Urs Tillmanns, 21. November 2021, 10:20 Uhr

Zwei Heimatschweizer berichten aus Oregon

Fotointern pflegt mit Christan und Regula Heeb seit vielen Jahren einen freundschaftlichen Kontakt. Beide aus der Ostschweiz waren sie vor rund drei Jahrzehnten in die USA ausgewandert, in das Land der unendlichen Landschaften – und Möglichkeiten. Es ist immer wieder interessant die Meinungen der Beiden zu hören und ihre fotografischen Projekte zu verfolgen. So auch jetzt, nachdem sie die Sümpfe von Louisiana fotografisch erforscht hatten und es in ihrem Bundesstaat zuerst Waldbrände und dann extreme Regenfälle gab. Amerika wird im Moment nicht nur von extremen Wetterereignissen geschüttelt, sondern auch von einer politischen Entwicklung, die den beiden Schweizern Mühe bereitet …

 

Fotointern: Ihr seid wieder zurück in Oregon, wo Ihr ja Euer Studio und Euere Fotoschule habt. Wie ist derzeit die Lago dort? Wir hörten, dass auch Oregon stark von den Walbränden betroffen war und dass nun der Nordwesten der USA von starken Regenfällen heimgesucht wird.

Christian Heeb: Merci Urs, ja wir sind gerade wieder in unserem Haus in Oregon. Den Sommer verbringen wir hier und den Winter jeweils in Mexiko. Allerdings liegen dazwischen immer auch ein paar Fotoreisen. Die Feuer waren dieses Jahr auch bei uns wieder schlimm und sie fingen schon Mitte Juli an. Deshalb machten wir unsere Fotoreise auch im Juni. Unsere Ranch liegt recht gut und wir sind von den Unwettern geschützt. Die Feuer sind aber auch bei uns vorwiegend wegen der schlechten Luft sehr unangenehm gewesen.

 

Die Corona-Zeit hat ja wahrscheinlich auch Euer Kurs- und Reiseprogramm über den Haufen geworfen. Was stehen für Reisen an, welches sind die Highlights?

Ja, einiges haben wir komplett stornieren müssen. Es gab viele Abmeldungen. Ein sehr guter Kunde ist an Corona gestorben, andere haben Angst. Wir haben wieder zwei Plätze frei für unsere Oregon- und Washington-Reise im Frühsommer 2022. Die Zypressensümpfe in Louisiana sind für November nächsten Jahres vorgesehen und Neuseeland sowie Tasmanien finden hoffentlich im März, April, Mai 2023 statt. Besonders freuen wir uns auf unsere Neufundland Fotoreise 2023, da dies ein noch wenig bekanntes Traumthema ist. 2023 machen wir wieder unsere Top of Switzerland Reise sowie zwei Herbstwochen in den Lärchen-Gebieten.

 

Wie ist die Corona-Situation bei Euch? Ist das Reisen überhaupt möglich und wie eingeschränkt ist das gesellschaftliche Leben?

Ausser Corona ist die politische Situation in den USA derzeit katastrophal. Es gab Einschränkungen von unserer Governeurin, aber die konservativen Landleute halten sich nicht daran. Wir hatten über ein Jahr keine Arbeit, konnten aber dieses Jahr die Fotoreise Nova Scotia in Kanada und unsere Tour in den Zypressensümpfen von Louisiana durchführen. Alle unsere Teilnehmer waren geimpft, wir haben uns gut geschützt und sind viel draussen gegessen. Es hatte den Vorteil, dass es zum Beispiel in Kanada nur sehr wenig andere Touristen gab.

 

Ihr wart in den Sümpfen von Louisiana. Was geben diese fotografisch her?

Die Zypressensümpfe im Süden sind ein fotografisches Traumland. Ich kenne die Gegend seit 1986 als ich mit Regula dort zum ersten Mal fotografiert habe. Dank der tollen Bilder von George Popp bin ich wieder darauf aufmerksam geworden. Nun habe ich sie erneut erkundet und habe bereits drei Fotoworkshops dort veranstaltet. Es ist allerdings nicht einfach die richtigen Orte zu finden, und man braucht Boote, um in die faszinierende Wildnis zu kommen. Wir haben gute Kontakte und gehen an verschiedene motivreiche Stellen in Louisiana und Texas. Es gibt aber auch tolle Ecken in Mississippi, Florida und Georgia. Schau dir unsere Bilder an. Da will man gleich hinfahren oder? Wir werden 2022 wieder zwei Reisen anbieten.

 

Auf Deiner Webseite sieht man nach American Dreamscapes, Pan Americana und Uncle Sam ein neues Projekt: The Lost Highway. Das scheint eine interessante Geschichte mit Rita und ihrem Revolver zu werden. Was soll das Endprodukt sein? Wieder ein Buch?

