Gastautor/-in, 8. Februar 2023, 16:00 Uhr

Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (5)

Patrik und Christian sind immer noch in Äthiopien unterwegs zur Wiege des legendären «Zege»-Kaffes. Nachdem sie die Kaffeemetropole Haras besucht und zurück in Addis Abeba verschiedene Kaffeesorten gekostet hatten, geht die Fahrt jetzt weiter nach Süden in die Sidamo-Region.

Äthiopien gilt bekanntlich als Kaffeeursprungsland, und im Süden von Äthiopien soll, der Legende nach, die Wiege des Kaffees liegen. Deshalb sind wir nun unterwegs dorthin.

Als Patrik vor vier Jahren hier im Süden war, tuckerte er mit seinen Röstkollegen stundenlang auf staubigen Schotterpisten. Heute jedoch fahren wir bequem auf sehr guten Asphaltstrassen. Dabei verwundert es nicht, dass die jüngste Kindergeneration uns «Chinese!» zuruft. Nun wird unmissverständlich klar, wer in Äthiopien diese Strassen baut, und warum mehr und mehr Kaffee in den Osten verschwindet … Verlässt man aber die Hauptverkehrsachsen, um die abgelegenen Kaffeegärten der Kleinbauern zu erreichen, findet man noch heute Schotterpisten, welche immer für eine Überraschung gut sind:

 

Die beiden Esel sind weder umgestürzt noch krank. Nein, sie suhlen sich genüsslich auf dem rauen, sandigen Boden, um sich möglichen Parasiten zu entledigen

Auch die für die Sidamo-Region typischen Rundhäuser sieht man hier noch überall.

Noch heute werden diese urtümlichen Wohnhäuser wie früher gebaut und unterhalten

 

Bei unserer ersten «Washing-Station», bei welcher wir halt machen, stellen wir fest, dass wir zu spät gekommen kommen. Ich meine, nicht ein paar Minuten oder Stunden zu spät – sondern Wochen: Die Kaffeekirschen sind nicht nur längst von den Bäumen gepflückt, gewaschen und getrocknet, sondern sie werden soeben vor unseren Augen auf afrikanische Art weggetragen – mit viel Gesang, Gelächter und Gemeinsinn:

«Gemeinsam arbeiten» ist hier nicht nur eine Worthülse: Hier wird echtes Teamwork gepflegt

 

Eine Kaffeespezialität entdecken wir doch noch: Was hier relativ unspektakulär aussieht ist ein innovativer, wassersparender Aufbereitungsprozess. Bei der «Dry Fermentation»-Methode wird der entpulpte Rohkaffee im Tank mehrere Stunden eingeweicht und später sonnengetrocknet.

In der Pulping-Maschine werden die gepflückten Kaffeekirschen gequetscht, damit sich das Fruchtfleisch von den beiden Kernenhälften trennt. Danach werden die Bohnen in einem Betonbecken mit Frischwasser gesprenkelt, um den mehrstündigen Gärungsprozess in Gang zu setzen

Weil aufgrund der Klimaerwärmung in den letzten Jahren die Pflücksaison im Erntezyklus immer früher beginnt, kommen wir zu dieser Jahreszeit auch bei der nächsten Washing-Station zu spät. Wir treffen aber noch auf letzte Sortierarbeiten beim Sonnentrocknen der «Natural» aufbereiteten Kaffeekirschen und sehen, wie mit Sorgfalt über- und unreife Kirschen ausgelesen werden.

 

Auf sogenannten «African Beds» werden die Kaffeekirschen in Handarbeit einzeln aussortiert

Heute lief es bisher irgendwie nicht optimal und vor allem anders als geplant: Am Morgen war Patrik noch ein «Chinese», dann kamen wir immer zu spät und nun wurde er auch noch zum Clown: Als wir bei einem weiteren Kaffeelagerhaus die Arbeiter sahen, wie sie Kaffeesäcke vom Lastwagen in die Halle tragen, wollte Patrik das auch einmal ausprobieren. Denn schliesslich ist er sich gewohnt, in der Rösterei 60 kg Säcke zu tragen.

Sieht locker aus, wie Patrik einen Kaffeesack ins Lager trägt

Doch schon nach zwei Treppenstufen viel der Sack zu Boden. Er hatte nicht bedacht, dass bei den sonnengetrockneten Kaffeekirschen noch die getrocknete Fruchtschale dran ist und der Sack darum 85 kg wiegt. Doch wir hatten alle den Spass und als ich fragte, wo und wie die Fruchtschale von der Bohne getrennt wird, machten wir noch die Entdeckung des Tages: In der Mühle nebenan stand der wohl coolste Designstuhl Afrikas.

 

Afrikanischer Ideenreichtum: «Reduce to the Max!»

 

Mit unglaublichen Impressionen fahren wir zurück nach Hawassa, wo uns im Zentrum das Sidama Monument im Vollmondlicht entgegen thront.

Eine prächtige Abendstimmung mit Vollmond empfängt uns in Hawassa, mit dem gigantischen Sidamo-Monument, das als Wahrzeichen der Stadt mit unzähligen Mosaiken verziert ist

 

Lesen Sie auch:
in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar 
in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»

Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen

 

Die Personen

Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt Ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch

Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch

 

Ein Kommentar zu “Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (5)”

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    Diese Fotoreportage ist ein Genuss. Text und Bilder passen aus meiner Sicht perfekt zusammen. Solche Reportagen liest Mann/Frau heutzutage sehr selten.

    Freue mich bereits auf die nächste Folge

Kommentare sind geschlossen.

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