Urs Tillmanns, 6. November 2021, 09:47 Uhr

Mäddel Fuchs: «Irgendwo und überall»

Wir begegnen ihnen überall, jenen widersprüchlichen Beschilderungen, lustigen Sprüchen und anderen zufallskomischen Situationen. Voraussetzung: man geht mit offenen Augen durch die Strassen und Landschaft und man hat eine Kamera oder mindestens ein Handy dabei, um diese aussergewöhnlichen Gegebenheiten im Bild festzuhalten.

Mäddel Fuchs tut dies, und zwar konsequent seit über vierzig Jahren. Er ist begannt als fotografischer Chronist des Appenzells (siehe Buchbesprechnung «Appenzeller Welten – 415,4 km² im Universum»)  und für unzählige Bilder zu diesem Thema in eigenen Büchern oder solchen, die er mit seinen Bildern illustrierte. Und wenn man sich – wie Mäddel Fuchs – auf solche Zufallssituationen achtet, auf lustige dahingesprayte Kommentare, auf Objekte, die kontroverser nicht hätten platziert werden können, oder auf Schilderkomik aller Arten, dann stellt man verblüfft fest, dass es davon nur so wimmelt. Meist ziehen wir schmunzelt vorüber und sagen uns erst hinterher: «ich hätt’ es eigentlich fotografieren sollen …»

Mäddel Fuchs ist Sammler und hat diese ulkigen Situationen leidenschaftlich festgehalten. Irgendwo und überall – so auch der Titel des Bildbandes, den er jetzt mit diesen lustigen, aber auch nachdenklichen und anklagenden Konstellationen in seinem jüngsten Buch vereint hat. Dabei setzt er den meisten Bildern mit einem kurzen Legende der humorvollen oder nachdenklichen Situation noch die Krone auf. Einige der Fotos sind offensichtlich und deren Pointe sticht sofort ins Auge, während andere wieder etwas Spitzfindigkeit verlangen.

Mäddel Fuchs pflegt «Street Photography», wie man heute auf modisches Neudeutsch sagt. Dabei zeigt er nur in ganz wenigen Bildern Menschen. Es sind die Objekte, welche die Hauptrolle spielen und Hauptmotiv sind. Daniele Muscionico zeigt in ihrem Einleitungstext eine durchaus naheliegende Parallele zu Pauk Senn (1901-1953) auf. Senn und Fuchs sind Ästheten, die konsequent und präzise einem Inhalt oder einem Sujet folg(t)en und dabei einen ähnlichen Stil pflegen.

Einige der Bilder sind übrigens im Buch quergestellt, was den Betrachter bewegt, das Buch um neunzig Grad zu drehen. Nicht unbedingt praktisch, doch erhöht dies die Aufmerksamkeit und ermöglicht die Bilder grösser oder drei davon auf einer Doppelseite zu zeigen. In Ausnahmefällen gibt es auch Ausklappseiten, auf welchen längere Bildfolgen wirkungsvoll zur Geltung kommen.

Lesenswert ist die Einleitung von Daniele Muscionico, die es mit dem Titel ihres Essays «So meditiert ein Rebell über die Welt» ebenso auf den Punkt bringt wie mit einigen vielsagenden Kernsätzen, wie beispielsweise: «Dieser Künstler ist ein Unikum, erliegen Sie besser nicht seinem Charm. Blicken Sie stattdessen auf das, was er Ihnen vorlegt. Sie werden in diesem Buch etwas finden, was Sie so noch nicht gesehen haben».

Für wen ist dieses Buch? Für Leute, die solche Zufallskomik und Zufallskritik suchen, die Freude an solchen skurrilen Bildern haben und damit im Alltagsleben etwas Abwechslung suchen. Das Buch will uns aber noch mehr sagen: Es – und damit Mäddel Fuchs – will uns den Ratschlag mit auf den Weg geben, mit offenen Augen unser Umfeld zu betrachten: Denn Situationen, wie sie uns Mäddel Fuchs in diesem Werk vorführt, begegnen wir «irgendwo und überall».

