Vor mir liegt ein imposantes Werk: 23 x 28,5 cm gross, 4cm dick und etwas mehr als zwei Kilo schwer. Auf 348 Seiten schildert Ruedi Gisler-Pfrunder die Geschichte der Fotografie im Kanton Uri. Solche lokalhistorischen Recherchen sind ausserordentlich wertvoll, weil dadurch viele Details und neue Bilder an den Tag kommen, die sonst in Vergessenheit geraten würden. Und davon gibt es im vorliegenden Buch jede Menge – sowohl Episoden und Hintergrundgeschichten als auch spektakuläre Fotos, von dem man die meisten bisher noch nie gesehen hat.
Der Kanton Uri ist fotohistorisch ein interessantes Thema, weil einerseits die baulichen Arbeiten an den Eisenbahnlinien und Strassen zum, durch und über den Gotthard dokumentarisch fotografiert werden mussten, und weil der aufstrebende Tourismus einen Bedarf an Fotos, Post- und Ansichtskarten und Erinnerungsbildern weckte. Zudem trägt es auch den fotografischen Chronisten Rechnung, die das Tagesgeschehen verfolgten mit Katastrophen und Lawinenniedergängen, mit denen der Bergkanton immer zu kämpfen hatte. So ist das Buch sehr vielfältig mit spannenden und unerwarteten Themen durchsetzt, wie beispielsweise die «Rekonstruktion einer Fotoreise», des französischen Wanderfotografen Alexandre Pierre Bertrand (1822-1889), die Gisler aufgrund seiner Sammlung an Stereokarten erschliessen konnte, oder «Die 1362 Fotos des Doktors» Karl Gisler, der sich vor allem auf das Fotografieren von Baudenkmälern spezialisiert hatte. Dann fehlt auch die Geschichte der ersten Autos, die wegen des Urner Fahrverbotes mit Pferden durch den Kanton gezogen werden mussten. Und weiter beinhaltet das Buch viele Biografien von weniger bekannten Fotografen, wie Gottfried Gassler (1859-1933) in Andermatt, Tscheslaus Krupski (1882-1940) der sich auch als Klarinettenspieler ein Namen machte, dann Hedy Bumbacher (1912-1992), die neben ihrer Fotografie Geschichte, Psychologie und Biologie studierte, die Familie Synnberg aus Kaiserslautern, die an vielen Orten der Schweiz ihre bildmässigen Dienste anbot und ab 1884 auch in Uri. Spannend und selten sind auch die Bilder und Beschreibungen der ersten Autochromplatten, welche ein unbekannter französischer Fotograf auf den Klausenpass erstellt hatte. Als weiteres Highlight sind die sechs Porträts der urtypischen Urner-Bevölkerung, welche Doris Quarella 1979 freigestellt vor weissem Hintergrund realisierte und 70 davon in Lebensgrösse in der alten Kirche von Flüelen ausstellte.
Ruedi Gisler-Pfrunder hat sein Werk auch in einen interessanten Kontext zur Fototechnik gestellt. Vielerorts beschreibt er die angewandten fotografischen Verfahren präzise und gut verständlich und gibt auch zu Beginn des Buches einen prägnanten Überblick der wichtigsten Meilensteine der Fotografie, von der Camera obscura bis hin zum Smartphone. Das Buch ist chronologisch aufgebaut und gibt damit einen lückenlosen Überblick über die Geschichte der Fotografie im Kanton Uri. Auch fehlt im Anhang des Buches eine Zusammenfassung von Biografien der Urner Fotografen nicht, die als interessantes Nachschlagewerk zu den Personendaten dient. Was das Buch weiter besonders wertvoll macht, sie die vielen Randnotizen, in den auf die benutzten Quellen und Literaturstellen hingewiesen wird. Die ermöglicht weitere Recherchen zu Spezialgebieten, die bisher noch wenig erforsch wurden.
Für wen ist dieses Buch? In erster Linie richtete es sich an fotogeschichtlich interessierte Leserinnen und Leser. Ihnen bietet das Buch einen umfassenden Überblick der Entwicklung der Fotografie und über das Schaffen der Fotografen im Kanton Uri. Dann ist es aber auch für alle «Heimweh-Urner» ein willkommenes Geschenk, um sich in eine Zeit und Entwicklung zurückzuversetzen, die bisher wenig und vor allem nicht so akribisch erforscht wurde.
Urs Tillmanns
Buchbesprechung des Verlages
Das Buch «Fotografie in Uri» erzählt und belegt ein Stück Fotografiegeschichte von ihrem Anfang bis heute. Die ersten Bilder in Uri stammen von Wanderfotografen aus Deutschland, England oder Frankreich und datieren um 1850. Die chronologische Reise durch Urner Bildwelten bietet zahlreiche Entdeckungen von weniger bekannten Fotografinnen und Fotografen wie Gottfried Gassler, Jean Haemisegger, Tscheslaus Krupski, Hedy Bumbacher oder Leo Wehrli. Die jüngere Geschichte ist u. a. mit dem Bau der Gotthardautobahn oder mit den Veränderungen im Urserntal dokumentiert. Zudem enthält das Buch ein ausführliches Register von Fotografinnen und Fotografen, die Uri bereisten, von Urner Fotoateliers und Ansichtskartenverlagen sowie ein Glossar zu den wichtigsten fotografischen Verfahren und Kameras.
