Es gibt sie noch, diese «Dachboden-Geschichten», von Kostbarkeiten, die längst in Vergessenheit geraten sind und irgendwann per Zufall wieder auftauchen. So geschehen auch im Kloster Engelberg, als die Archivare Rolf de Kegel und Beat Christen mit den Vorbereitungen der Jubiläumsfeierlichkeiten 2020 beschäftigt waren. Sie entdeckten dabei den Nachlass des Benediktinermönchs Pater Emmanuel Wagner (1853-1907), der sich neben seiner Mönchstätigkeit auch als Lehrer, Theaterregisseur, Kalendermann, Visionär und Fotograf beschäftigte. Zur Fotografie sei er wahrscheinlich gekommen – so schreibt Marius Risi in seinem fotogeschichtlich sehr interessanten und gut recherchierten Textbeitrag «Draussen vor der Pforte» – als Wanderfotografen in die Gegend kamen und Porträts als ihre Dienste anboten. Pater Wagner dürfte von diesem neuartigen Bilderverfahren begeistert gewesen sein und befasste sich nach 1883 intensiv mit der fotografischen Technik und deren dokumentarischen und gestalterischen Möglichkeiten.
Was Rolf de Kegel und Beat Christen in den Klosterschätzen fanden, waren 280 Glasplatten, die Emmanuel Wagner in rund 23 Jahren anfertigte, um das Leben im Kloster, vor allem aber auch Landschaften, Ereignisse und die ländliche Bevölkerung mit ihrem eigenständigen Brauchtum in eindrucksvollen Porträts darzustellen. Rund 80 davon sind nun Inhalt dieses Buches. Sie vermitteln uns das fotografische Erbe des ersten Fotografen im Kloster Engelberg, der mit diesem Werk in der Fotogeschichte der Schweiz eine bisher praktisch unbekannte aber nicht zu unterschätzende Rolle spielt.
Die Bilder versetzen uns in eine Zeit zurück, als im Engelbergertal eine ärmliche Bauernbevölkerung in einfachen Häusern lebte, die auf zahlreichen Fotos von Wagner zu sehen sind. Beliebter als Landschaftsbilder waren Gruppenaufnahmen und Porträts, mit denen Pater Emmanuel den Leuten Freude bereiten konnte und die uns heute an die Lebens- und Arbeitsweisen jener Bewohner des Tales erinnern. Weitere Bilder entführen uns in die lokale Theaterwelt, mit der sich Wagner als Regisseur sehr intensiv beschäftigt hatte, machen uns mit Persönlichkeiten oder unbekannten Charakterköpfen aus dem Tal in ausdrucksstarken Porträts bekannt und führen uns hinter die Mauern des Klosters mit seltenen Gruppenaufnahmen des Klosterkonvents.
Die Entdeckung von Emmanuel Wagners Nachlass und dieser Bildband ruft uns das in Vergessenheit geratene fotografische Werk von Emmanuel Wagner in Erinnerung und sichert ihm einen wohlverdienten Platz in der Fotogeschichte der Schweiz als frühester Fotograf des Kosters Engelberg.
Für wen ist dieses Buch? Es ist ein Bildband, der uns in die ländliche Welt vor 140 Jahren zurückversetzt und uns Einblick in die fotografische Tätigkeit eines Mönchs gibt, der – im Gegensatz zu den damaligen Wander- und Berufsfotografen – die Fotografie nicht betreiben musste, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern der sich ungezwungen seinen bevorzugten Motiven widmen konnte. Das Buch hat damit in seiner hervorragenden Druckqualität einen hohen dokumentarischen Wert, was mit den sehr informativen Textbeiträgen noch gesteigert wird.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Pater Emmanuel Wagner wurde am 15. Februar 1853 in Stans geboren. Nach der obligatorischen Schulzeit begann er im Oktober 1865 bei den Kapuzinern in Stans mit den unteren Klassen des Gymnasiums. 1868 wechselte er an die Stiftsschule Engelberg. Nach der sechsten Klasse entschloss er sich, in das Kloster Engelberg einzutreten. 1872 legte er das zeitliche Gelübde ab und erhielt den Klosternamen Emmanuel. 1875 erfolgte die Ablegung der ewigen Gelübde, und nach der Priesterweihe 1877 wurde der junge Mönch in der Schule und in der Seelsorge eingesetzt.
Charakteristisch für das ganze Leben von Pater Emmanuel Wagner war das Nebeneinander unterschiedlichster Aktivitäten als Lehrer, Theaterregisseur, Kalendermann, Visionär und Fotograf. Während Jahrzehnten blieben seine Arbeiten als erster Fotograf des Klosters unentdeckt. Die Bildwirkung seiner Aufnahmen ist verblüffend, und das Geheimnis liegt wohl bei den Fotografierten selber, die mal etwas erstarrt, mal freundlich, mal in leichter Pose, mal naiv, mal beruflich geprägt im Bild erscheinen. Im Gegensatz zum Maler konnte der Fotograf das Bild weder verändern noch leicht idealisieren oder einer Szenerie unterordnen. Er wollte mit seinen Aufnahmen keine Kunstfotos, sondern Zeitdokumente schaffen. Interessant ist dabei sein stets bewusster Bildaufbau. Hier setzt das Geistige in der von ihm geschaffenen Fotokunst an und macht seine Fotografien so einzigartig und speziell.
Pater Emmanuel Wagner starb am 6. Januar 1907 im Alter von erst 53 Jahren.
Der Inhalt
«Ein Fotograf in seiner Zeit» von Madleina Deplazes
Inhaltsverzeichnis
«Aufnahmen erzählen Geschichten» von Abt Christian Meyer OSB
Leben und Wirken
«Der Gestalter in der Mönchkutte» von Beat Christen
Häuser
Gruppenbilder
Studententheater
Volkskundliche Einordnung
«Draussen vor der Pforte» von Marius Risi
Portraits
Arbeit und Freizeit
Landschaft
Kloster
Literaturverzeichnis / Autoren / Danke / Impressum
Der Fotograf
Pater Emmanuel Wagner wurde am 15. Februar 1853 in Stans geboren. Nach der obligatorischen Schulzeit wechselte er 1868 an die Stiftsschule Engelberg und legte 1872 das zeitliche Gelübde ab. 1875 erfolgte die Ablegung der ewigen Gelübde, und nach der Priesterweihe 1877 wurde der junge Mönch in der Schule und in der Seelsorge eingesetzt. Er war zudem als Lehrer, Theaterregisseur, Kalendermann, Visionär und Fotograf tätig. Pater Emmanuel Wagner starb am 6. Januar 1907 im Alter von erst 53 Jahren.
Bibliografie
Emmanuel Wagner, Benediktinermönch (1853-1907), Fotografien
128 Seiten, 84 Fotografien, gebunden, Hardcover, Schutzumschlag
Format 24 x 28,8 cm
Texte von Madleina Deplazes, Abt Christian Meyer OSB, Beat Christen und Marius Risi
Herausgeberin: Benediktinerkloster Engelberg
Edition Odermatt, Dallenwil
ISBN 978-3-907164-57-0
Preis: CHF 48.00
Das Buch ist im Buchhandel und beim Verlag erhältlich, sowie im Kloster Engelberg (Pforte) und im Tal Museum Engelberg, wo noch bis 10. April 2023 die Ausstellung über Emmanuel Wagner zu sehen ist.