Urs Tillmanns

 

Die Buchbeschreibung des Verlages

Ohne Chronologie lose zusammengeführt, bilden diese rund 170 Momentaufnahmen von Mäddel Fuchs einen besonderen Beitrag zur Geschichtsbetrachtung, wie er nur fotografisch zustande kommen kann. Das Buch schöpft aus dem umfangreichen Bestand des Schweizer Fotografen, aus vierzig Jahren kontinuierlichen Fotografierens. Erweisen sich einige Bilder als leicht zugänglich, verlangen andere eine vertiefte Auseinandersetzung, eine Beschäftigung mit Thema und Darstellung. Wieder andere sind an historische Ereignisse gebunden oder fordern die Betrachterinnen und Betrachter mit ihren Zeichen- und Sprachspielereien.

Der begleitende Text der Kulturjournalistin Daniele Muscionico ergründet Mäddel Fuchs’ Bildwelten, vor allem aber seine Lust, umzudenken und dort Zusammenhänge zu entdecken, wo sich neue Wahrheiten und abgründige Gedankenräume auftun. Seine humorvollen und bisweilen satirischen Begegnungen mit dem Alltag zeigen die unendliche Vielfalt unserer Lebenswelt, von vergnüglich bis aufwühlend. All diesen lebenserhellenden Momenten ist das Buch gewidmet.

 

Der Inhalt

Daniele Muscionico «So meditiert ein Rebell über die Welt»
(Wieso um Mäddel Fuchs Missverständnisse herrschen)

«Änn Älää globt’s nüd!»

Die Kunst des Hintersinns

Heimat ist die Kritik an ihr

In der Nachfolge von Paul Senn

Schweizerisch und doch: Street Photography

Mäddel Fuchs: «Verschlungen und unausweichlich»

Bibliografie Mäddel Fuchs

Fotografien von Mäddel Fuchs in Büchern

Impressum

Mäddel Fuchs mit dem Ausserrhoder Kulturpreis 2021 ausgezeichnet

Wie das Sankt Galler Tagblatt (und andere Medien) mitteilten, wurde Mäddel Fuchs mit dem Ausserrhoder Kulturpreis 2021 ausgezeichnet,  «für sein fotografisches Schaffen, das weit über den Kanton wirkt und dennoch eng mit dem Appenzellerland verbunden ist». Die Preisverleihung fand am 4. November 2021 im Kursaal Heiden statt. Gleichzeitig ging der erstmals verliehene Anerkennungspreis 2021 an die Filmproduzentin Ruth Waldburger für ihre Karriereförderung von Brad Pitt und den Film «Johnny Suede».

 

Der Fotograf

Mäddel Fuchs, aufgewachsen in Zürich, Cademario TI und Trogen AR, ist freier Fotograf und lebt auf dem Sommersberg bei Gais AR. Seit Jahrzehnten hält er die Welt der Appenzeller im Bild fest. Albert Tanner ist in Teufen AR geboren und lebt heute in Bern. Er ist Spezialist für die Geschichte der Ostschweizer Textilindustrie und hat zur Industrialisierung Appenzell Ausserrhodens promoviert. Bekannt ist er für seine fotografischen Langzeitprojekte zur landwirtschaftlichen und kulturellen Tradition des Appenzellerlandes.

 

Die Autorin

Daniele Muscionico, geboren 1962, ist im im St. Galler Rheintal aufgewachsen. Nach einem Germanistikstudium an der Universität Zürich war sie langjährige Redaktorin für Theater und Fotografie der «Neuen Zürcher Zeitung». Die Gewinnerin des Zürcher Journalistenpreises und des Medienpreises für Freischaffende ist seit 2008 freie Publizistin.

 

 

Bibliografie

Mäddel Fuchs: «Irgendwo und überall»
Gesammelte Momente

196 Seiten, 169 Duplex-Abbildungen, gebunden,
2021, Hardcover, Format 23 x 30 cm
Texte von Daniele Muscionico und Mäddel Fuchs
Verlag Scheidegger + Spiess, Zürich
Preis: CHF 49.00 | EUR 48.00
ISBN 978-3-03942-012-4

Das Buch kann im Buchhandel erworben, beim Verlag direkt bestellt oder im Ausland hier geordert werden.

 

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