Nein. Die Lost Highway Bilder waren die Outtakes von den American Dreamscapes in Schwarzweiss. Ich weiss noch nicht was ich damit machen werde. Es war mehr ein freies Projekt für mich. Ich arbeite noch an meinen «Native Dreamscapes» womit ich die Indianer Thematik ein für allemal begrabe – und ich habe angefangen zu malen. Manchmal bin ich es leid die Welt nur mit der Kamera zu erleben.

 

Seit wann malst Du, welchen Stil pflegst Du und welche Motive stellst Du dar? Gibt es dabei eine Verbindung zu Deinen Fotografien?

Ich bin seit Jahren ein grosser Fan von den Indianer Malern aus den siebziger Jahren. Besonders Fritz Scholder. Von ihm besitze ich ein riesiges Gemälde. Momentan male ich Porträts von Indianern. Besonders Leute die ich kenne und fotografiert habe, wie etwa Acosia Red Elk. Das Bild in Rot. Noch sind die Bilder gegenständlich aber ich versuche das alles noch etwas abstrakter zu halten. Ich mag die Bilder von Edward Hopper, Nathan Olveira, Fritz Scholder, Kevin Red Star, T.C. Cannon und viele mehr.

 

 

Nochmals zurück zur Serie Lost Highway. Das Video dazu mit dem passenden Song von Andy Trinkler* ist sehr eindrucksvoll. Wie stark involvierst Du Dich in Video-Projekte neben Deiner Fotografie?

Mit Andy war das ein Zufall. Ich hatte die Lyrics zu einem Song geschrieben, die mir spontan eingefallen waren. Ich war nachts auf einem Highway in Nevada unterwegs und plötzlich kam mir die Idee von «Rita and the Gun». Andy machte daraus einen Song. Dann fotografierte ich Andy kurz in der Schweiz und er wählte die Bilder fürs Album aus meinen Lost Higway Bildern aus. Regula baute das Video zusammen. Das wars. Ich staune ja immer wie genial der Song klingt. Bei Andy Trinkler hörst Du nicht, dass er Schweizer ist. Selbst meine amerikanischen Freunde bemerken es nicht.

 

Ihr wart ja zwischendurch mal wieder längere Zeit in Rheintal, wo Ihr ja einen Maiensäss habt. Hat Dich und Regula das Heimweh nach der Schweiz gepackt?

Weisst du, wir haben es dort genossen. Ich wollte immer weg aus der engen Schweiz, wollte ins Indianerland und in die weiten Prärien und nun fand ich diese Schweizer Bergwelt doch sehr schön. Es war grün und regnerisch, es gab Nebel und die typischen Schweizer Kühe unserer Jugend waren alle da. Nach dem staubtrockenen verbrannten Sommer im Westen der USA genossen wir das. Man bleibt eben was man ist und wir sind beide Schweizer. Auch wenn wir einen Ami Pass und eine Mexikanische Niederlassung haben sind wir doch immer Schweizer geblieben. Das muss auch kein Widerspruch sein. Wir geniessen, dass wir Weltbürger sind.

 

Haben sich die USA in all diesen Jahren verändert?

Ja, sehr – und nicht zum Guten. Die Lage ist so, dass es zu einem gesellschaftlichen Zerfall kommen könnte. Gewisse Regionen brechen weg vom vereinigten Land, oder machen was sie wollen. Es könnte eine Art Anarchie entstehen, was zum Teil bereits sichtbar ist. Die Sheriffs im Osten von Oregon halten sich zum Beispiel nicht an die Vorgaben der Staatsregierung. Gewinnen die Republikaner nun in der Zwischenwahl und stellen den nächsten Präsidenten in 2024, dann gibt es eine Diktatur. Eine Art christlich, kapitalistisches Russland mit Amiflaggen und Kreuzen. Zum Glück haben wir unser Haus in Mexiko und eben unser Chalet am Grabserberg …

 

Lieber Christian, liebe Regula, danke für Euer spannendes Update. Wir wünschen euch eine schöne Adventszeit und alles Gute für 2022.

Das Interview führte Urs Tillmanns

Weitere Informationen finden Sie auf heebphoto.com

* Sehen hören Sie hier den Song «Rita and her Gun» von Andy Trinkler

 

Lesen Sie auch

• «Der Wärme nach: Im Winter Baja und im Sommer Oregon», 9. Mai 2021

• «Mit Uncle Sam unterwegs …» 9. Februar 2020

• «Dreamscapes – oder ein Amerika, wie es (nicht) ist», 5. Februar 2017

• «Mit Christian Heeb auf dem Säntis», 3. Juni 2012

• «Der Bubentraum des Christian Heeb», 16. Januar 2011

 

 

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