Alle zwei Jahre ist Vevey mit dem Fotofestival «Images» ein Mekka der Fotobegeisterten. 52 Fotokünstler/innen aus 25 Ländern zeigen ihre Werke an 50 Ausstellungsort im Zentrum von Vevey und in La Tour-de-Peilz. Das Konzept dieses Festivals, das bereits zum achten Mal angewandt wird, ist für die Schweiz einmalig und ruft sowohl Teilnehmende als auch Besuchende aus allen Ländern in die Riviera-Stadt am Genfersee. Es sind massgeschneiderte Ausstellungen mit verschiedenartigsten Werken, die an Hausfassaden, in Innenräumen öffentlicher Gebäude und im Freien noch bis 25. September 2022 zu sehen sind – und dies kostenlos.
Gleich gegenüber des Bahnhofs ist die Fassade der Kantonalbank mit einem Riesenbild von Thomas Struth eingekleidet – ein Sinnbild für die Stadt der Fotografie.
Mit dem diesjährigen Motto «Together – La vie ensemble» will die Biennale Images Vevey Verbindungen schaffen. Es ist die Zeit des Wiedersehens und der Vereinigung, trotz eines unsicheren internationalen Kontextes. Unsere Beziehung zu den anderen und zu unserer Umwelt, die Bedeutung und die Zerbrechlichkeit der sozialen und familiären Bindungen, die Freuden und die Leiden, wenn das Kollektiv und das Individuum koexistieren: Alle diese Themen sollen in der Ausgabe 2022 des Festivals unter dem passenden Motto – «Together – das Leben zusammen» – angesprochen werden.
Die vorgeschlagenen Kunstprojekte laden das Publikum mit monumentalen Installationen und einzigartigen Bühnenbildern dazu ein, das Bild auf andere Weise zu erleben. Eine Besonderheit der Biennale ist, dass ihre Ausstellungen massgeschneidert sind, um eine Übereinstimmung zwischen dem präsentierten Werk, der Szenografie und dem Ausstellungsort zu finden.
Ein Rundgang durch die «Images Vevey 2022»
Die 50 an der Images gezeigten Fotoprojekte sind eine spannende Standortbestimmung der zeitgenössischen Fotografie. Fotointern beschreibt hier alle Ausstellungen der 52 Künstler in Kurzform und gibt Ihnen einen Vorgeschmack dessen, was Sie in Vevey noch bis am 25. September 2022 erwartet.
(Die Zahlen in [rechteckigen Klammern] verweisen auf die Ausstellungsorte im Plan am Schluss des Artikels)
Marina Abramović & Ulay (RS) The Lovers, The Great Wall Walk [1]
The Lovers, The Great Wall Walk markiert das Ende der Liebes- und Kunstbeziehung zwischen den Pionieren der performativen Kunst Marina Abramović und Ulay auf der Chinesischen Mauer.
Marco Anelli (DE) Portraits in the Presence of Marina Abramović [2]
Marina Abramović fotografierte während drei Monaten Leute im MoMA in New York. Sie lädt dabei das Publikum ein, ihr schweigend in die Augen zu schauen und fotografiert mit einem Teleobjektiv.
Gera Artemova (IT) Peaceful life [3]
Die ukrainische Fotografin Gera Artemova fotografierte 2014 auf der von Russland annektierten Insel Krim und zeigt mit «Peaceful life» die scheinbare Ruhe des Alltags und die gleichzeitige Präsenz des Konflikts.
Vincen Beeckman (BE) Vevey Minigolf Club [4]
Der belgische Fotograf verewigte die Welt des Minigolfs in verschiedenen Ländern mit seinem unkonventionellen Blick und findet in der Gestaltung der Bahnen humorvolle Inspirationen.
Denise Bertschi (CH) State Fiction. Neutral Only On The Outside [5]
Denise Bertschi dokumentiert mit «State Fiction. Neutral Only On The Outside» das Leben der in der Demilitarisierten Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südkorea stationierten Schweizer Soldaten.
Matthias Brunner (CH) Sous l’influence de Claude, Vincent, Paul… et les autres [7]
Mit seiner Vierfachprojektion erzeugt Matthias Brunner Spiegeleffekte, die zu einem immersiven und kontemplativen Erlebnis an der Grenze zwischen Film und Malerei werden.
Juan Brenner (GT) Marvelous Phenomena [6]
Dem Guatemaltekischen Fotograf gelang die Rekonstruktion einer Expedition im Jahre 1534, als der legendäre Spanische Konquistador Pedro de Alvarado seine Armee nach Ecuador führte.