Der Inhalt
Dank, Impressum, Widmung
Schwanen was Sternen? – Koinzidenzen der Urner Fotografiegeschichte (Markus Schürpf)
Meilensteine der Fotografie (Glossar)
Reisen durch Urner Bildwelten (Ruedi Gisler-Pfrunder)
Von den Kleinmeistern zu den Wanderfotografen
Fotograf ohne Bild
Jean Adolphe Brauns Stereoaufnahme
Rekonstruktion einer Fotoreise
Bildnis der «Freyheit»
Fotografieren in unwegsamem Gebiet
Impressionen aus Wassen
Zauberhafte Glasdias
Fotografie der Teufelsbrücke von 1595
Dokument einer Katastrophe
Kein Urner Fotograf vor Ort
Gottfried Gassler – Fotopionier in Andermatt
Bilder an der Teufelswand
Die Familie Siegwart
«You press the button, we do the rest»
Momentaufnahme der Urner Landsgemeinde von 1891
Die vergessene Kapelle
Die 1362 Fotografien des Doktors
Für immer in Erinnerung
Pferde ziehen Autos über den Pass
Das «Weisse Kreuz»
Eine Fotografenfamilie aus Deutschland etabliert sich in der Schweiz
Die Urner Postkartenkünstler
Images de Ia route du Clausen
Amateurfotograf und hochtalentierter Handwerker
Hinter den sieben Bergen
Jean Haemisegger- Fotograf der Tourismusdestination Andermatt
Die Fotografendynastie Aschwanden
Der Buchgestalter als Fotograf
Stiller Beobachter
Als Autodidakt zur Fotografie
Die Anfänge des Tourismusresorts Andermatt
Alp – Porträt einer verborgenen Weit (Vanessa Püntener)
Heimgeborenland (Tres Camenzind)
Sagen aus Uri (Christian lndergand)
Grönland – Schächental (Carina Gamma)
Uri-Biog (Nathalie Bissig)
Fotografinnen, Fotografen und Verlage (Register)
Fotografinnen und Fotografen Uri
Ansichtskartenverlage Uri
Bildnachweis
Der Autor
Ruedi Gisler-Pfrunder (geb. 1947) verbrachte seine Jugend weitgehend in Uri, doch wechselte die Familie mehrere Male den Wohnsitz, was immer wieder einen Wechsel der Schule bedingte. Nach einer Ausbildung als Chemielaborant bei Dättwyler AG in Altdorf trat Gisler in die Firma Ciba in Basel ein, wo er bis heute als Laborleiter tätig ist. Schon in seiner Jugendzeit interessierte es sich für «altes Zeugs», zudem wurde die Einweihung der neuen Teufelsbrücke 1956 zu einem prägenden Erlebnis. Er begann Stiche und Aquarelle zu sammeln, was 2005 zu einer ersten Buchpublikation führte. Über die Stiche kam er zur Fotografie, und hier besonders zu den Stereoaufnahmen, von denen Gisler heute rund 600 über den Kanton Uri besitzt. Im Laufe der Zeit weitete er seine Bildersammlung aus und besitzt heute eine der grössten themenbezogenen Fotosammlungen.
Bibliografie
Ruedi Gisler-Pfrunder «Fotografie in Uri»
348 Seiten, reich illustriert, gebunden,
2021, Hardcover, Format 23 x 28,5 cm
mit Texten von Ruedi Gisler-Pfrunder, Markus Schürpf, Vanessa Püntener, Tres Camenzind, Christian lndergand, Carina Gamma, Nathalie Bissi
Verlag Bildfluss, Altdorf
Preis CHF 58.00 / EUR ???
ISBN 978-3-9524501-7-8
Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.
Ruedi Gisler als Autor und Christof Hirtler als Verleger haben hier Grosses geschaffen. An der Vernissage in Amsteg traf sich das Who is Who aus Uri, was die hohe Bedeutung von Ruedi Gislers Lebenswerk zeigt. Das Werk ist vergleichbar mit Karl Itens „Uri damals“, „Adieu – Altes Uri“ oder „Uri – Land am Gotthard“ und gehört in jeden Urner Haushalt!
Das Werk überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch durch den hochwertigen Druck, das hochwertige Papier, ein tolles Schriftbild und grossartige Fotos. Ich hoffe, dass das Buch bei allen Fotografie-Begeisterten Verbreitung findet, weit über die Kantonsgrenzen hinweg. Ruedi Gisler und Christof Hirtler gratuliere ich und wünsche ihnen viel Erfolg!