Aus dem Langzeitprojekt von Sabina Bobst ist ein Buch geworden. Es ist mehr als ein Buch mit eindrucksvollen Porträts. Es ist eine Philosophie über das Altwerden. Es zeigt auf, wie 30 Menschen mit verschiedensten Berufen und aus unterschiedlichsten Sozialbereichen die beiden Kernfragen
A Was denkst du wenn Du in den Spiegel schaust?
B Ist für Dich das Älterwerden ein Thema?
im Abstand von etwa zwölf Jahren beantworten. Wie stellen sie sich zum Älterwerden? Was hat sich seit der ersten und der zweiten Befragung an ihrer Lebenseinstellung geändert? Haben die Befragten Angst vor dem Altwerden?
Die Texte sind ein Aspekt des Buches – ein spannender und vielfältiger. Hinzu kommen die Bilder. Auch sie sind zu unterschiedlichen Epochen entstanden, jeweils ein formatfüllendes Schwarzweissporträt vor etwa zwölf Jahren, dann von jeder Person ein Zweites, Gegenwärtiges, diesmal in Farbe, digital und mit mehr Freiraum, der das Umfeld der Person zeigt. Die beiden Bilder sind nicht einander gegenübergestellt, sondern eines davon befindet sich im vorderen Buchteil, das andere im hinteren. Vergebens sucht man ein System dieser Aufteilung – das verleiht dem Buch eine gewisse Spannung. Man vertieft sich darin.
Die Porträts sind eindrücklich. Man befasst sich mit der Physiognomie, beginnt sich mit der Person auseinanderzusetzen, sucht das frühere oder spätere Pendent im vorderen oder hinteren Buchteil dazu und steigt schliesslich in den Textteil ein, um von der dargestellten Person die Antworten auf die beiden Lebensfragen zu bekommen. So befasst man sich intensiv mit den Bildern, mit der Thematik des Projektes und hinterfragt vielleicht die eigene Meinung.
Mitten im Buch ist ein Text von Nadine Olonetzky zu finden: «In Würde hutzeln oder von der Schönheit des Unvollkommenen». Es ist ein spannender Essay, in dem Nadine ihr eigenes Leben und Fragen zum Altwerden aufrollt. Das liest sich romanartig und regt zum Nachdenken an – zum Reflektieren auf sich selbst.
Das Buch beeindruckt. Ich betrachte mich selbst im Spiegel und stelle mir diese Fragen. Der Spiegel lügt. Er zeigt mich immer seitenverkehrt. Nur mein Umfeld und die Fotografie nehmen mich so wahr, wie ich wirklich bin.
Für wen ist dieses Buch? Einmal abgesehen davon, dass sich jeder Mensch irgendwann mit den Fragen des Altwerdens befasst, ist es eine spannende Erfahrung zu sehen, wie andere Menschen damit umgehen – und dies in der Kadenz von mehr als einem Jahrzehnt. Dann kommt der fotografische Aspekt hinzu. Sabina Bobst hat mit ihrem Langezeitprojekt einerseits eine allgegenwärtige Thematik fotografisch spannend aufgegriffen und hervorragende Bilder dazu geschaffen. Ein spannendes Buch und aussergewöhnliche Bilder, mit denen man eine eindrückliche Ausstellung gestalten könnte.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung der Fotografin
Diese beiden Fragen, die mich auch persönlich umtreiben, standen am Anfang des Buchprojektes «In Between» – Eine Arbeit über das Zerrinnen der Zeit. Ich wollte den Prozess des Älterwerdens erforschen, und wählte die fotografische Begegnung als Stilmittel. Wie kann das Zerrinnen der Zeit sichtbar gemacht werden? Durch die Zeitspanne von zwölf Jahren, die zwischen den Fototerminen steht, wird die vergangene Zeit erfahrbar – oder nicht? Wieviel vom Älterwerden hat mit dem Blick von aussen zu tun? Nicht das Alter ist also hier von Interesse, sondern das Erforschen der verschiedenen Phasen des Erwachsenenlebens und die damit zusammenhängenden Veränderungen. Ich habe in meinem weiteren Umfeld Leute mit unterschiedlichen Berufen gesucht, sie vor die Kamera gebeten und ihnen die obigen Fragen gestellt. Die Fotos sind als Treffen inszeniert – der Blick ist direkt, die Gesichter lebensgross. Fotografie und Text kommen ergänzend zusammen und sollen der Arbeit Tiefe geben und die BetrachterInnen zum Nachdenken bringen.
Der Inhalt
Renate 55 – 41 / Corina 44 – 57 / Kathleen 50 – 37 / Peach 38 – 52 / Oli 53 – 38 /
Katharina 42 – 54 / Peter 56 – 43 / Dani 39 – 54 / Chrigi 50 – 37 / Chinwe 40 – 53 /
Sabina 53 – 40 / Jörg 38 – 52 / Petra 53 – 38 / Markus 39 – 54 / Suzanne 43 – 58 /
«In Würde hutzeln oder von der Schönheit des Unvollkommenen» Nadine Olonetzky
Andreas 55 – 40 / Eveline 42 / Esther 59 – 43 / Jann 42 – 57 / Anita 59 – 41 / Natascha 38 – 52 /
Ea 40 – 55 / Yves 53 – 40 / Tony 35 – 49 / Koni 57 -43 / Urs 38 – 54 / Barbara 38 / Katharina 41
Impressum
Die Fotografin
Sabina Bobst verbrachte ihre Kindheit am Jurasüdfuss. Nach einer Buchhändlerlehre in Solothurn studierte sie Fotografie in Kalifornien (BA of Arts), arbeitete mehrere Jahre als Bildredaktorin beim Tages-Anzeiger und suchte dann den Perspektivenwechsel. Seit 2001 arbeitet sie als freie Fotojournalistin in Zürich mit den Schwerpunkten Porträts, Architektur und Reportagen. 2016 schloss sie den Studiengang «Cultural Media Studies» an der ZhdK mit dem MAS ab. Heute kuratiert und moderiert sie ausserdem Ausstellungen (Never Stop Reading) und unterrichtet am MAZ (Studiengang Fotografie).
Bibliografie
Sabina Bobst – In Between, über das Zerrinnen der Zeit
Eine fotografische Begegnung
84 Seiten, 55 ganzformatige Schwarzweiss- und Farbporträts
Format 24 x 32 cm, ungebunden, Bundschnur, Softcover
Limitierte Auflage 300 Exemplare
Buchhandlung Never Stop Reading, Spiegelgasse 18, 8001 Zürich
Preis: CHF 45.00
ISBN: keine
Das Buch kann bei Never Stop Reading bestellt werden