Olivier Cablat (FR) Le Stade de la Lose [8]
In seinem Projekt «Le Stade de la Lose» zeigt Olivier Cablat verschiedene Gegenstände, hinter denen sich irritierende bis verstörende Anekdote aus der Geschichte des Fussballs verbergen.
CEPV (CH) Parade Parade [46]
Begleitet vom Bieler Künstler Rudolf Steiner erforschen die Studierenden der höheren Fachausbildung für Fotografie des CEPV die verschiedenen Facetten der Gegenstände, die uns im Alltag umgeben.
Teju Cole (US / NG) Fernweh [9]
Für den in den USA lebenden Teju Cole verkörpert die Schweiz das Gefühl der grossen Sehnsucht nach der Ferne. Er zeigt seine Impressionen unter freiem Himmel an der «Schweizer Riviera».
Siân Davey (GB) Martha & Alice [10]
Die Installation zeigt einerseits ihre Tochter Alice während ihrer Schwangerschaft mit Downsyndrom und ihre Stieftochter Martha, die unter der fehlenden Aufmerksamkeit ihrer Stiefmutter leidet.
Deanna Dikeman (US) Leaving and Waving [11]
in einer visuellen Chronologie zeigt Deanna Dikeman ihre zum Abschied winkenden Eltern vom ersten Foto 1991 bis zur letzten Aufnahme ihrer Mutter vor ihrer Seniorenresidenz im Jahr 2017.
Roger Eberhard (CH) Escapism [12]
In Escapism präsentiert Roger Eberhards eine typisch Schweizerische Tradition: dem Sammeln von Kaffeerahmdeckeln, auf denen in überraschender Weise alle Genres der Fotografie repräsentiert werden.
Clemens Fischer (DE) 4 Photographers [13]
Eine experimentelle Installation zwischen Fotografie, Skulptur und Performance, in welcher das Duo Peter Fischli und David Weiss mit verschiedenen Recyclingmaterialien (Holzstrukturen, Metallstangen oder Stromkabel) basteln.
Emilie Gafner (CH) Transmission [47]
Mit Transmission interessiert sich Emilie Gafner für mit der Bedeutung von Bildern und ihrer erzählerischen Kraft. Sie projiziert Klischees auf verschiedene Medien, die sie danach neu fotografiert.
Mahalia Taje Giotto (CH / IT) Existential Boner [14]
Mahalia Giotto, alias Taje, wurde 1992 als Frau geboren. Nach mehreren Phasen der körperlichen Veränderung beginnt er 2020 seine Transition und bringt seine Identitätsfindung zum Ausdruck.
Esther Hovers (NL) Windows [15]
Esther Hovers fotografiert während der Pandemie die plötzliche Verwandlung der Stadt in einen leblosen Raum und realisiert auf den Fenstern ihrer Wohnung eine Reihe von Collagen.
Ryoji Ikeda (JP) Test Pattern [n°14] [16]
Der experimentelle Musiker Ryoji zeigt in seinem Projekt mit elektronischen Klängen und Lichteffekten eine multisensorische Atmosphäre bewegter Schwarzweiss-Kompositionen.
Paola Jiménez Quispe (PE) Rules for fighting (Reglas para pelear) [17]
Paola Jiménez Quispe war 1998 fünf Jahre alt, als ihr Vater ermordet wurde. Sie beginnt sich mit dieser Tragödie auseinanderzusetzen und rekonstruiert das Leben und den Mord an ihrem Vater.
Gregory Eddi Jones (US) Promise Land [18]
Das Gedicht «The Waste Land» (1922) von T.S. Eliot inspirierte Gregory Eddi Jones ein Jahrhundert später dazu, Promise Land mit Bildmaterial aus Internet Bild- oder Werbearchiven zu realisieren.
Erik Kessels (NL) Muddy Dance [19]
Der atypische Künstler dachte sich ein unwahrscheinliches Fussballspiel aus. Er löschte auf 22 Schwarzweissbildern aus britischen Sportarchiven jeweils den Ball und verwandelt so die Partien in selbstlose Choreografien.
Lebohang Kganye (ZA) Staging Memories [20]
Die südafrikanische Künstlerin arrangiert mit ausgeschnittenen Figuren Szenerien, welche die freie Neuinterpretationen einer Kurzgeschichte aus der Vergangenheit zeigen, die von der Apartheid geprägt ist.
