Nach fast zwei Wochen haben Patrik und Christian endlich ihr Ziel erreicht: den Tana-See mit der Insel, auf welcher Mönche den seltenen Zege-Kaffee anbauen. Die beiden sind von der prachtvollen Landschaft, der interessanten Kultur und vom eigenartigen Kaffeeanbau begeistert.
Mit den religiösen Wandbildern des gestrigen Tages vor dem geistigen Auge und den unübersehbaren Hinweisen zur Herkunft des Zege Waldkaffees setzen wir uns ins Boot, um die Suche nach dem Zege-Kaffee auf einer der zahlreichen Inseln im Lake Tana fortzuführen.
Der rund 70 km lange und 65 km breite See liegt auf 1786 Meter über Meer und ist Afrikas höchstgelegener und Äthiopiens grösster See, mit einer Fläche, die etwa der Grösse des Kantons St. Gallen entspricht. Neben den vielen uns unbekannten Vögeln, sehen wir da und dort auch Pelikane sowie Nilpferde, die nicht weit von uns auf- und abtauchen.
Der Tana-See gilt als Ursprung des Blauen Nils. Hier gibt es übrigens auch Nilpferde, an die wir ziemlich nahe herankamen
Schon bald sehen wir die erste der insgesamt etwa 30 Inseln.
Wir nähern uns einer der vielen Inseln im Tana-See
Als wir bei einer weiteren grösseren Insel in der Ferne ein Steingebäude entdecken und anlegen wollen, erkennen wir erst beim Näherkommen, dass es sich auf Grund des bewaffneten Mannes beim exotischen Bauwerk um eine Art alten Wachturm handeln muss. Wir dürfen anlegen, denn unser Begleiter Menelik ist bei den Einheimischen ein gern gesehener Gast.
Anlegemole mit einem altem Wachturm. Hier werden wir schon erwartet – von einem Wächter, der übrigens bewaffnet ist
Auf dieser Insel finden wir ein weiteres Kloster mit einer Kirche aus dem 18. Jahrhundert mit wunderschönen Kirchenfresken. Auf dem Rückweg zum Boot fallen uns die riesigen und wahrscheinlich uralten Feigenbäume auf.
Christian ist fasziniert von den uralten Feigenbäumen, welche die Ufer des Sees säumen
Faszinierend ist nur schon die Flora und Fauna der Ufer. Nicht umsonst ist der Tana-See seit 2015 Teil eines Biosphärenreservates, der «Lake Tana Biosphere Reserve».
Bei der Ankunft zur Insel wähnt man sich in einem Urwald
Als wir eine weitere Insel ansteuern, fällt uns sofort ihre schiere Grösse auf. Wir vermuten, dass die komplett bewaldeten Klippen ca. 250 Meter hoch sein müssen. Bei der offiziellen Anlaufstelle begrüsst uns ein freundlicher Mönch. Zu unserem Erstaunen müssen Christian und Patrik die Pässe abgeben. Da wussten wir – jetzt gilt’s ernst. In Begleitung des Mönchs begeben wir uns in das Dickicht des Waldes und stehen plötzlich in einer grossen Lichtung, wo in der Ferne ein älterer Mönch seelenruhig Kaffeekirschen in der Sonne trocknet.
Ein Mönch wendet in der Sonne die Kaffeekirschen
Spätestens jetzt wird allen klar: Wir sind auf der Insel mit den Mönchen, welche seit der Niederschrift der Legende auf dieser Insel ihr Leben Gott, dem Gebet und dem Kaffee widmen. Nach diesem Anblick aus einer längst vergangenen Zeit folgen wir Menelik wieder in den Wald, woher die frisch gepflückten Kaffeekirschen sackweise hergetragen werden. Und auf einmal sehen wir mit eigenen Augen im Dickicht des Unterholzes Umrisse zweier alten gebrechlichen Männer. In stoischer Ruhe pflücken zwei Mönche reife rote Kaffeekirschen im spärlichen Waldlicht. Dieses Bild werden wir nie vergessen.
Die meisten Mönche wollten nicht, dass man ihre Gesichter auf den Fotos erkennt – ein Wunsch, den wir selbstverständlich respektieren
Wir folgen dem Pfad weiter zum Gipfel und sehen auf der Handy-App, dass wir auf dieser Insel inzwischen auf 1850 Meter über Meer angelangt sind. Christian beobachtet, wie sich Menelik um Patrik kümmert, der seit Tagen unter Durchfall leidet. Hier oben, knapp 50 Meter unterhalb der Gipfelkirche, diskutiert er mit einem Priester über seine Notdurft. Nachdem das «Geschäft» erledigt und Patrik erleichtert ist, überreicht er dem Priester als Dank eine Kerze vom Kloster Einsiedeln, die mit der berühmten Schwarzen Madonna verziert ist und bittet ihn für den Frieden auf dieser Welt zu beten.
Die Kerze vom Kloster Einsiedeln mit der Schwarzen Madonna ist für den koptischen Mönch ein einmaliges und sehr geschätztes Geschenk
Danach erreichen wir doch noch den höchsten Punkt der Insel und finden dort eine prachtvolle Kirche. Sie ist, wie alle anderen, rund gebaut mit einem wunderschönen Laubengang.
Auf der abgelegenen Insel, die fernab von jeglichem Tourismus liegt, finden wir eine prachtvolle Kirche mit einem Rundgang
Auf dem Rückweg nach Bahir Dar passieren wir mit dem Boot noch zwei weitere Inseln. Auf der kleineren sind Nonnen zuhause, auf der grösseren wohnen die Mönche.
Ein prachtvoller Sonnenuntergang am Lake Tana ist die Krönung eines unvergesslichen Tages
Lesen Sie auch:
• in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
• in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
• in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar
• in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»
• in der 5. Folge erlebten Patrik und Christian wie der frisch gepflückte Kaffee verarbeitet wird
• in der 6. Folge hatten sich Patrik und Christian kulturellen Interessen zugewandt
In der nächsten Folge erleben Patrik und Christian, was Kaffeeeinkauf auf Afrikanisch bedeutet.
Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen
Die Personen
Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch
Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch