Die Kulturzeitschrift «Du» widmet ein bis zwei Hefte ihrer insgesamt acht Ausgaben pro Jahr Fotografen oder fotografischen Themen. Das jüngste Heft, die Dezember-Januar-Ausgabe ist ein Beispiel hierfür und der Person und den Arbeiten von Georg Gerster (1928 – 2019) gewidmet. Georg Gerster hatte Literatur und Philologie an der Universität Zürich studiert, dann war er Wissenschaftsredaktor der «Weltwoche» und widmete sich ab 1956 der freien Publizistik und der Fotografie. Auf seinen vielen und ausgedehnten Reisen in damals noch wenig erschlossene Länder, hatte er sich vor allem auf Flugaufnahmen spezialisiert, weil er beim senkrechten Blick aus dem Flugzeug Strukturen der Landschaft erkannte, die wie grafische Muster wirkten – Ansichten, wie man sie so zuvor kaum je wahrgenommen hatte. Tempel, Pyramiden, Festungen, aber auch landwirtschaftlich bebaute Flächen oder spannende Wasserverläufe präsentieren sich aus der Luft in einer ganz neuen Perspektive. «Höhe verschafft Übersicht, Übersicht verschafft Einsicht, und Einsicht erzeugt vielleicht – Rücksicht» hat Georg Gerster einst zu seinen Bildern philosophiert. Und tatsächlich hat er uns mit seinen Vertikalaufnahmen in vielen Ländern und Regionen nicht nur auf die Schönheit der Natur und auf spannende Strukturen aufmerksam gemacht, sondern er hat auch geografische und ökologische Besonderheiten in seinen Aufnahmen betont, die einem aus Augenhöhe nicht bewusst werden.
Georg Gerster hat mit seinen Flugaufnahmen einen ganz besonderen Stil entwickelt, eine eigene fotografische Handschrift, die weder vor noch nach ihm Fotografen mit dieser Konsequenz gepflegt haben. Über eine Million Flugaufnahmen aus mehr als hundert Ländern umfasst sein Archiv der Estate Georg Gerster, welche Gerster in rund sechs Jahrzehnten geschaffen hat. Sein Werk ist einmalig und wird mit viel Akribie aufgearbeitet, dokumentiert und digitalisiert, damit es der Nachwelt trotz medialer Veränderungen erhalten bleibt.
Die vorliegende Du-Ausgabe zeigt rund 40 Inkunabeln seines Schaffens, Bilder, die er besonders mochte und als seine Besten bezeichnete. Viele sind offensichtlich oder lassen mindestens vermuten, um welche Länder, Regionen oder Kulturgüter es sich handelt. Andere Fotos sind geheimnisvoll, geben uns Rätsel auf, vor allem auch, weil vielen Strukturen Vergleichsgrössen fehlen, die vielleicht das Rätsel lösen könnten.
Für Fotografie-Begeisterte dürfte die aktuelle Du-Ausgabe als Hommage an das Werk von Georg Gerster sicher eine Sammelswerte sein, an die man sich auch nach Jahren noch erinnern wird, zeigt das Heft doch einen repräsentativen Querschnitt durch das Werk eines der bedeutendsten Fotografen und Pionier der Luftbildfotografie.
Urs Tillmanns
Der Inhalt
Die Welt von oben – Oliver Prange
Augengold mit falschem Glanz? – Georg Gerster
Ein Vorwurf an die Luftbildfotografie wiederholt sich: Die Bilder seien schön, nein zu schön, verdeckten die Konflikte und das Leid am Boden. Sie hätten einfach keine gesellschaftliche Relevanz. Eine Antwort auf diese Kritik.
«Es gab für ihn bei seiner Arbeit keine Schranken, er lief durch Wände, überall» –
Anita Calonder Gerster im Gespräch mit Oliver Prange
Georg Gerster trieb seine Neugier, seine Suche nach den Schönheiten der Erde, sein Interesse für alte und neue Kulturen in die Ferne. Dafür nahm er Gefahren auf sich und scheute keinen Aufwand. Seine Ehefrau Anita Calonder Gerster erinnert sich an einen Universalgelehrten, der mit Worten genauso gut umgehen konnte wie mit der Kamera und eine spezielle Gabe für den richtigen Moment hatte.
er mit Geschichte – Anya von Schweinitz-Calonder im Gespräch mit Oliver Prange
Das Estate Georg Gerster bewahrt das riesige Archiv des Fotografen und macht es der Öffentlichkeit zugänglich. Seine Tochter Anya von Schweinitz-Calonder ist Direktorin des Estate und führt es in die Zukunft. Eine erfüllende wie herausfordernde Aufgabe.
Der Schatten des fliegenden Vogels – Daniele Muscionico
Georg Gerster hielt in seinen Bildern zahlreiche Kulturschätze Irans fest. Im Land selbst wird seine Arbeit bis heute verehrt. zum Anlass einer grossen Ausstellung 2016 im Iran traf Daniele Muscionico den Pionier Gerster in Zumikon.
Kanatbrunnen im iranischen Hochland – Georg Gerster
Biografie, Literaturverzeichnis
Editorial, Bildnachweis und Impressum, Service und Vorschau
Der Fotograf
Georg Gerster (1928 – 2019) studierte deutsche Literatur und Philologie an der Universität Zürich (Promotion 1954 mit «Die leidigen Dichter»). Von 1950 bis 1956 war er Wissenschaftsredaktor der «Weltwoche». Ab 1956 war Georg Gerster als freier Publizist und Fotograf mit den Schwerpunkten Wissenschaftsreportage und Flugfotografie tätig. Er publizierte u.a. im «National Geographic Magazine», der «Neue Zürcher Zeitung», «Bild der Wissenschaft», «Paris-Match», «Geo» und «The Sunday Times Magazine». Georg Gerster war ausserdem für die Werbeabteilung der Swissair tätig. Auf ausgedehnten Reisen dokumentierte Georg Gerster alle Erdteile, die Antarktis inbegriffen, auf Flugbildern. Georg Gerster gilt als einer der weltweit besten Flugfotografen.
Weitere Informationen zu Georg Gerster und seinen fotografischen Nachlass finden Sie im Estate Georg Gerster, die übrigens auch eine Edition exklusiver Fine Art Prints unterhält.
Bibliografie
Du-Ausgabe 918 – Georg Gerster
82 Seiten + Umschlag, Klebebindung, 40 Abbildungen, Format 24 x 31,5 cm
Ausgabe Dezember 2022 / Januar 2023
Du Kulturmedien AG, Ottikon
ISBN 978-3-907315-17-0, ISSN 0012-6837
Preis: CHF 20 / EUR 15
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.du-magazin.com/aktuell/
Die Du-Ausgabe 918 ist im Buch- und Zeitschriftenhandel, direkt beim Verlag oder im Abonnement (CHF 160 / EUR 139) erhältlich.