Gosette Lubondo (CD) Imaginary Trip II [22]
Gosette Lubondo erkundet eine ehemalige Dorfschule in der Demokratischen Republik Kongo und spielt mit uniformierten Spukgeistern Szenen nach, die an die Vergangenheit des Ortes erinnern.
Rachel Lopez (IN) What’s on Your Taxi’s Ceiling? [21]
Viele Taxis in Mumbai sind mit verzierten Decken geschmückt. Rachel Lopez machte mehr als 500 Selfies Fotos dieser Dekorationen und offenbart uns damit eine kitschige und geheimnisvolle Kunstwelt.
Diana Markosian (US / AM) Santa Barbara [23]
Die Dokufiktion erzählt die die romanhafte Geschichte ihrer Mutter, die nach dem Fall der UdSSR von den Russen verfolgt wurde und mit ihren beiden Kindern in Santa Barbara ein neues Leben beginnt.
Martin Parr & The Anonymous Project (GB) Déjà View [28]
In «Déjà View» stellt Parrs Schnappschüsse Bilder gegenüber, die von Anonymen gemacht wurden. Die Fotopaare zeichnen sich durch formale Ähnlichkeiten und die Analogie der behandelten Themen aus.
Daniel Mayrit (ES) One of Yours [24]
Daniel Mayrit schlüpfte in die Rolle eines Politikers im Wahlkampf. Er zeigt die Gemeinsamkeiten der Bildsprache und der Rethorik von Figuren wie Donald Trump, Marine Le Pen oder Jean-Luc Mélenchon.
Boris Mikhailov (UA) Yesterday’s Sandwich [25]
Boris Mikhailov schoss um 1970 eine Reihe von Fotos, die vom kommunistischen Regime zensiert wurden. Eines Tages überlagerte er zufällig zwei Dias aus dieser Serie übereinander und entdeckt so spannende zufällige Kombinationen.
Mimi Mollica (IT) East London Up Close [26]
Mit East London Up Close zeigt Mimi Mollica das Strassenleben zwischen 2014 und 2019 und spürt unerwartete Details auf, die den städtischen Raum bevölkern. Die Bildausschnitte sind eng, und sie geben Mollicas Art des Flanierens wieder.
Rahel Oberhummer (CH) Unearthed [49]
In Unearthed beschäftigt sich Rahel Oberhummer mit Mikroorganismen aus dem Permafrost, der als Folge des Klimawandels ein einzigartiges Ökosystem von Mikroben bedroht, die seit Jahrtausenden gefroren konserviert sind.
Stefanie Moshammer (AT) Each Poison, A Pillow [27]
Im Alter von rund acht Jahren schreibt Stefanie Moshammer einen Brief an das Christkind, es möge ihre Mutter von ihrer Alkoholabhängigkeit befreien. Daraus entsteht eine tiefe aber zerbrechliche Zuneigung zwischen Mutter und Tochter.
Lucas Olivet (CH) Au Bon Vin [50]
Au Bon Vin beschreibt die Geschichte der Schliessung eines hundertjährigen Cafés in Chardonne, oberhalb von Vevey, und dokumentiert dieses zusammen mit dem Wirtepaar, welches das Café seit über 30 Jahren geführt hatte.
Sergio Pinzón (CO) Tropicalpinisme [29]
Die Installation von Sergio Pinzóns ist das Ergebnis seiner Künstlerresidenz in Vevey und behandelt touristische Infrastrukturen, die tropische Umgebungen nachbilden, aber eigentlich in der freien Natur durchführbar wären.
Bettina Rheims (FR) Détenues [30]
In der Serie Détenues (Inhaftierte) beschäftigt sich Bettina Rheims mit der Inhaftierung von «gewöhnlichen» Frauen in Frankreich und beleuchtet damit ein Tabu des gesellschaftlichen Lebens: die Kriminalität von Frauen.
Alexander Rosenkranz (DE) Gibellina Model Studies [31]
1968 wurde Gibellina durch ein Erdbeben zerstört und anschliessend von postmodernen Architekten und Künstlern an neuer Stelle wieder aufgebaut. Die Studie hinterfragt mit Hilfe der Architekturfotografie die vollständige Neuerrichtung einer Stadt.
Guadalupe Ruiz (CH / CO) Petit Suisse [32]
Octavio bastelt im Kindergarten aus Käseverpackungen kleine Kunstwerke für seine Mutter Guadalupe Ruiz, welche diese im Fotostudio in eine Dokumentation grenzenloser Kreativität umsetzt und in limitierter Auflage veröffentlicht.
