Urs Tillmanns, 17. August 2021, 09:45 Uhr

Alberto Venzago: Taking Pictures – Making Pictures

Der Zürcher Fotograf und Filmemacher Alberto Venzago ist ein Grenzgänger: Unter seinen Arbeiten aus über 50 Jahren finden sich eindrückliche Kriegsbilder genauso wie glamouröse Erotik; mystische Kulthandlungen stehen im Dialog mit sehr persönlichen Porträts internationaler Stars. Das Museum für Gestaltung Zürich würdigt sein umfangreiches Werk erstmals in einer facettenreichen Retrospektive.

 

Alberto Venzago «Drei Mitglieder der Yakuza sichern eine Kreuzung», Tokio, Japan,1988 © Alberto Venzago

Die internationalen Reportagen des Zürcher Fotografen und Filmemachers Alberto Venzago wurden weltweit publiziert und ausgezeichnet, seine Studioaufnahmen und Werbekampagnen sind einprägsam und ästhetisch zugleich. Venzago pendelte stets zwischen Dokumentation und Inszenierung, zwischen «genommenen» und «gemachten» Bildern. So ist seine Arbeit ebenso geprägt von klassischer Reportagefotografie und freien Arbeiten wie von hochgradig inszenierten Bildwelten für Werbung und Porträt.

«Ein wahres Bild ist wichtiger als ein schönes Bild», so fasst der Fotograf und Filmer Venzago seine Philosophie zusammen. Er wirft einen kritischen Blick auf das Weltgeschehen und hat meist den Menschen im Fokus seiner Arbeit. Dabei trifft er auf unterschiedlichste Lebenswelten und dokumentiert bewegende Geschichten, von der Kinderprostitution in Manila oder der faszinierenden Voodoo-Religion Benins zum hedonistischen Partyrausch im Zürcher Club Kaufleuten.

 

Alberto Venzago, «Andy Warhol», New York, USA, 1984 © Alberto Venzago

In seiner Arbeit als «concerned photographer» scheut Venzago keinen Schauplatz – weder das organisierte Verbrechen der Yakuza in Japan, Bruno Mansers Kampf gegen die Abholzung des Urwaldes auf Borneo, noch den Iran und dessen langjähriger Krieg mit dem Irak. Viele von Venzagos fotojournalistischen Essays erregten in Magazinen wie Life, The Sunday Times, Stern oder Geo Aufsehen. Seine engagierte Arbeit, davon vier Jahre als Nominee bei Magnum Photos, wurde mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Infinity Award des International Center of Photography.

Die Mehrheit seiner Reportagen realisierte Venzago im Ausland, zeitgleich waren die Schweiz und seine Heimatstadt Zürich ein wiederkehrendes Thema in seiner fotografischen Arbeit. «Ohne Kamera fühle ich mich beinahe nackt, sie ist immer mit dabei», sagt der Fotograf und schiesst witzige, bedrückende und aufwühlende Bilder an den unterschiedlichsten Orten: Mitten in den Demonstrationen für ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) oder in der offenen Drogenszene am Platzspitz, an folkloristischen Festen, im Militär, in einem Banksafe unter dem Paradeplatz oder im Sexgewerbe im Niederdorf.

 

Alberto Venzago, «Eisberg», Antarktis, 2009 © Alberto Venzago

Die langjährige Erfahrung als Reportagefotograf weiss Venzago jedoch auch in weniger riskanten Situationen einzusetzen. So springt Venzago in inszenierten Welten mühelos zwischen Film und Fotografie, Kunst und Kommerz hin und her und kennt dabei keine Berührungsängste. Er setzt etwa die Anti-Rassismus-Kampagne der Schweiz um, dokumentiert Schweizer Grosskonzerne rund um die Welt oder realisiert gross angelegte Werbekampagnen, beispielsweise für die Swissair.

Immer wieder fotografiert Venzago auch Persönlichkeiten aus Kunst, Film oder Showbusiness. Tina Turner, Sting, Mick Jagger, Andy Wahrhol, Penelope Cruz, H.R. Giger und viele mehr sind mit teils unerwarteten Portraits in der Ausstellung vertreten. Für sein jüngstes Projekt verschmelzen Venzago und seine Partnerin Julia Fokina als Künstlerduo ONE Malerei, Erotik, Film und Pathos in opulente Bildgeschichten.

 

Alberto Venzago, «Züri brännt», Zürich, 1981 © Alberto Venzago

Die Ausstellung Alberto Venzago: Taking Pictures – Making Pictures nimmt das Publikum mit auf eine abwechslungsreiche Reise durch 14 Kapitel aus dem Gesamtwerk des Fotografen. Die einzelnen Bereiche werden eigens inszeniert und mit der Hängung, mit Farbe und teilweise mit Ton zu einer spezifischen Atmosphäre verdichtet. Im Kino der Ausstellung sind Ausschnitte aus den vielen Filmen zu sehen, in denen Venzago die Kamera und teilweise auch die Regie führte.

(Redigierter Pressetext)

Die Ausstellung ist noch bis 2. Januar 2022 zu sehen im Museum für Gestaltung an der Ausstellungsstrasse 60 in Zürich.

Weitere Informationen finden Sie hier online zur Ausstellung und hier hier zum Besuch des Museums.

Unser Titelbild: Alberto Venzago, «Die Kinder des obersten Hüters des ‚Temple des Pythons’», Ouidah, Benin, 2002 © Alberto Venzago

Beachten Sie auch unsere Heftbesprechung zum kürzlich erschienen DU-Sonderheft über Alberto Venzago.

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