 1600 ist die Bildqualität makellos. ISO 3200 bis 12’800 (!) Bilder haben leichte Detailverluste, die aber erst bei grosser Vergrösserung wirklich störend in Erscheinung treten. Bei ISO 25’600 ist der Detailverlust erheblich, was aber nicht weiter erstaunt. ISO 51200 und ISO 102400 sind erwartungsgemäss nicht mehr wirklich brauchbar. Zusammengefasst ist das ein bravouröses Fazit; besonders wenn man die riesige Auflösung der Kamera dazu in Relation setzt.

 

 

Ein Corona-konformes Skelett blickt aus dem Fenster eines Altstadthauses auf das maskenlose Treiben auf dem Fronwagplatz (135mm f3.2)

 

Stahlplastiken von Schudel Metallbau in Neuhausen. Mit der hohen Auflösung zeigt das Bild eine sehr detailreiche Wiedergabe (135mm, f5.6)

Das Sigma 1,8/135mm DG HSM Art taugt auch mal als Makro-Objektiv wenn’s pressiert. Eine schöne Blume mit Käfer drauf gesehen, etwas näher ran und – auslösen! Am Rechner lässt sich das Bild noch etwas zuschneiden und schon zeigt sich die Blüte mit Bestäuberin in voller Pracht.

 

Feuerwanze auf Günsel-Blüte, aufgenommen mit dem Sigma 1,8/135 mm  (135mm f6.3)

Müsste ich mich für eines der vier Objektive als «immer-dabei-Linse» entscheiden, wäre es das Sigma 2,0/35mm DG DN 1 Contemporary: Kompakt, lichtstark, schnell, knackscharf und meine Lieblingsbrennweite. Es lässt interessante Perspektiven zu und ist ein ideales Reportage-Objektiv.

 

Detailreichtum am Eisengeländer (35mm f2)

Dank Leica L-Bajonett sind die fp und fp-L sehr empfänglich für Adaptionen fremder Objektive; einerseits mittels diversen Adaptern aus eigenem Hause aber auch von Fremdadapterherstellern wie der bayrischen Firma Novoflex, die seit langem für Präzisionsadapter bekannt ist.

 

Detailaufnahme mit dem Micro-Nikkor 60mm AF-D, ISO 100 mit 1.5 Sek. Belichtung bei f8

Mit dem Novoflex LET/NIK Adapter konnte ich z.B. ein Micro Nikkor 60mm AF-D anschliessen. Die Beispielbilder beweisen, dass die fp-L auch mit fremden Objektivperlen und passendem Qualitätsadapter bestens harmoniert.

 

Der stufenlose Aufgang im Innern des Munots

Ist man einmal verwöhnt, hat man bald wieder neue Ansprüche. Neben allen positiven Erfahrungen, die wir sowohl mit der Sigma fp als auch mit der neueren fp-L machen konnten, gibt es einige Punkte, die mir als verbesserungswürdig auffallen.

• Die Sigma fp-L ist sehr energiehungrig, daher empfiehlt es sich, an einem langen Fototag genügend Akkus dabei zu haben. Oftmals war nach 250 Bildern Schluss, obwohl ich die automatische Bildvorschau immer ausgeschaltet hatte.

• Das direkte Laden über USB ist zwar möglich, aber unterwegs nicht praxistauglich. Es wird daher empfohlen, ein Ladegerät zusätzlich zu bestellen.

• Das Montieren des elektronischen Suchers ist etwas fummelig, so man die feinen Pins nicht verletzen will.

• Der Druckwiderstand am rückwärtigen Daumenrad wurde gegenüber der kleinen Schwester fp zwar etwas erhöht. Es passiert aber nach wie vor, dass man beim Drehen aus Versehen gleichzeitig drückt und so ungewollt Einstellungen verändert.

 

Eine etwas andere Athletin auf dem Sportplatz beim Munot. Normalerweise hat die Dame natürlich keine roten Schuhe an, doch sind diese unser Dauerthema, was aufmerksame Leser/innen schon in früheren Berichten bemerkt haben dürften (135mm, f2.8)

 

Fazit:

Die kleine Spiegellose mit Vollformat hat ihre Hausaufgaben gemacht. Sie ist eine hochauflösende Vollformatkamera in Kompaktgrösse für höchste Bildqualitätsansprüche. Die neue fp-L hat nun ein «Joystick» zur Steuerung der Autofokusfelder bekommen, ein Feature, das man nicht mehr missen möchte. Zudem bietet die fp-L nun einen Hybrid-AF, welcher wesentlich schneller arbeitet, als derjenige der fp. Ausserdem können benutzerdefinierte Einstellungen auf eine SD-Card gespeichert werden.

Die Sigma fp-L ist definitiv nicht Mainstream, wird aber mit Sicherheit ihre Nische bei vielen Fotografen finden. Dank ihren bewusst modularen Aufbaumöglichkeiten wird sie auf vielen verschiedenen «Hochzeiten» leichtfüssig mittanzen können. Daneben hat die fp nach wie vor ihre Daseinsberechtigung, vor allem, wenn auf’s Budget geachtet werden muss, und wenn man sich vor all zu grossen Datenmengen fürchtet.

 

Praxisaufnahmen: Christian H. Hildebrand
Text: Christian H. Hildebrand und Zaboo
Weitere Bilder zu diesem Projekt finden Sie auf dieser Website

Christian H. Hildebrand und Zaboo

Berufsfotograf Christian H. Hildebrand lebt und arbeitet mit der Porträtistin Zaboo zusammen. Daraus entstehen von Spontaneität geprägte Projekte. Sobald sie wieder Zeit für sich haben, suchen sie auf ihren Reisen nach neuen Ideen und Motiven. Eines ihrer Langzeitprojekte sind die Roten Schuhen, mit denen sie bereits in Hamburg und in Bonn  aktiv waren. Im Alltag führen sie Aufträge mit Schwerpunkt Event, Porträt, Firmenportrait, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte-Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig.

Website: fotozug.ch, Instagram @fotozug.ch

Bezugsnachweise: Sigma Fotoprodukte werden in der Schweiz von der Firma Ott+Wyss AG vertrieben, der erwähnte Novoflex-Adapter von Perrot Image SA

 

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