Michele Sibiloni (IT) Nsenene [35]
Nach der Regenzeit warten die Menschen in Uganda auf die Ankunft der «Nsenene» und stellen dann mehrere Wochen lang Fallen mit starken Lampen, um Buschgrillen in der Nacht anzulocken und diese danach auf dem Markt zu verkaufen.
Anastasia Samoylova (RU / US) Breakfasts [33]
Während ihres Frühstücks stöbert Anastasia Samoylova jeweils in den Büchern ihrer Lieblingsfotograf/innen. So stapeln sich allmählich auf dem Tisch aufgeschlagene Bücher und Lebensmittel zu malerischen Stillleben.
Shirana Shahbazi (CH / IR) A Bigger Reality Show [34]
Beeinflusst von Grafikdesign, Werbung und Medien mischt Shirana Shahbazi verschiedene fotografische Verfahren, welche am Festival Images Vevey die Schaufenster und Fassaden eines Gebäudes im Stadtzentrum schmücken.
Alec Soth (US) Dog Days, Bogotá [36]
2003 entdeckt Alec Soth in Kolumbien einen Brief, in dem die leibliche Mutter vor der Geburt seiner Adoptivtochter Carmen ihre Hoffnungen für ihr Baby formuliert. Dies motiviert ihn Carmens Heimatstadt zu fotografieren.
Thomas Struth (DE) Unconscious Collectivity [37]
Die Bilder von Thomas Struth zeigen unsere architektonische, soziale, ideologische und technologische Umgebung und erforschen die kollektiven Dynamiken, die unser kollektives Unterbewusstsein prägen.
Olivier Suter (CH) La Mort de l’art [38]
Angesiedelt zwischen Museum und Pantheon, enthält die Installation von Olivier Suter Fotografien der Grabstätten von mehr als 350 Malern, BildhauerInnen und Architekten von der Renaissance bis zur Gegenwart und huldigt damit seinen künstlerischen Idolen.
Dominique Teufen (CH) My Travels Through The World On My Copy Machine [39]
Dominque Teufen stellt Alltagsgegenstände auf die Glasscheibe ihres Fotokopierers und drückt den Auslöseknopf. Wie von Zauberhand erscheinen schneeweisse Gletscher, Gebirgspanoramen und idyllische Seen.
Bertien van Manen (NL) Give Me Your Image [40]
Auf langen Reisen übernachtete die niederländische Fotografin in den Wohnungen von Freunden und hält sie Ausschau nach den persönlichen Fotografien ihrer Gastgeber und hält so die Intimität jeder Gastfamilie in Bildern fest.
Daniel Wallace (CA) Decoded [41]
Der vom Hyperrealismus beeinflusste kanadische Künstler fertigt im Studio Porträts junger Frauen an und stellt diese ähnlich erscheinenden Bilder gegenüber, die jedoch durch eine künstliche Intelligenz aus dem Nichts erschaffen wurden.
Gillian Wearing (GB) Your Views [42]
Gillian Wearing startet 2013 mit einem partizipativen Werk, für das sie Menschen aus der ganzen Welt einlädt, den Blick aus ihrem Fenster zu filmen, was einzigartige und universelle Ausblicke sowie flüchtige Einblicke in die Intimität der Teilnehmenden ergibt.
Carmen Winant (US) Arrangements [44]
Carmen Winants Arbeit zeichnet sich durch eifriges Sammeln von Bildern und experimentellen Collagetechniken aus, mit denen sie die Dynamik des «feministischen Überlebens und der Revolte» untersucht.
Andrew Norman Wilson (US) In the Air Tonight [43]
In seinem Song «In the Air Tonight» (1980) berichtet Phil Collins die Geschichte eines Mannes, der sich weigerte einen Ertrinkenden zu retten. Diese urbane Legende bildet den Mittelpunkt der Videoinstallation «In the Air Tonight» von Andrew Norman Wilson.
Alba Zari (IT / TH) Occult [45]
Alba Zari beschäftigt sich mit dem Leben ihrer Mutter und mit ihrer eigenen Kindheit in Thailand. Sie zeichnet die Geschichte der christlich- fundamentalistischen Sekte «The Children of God» nach, in die sie hineingeboren wurde.
Das Wichtigste in Kürze
Wann: 3. bis 25 September 2022
Wo? In der Stadt Vevey und in La Tour-de-Peilz
Wer? Konzept und Planung: Stefano Stoll und sein Team
Wie viel? Der Besuch des Festivals ist kostenlos
Info: Sämtliche Informationen finden Sie auf https://www.images.ch
(Bilder: Pressematerial Images Vevey)