Hans Hofmann hat den Rückbau einer riesigen Industrieanlage, der Papierfabrik Utzenstorf, in einem Bildband festgehalten und damit ein Bilddenkmal zur Lokalgeschichte publiziert. Es sind beeindruckende Bilder, die das Ende eines einst landeswichtigen Betriebes dokumentieren.
«Mit einem lachenden und einem weinenden Auge» schrieb Beat Singer, der Gemeindepräsident von Utzenstorf, wohl das Vorwort zu diesem Bildband. Die «Papieri», wie die Papierfabrik von den Einheimischen genannt wurde, war während 125 Jahren nicht nur der wichtigste Arbeitgeber auf dem Gemeindegebiet, sondern auch eine der bedeutendsten Papierlieferanten unseres Landes. Es soll Zeiten gegeben haben, da wurde die Hälfte aller Zeitungen auf Uetzentorf-Papier gedruckt. Das Unternehmen beschäftigte bis zu 220 Mitarbeitende, und die Anlage umfasste rund 100 Gebäude.
Das Aus für die Papierfabrik Ende 2017 war für die kleine Bernergemeinde ein Schock. Die Digitalisierung, die Information über Newsportale und Social Media-Kanäle, hat die Zeit verändert, und mit dem grassierenden Zeitungssterben war auch die Papierfabrik Uetzenstorf – wie viele andere auch – nicht mehr zu retten.
Was einst zum Stolz der Schweiz gehörte, soll in seiner letzten Phase nochmals dokumentiert werden – so das Leitmotiv für ein gewaltiges Fotoprojekt von Hand Hofmann, der danach jede Woche mindestens einen Tag in Utzenstorf verbringt. Mit seiner Leica Monochrom verfolgt er alle entscheidenden Phasen des Rückbaus, setzt jene Bagger und Bulldozer wirkungsvoll ins Bild, welche die Betonstrukturen einreissen, den Schutt abtransportieren – und auch der Beton-Beisser kommt mit aufs Bild, der sich heisshungrig durch die Armierungseisen frisst.
Je länger sich Hofmann mit den Rückbauvorgängen befasst, desto mehr wird ihm die Tragweite seines fotografischen Projektes bewusst. Bald sind es Hunderte Aufnahmen, die sich auf der Festplatte sammeln, die sortiert und selektioniert werden wollen, um dann das letzte Kapitel der «Papieri Utzenstorf» zu dokumentieren – dies in einem grossformatigen Buch.
Mit vorbildlicher Konsequenz und einem gigantischen Zeitaufwand hat Hans Hofmann sein Projekt zu Ende gebracht. Es ist ein Buch entstanden, dem ein grosser historischer Wert zukommt und über die Lokalgeschichte hinaus von Wichtigkeit ist. Die Bilder von Hofmann zeigen nicht nur sachlich den Rückbau einer gigantischen Industrieanlage, sondern vermitteln auch mit einem wehmütigen Touch die menschliche Seite eines zeitbedingten Wandels.
Für wen ist dieses Buch? Abgesehen vom lokalhistorischen Wert dieses Buches ist eine beispielhafte Reportage über ein bestimmtes und faszinierendes Thema entstanden. Ein Langzeitprojekt, das Hans Hofmann mit beachtlicher Konsequenz und Ausdauer realisiert hat. Es sind Bilder, die nicht nur motivmässig und gestalterisch hervorragend sind, sondern vor allem solche, die heute schon Seltenheitswert haben.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Herausgebers
Drei Jahre lang hat der Berner Fotograf Hans Hofmann den Rückbau der Papierfabrik Utzenstorf begleitet. Jeweils einen Tag pro Woche war er mit seiner Kamera auf dem Gelände unterwegs. Entstanden sind stimmungsvolle Schwarzweiss-Fotografien. Düstere und kraftvolle Bilder dokumentieren den Abbruch: Hart arbeitende Angestellte, die alles aus den rund 100 Betongebäuden herausreissen, oder solche, die mit rund 100 Tonnen schweren Baggern vierstöckige Gebäude dem Erdboden gleichmachen.
Der Inhalt
Ein lachendes und ein weinendes Auge. Vorwort von Beat Singer
Die dampfenden, walzenden und lärmigen Anlagen verstummten. Vorwort von Bernhard Ludwig
Ein Ort verschwindet – Papierfabrik Utzenstorf. Vorwort von Hans Hofmann
Mehrfachsäge und Entrindung
Abwasserreinigungsanlage
Holzplatz mit Förderbändern
Wasserpuffer
Altpapieraufbereitung
Werkstatt
Elektrokabellager
Alte Rindenverbrennungsanlage und Schlammverbrennung
Schlammentwässerung
Kesselhaus
Spedition
Verwaltungsgebäude und Portierloge
Papiermaschinenhalle
Meilensteine
Ein Leben für die «Papieri» von Hans Hofmann
Dank
Biografie Hans Hofmann
Der Fotograf
Hans Hofmann wurde 1949 in Thun geboren und lebt seit 45 Jahren in Bern. Er war Lehrer und Dozent an der Pädagogischen Hochschule Bern mit dem Schwerpunkt Mathematik. Neben seiner beruflichen Tätigkeit hat er sich autodidaktisch zum Fotografen weitergebildet und ist seit zwölf Jahren als freischaffender Fotograf unterwegs. Seine Arbeit «Walfangstation auf Deception lslands» (2017) war in der Sparte Fine Art für den Swiss Photo Award nominiert. Hofmanns Bilder wurden mehrmals an der «Photo Zürich» und an der «Cantonale Bern Jura» ausgestellt. Hinzu kamen zahlreiche Einzelausstellungen zu den Themen Skye, Lost Places, Aletschgletscher, Antarktis und lsland, Wellen in Nazare und Süntelbuchen in der Champagne. www.hans-hofmann.com
Bibliografie
240 Seiten, 237 Fotos, Fadenheftung, Librettobindung, Softcover,
Format 27,5 x 38 cm, erschienen im September 2022
Texte von Beat Singer, Bernhard Ludwig und Hans Hofmann
Eigenverlag Hans Hofmann, Bern
Preis CHF 55.00
ISBN 978-3-033-09062-0
Das Buch kann im Buchhandel oder direkt beim Autor bestellt werden.
Vom gleichen Autor erschienen:
Hans Hofmann «Hornussen – Alter Brauch, moderner Sport»
„….. ein Bilddenkmal zur Lokalgeschichte publiziert“
Liebe Redaktion, gerade das sehe auf den Beispielfotos nicht. In meinen Augen ist der Großteil der im Artikel gezeigten Bilder austauschbar und könnte auf nahezu jeder Baustelle bei einem Abbruch aufgenommen worden sein. Gibt es auch Bilder die tatsächlich die Veränderung gerade dieses Objekts zeigen?
Der Eindruck trügt. Es ist bei diesen Buchbesprechungen immer schwierig, die richtigen Bilder zu zeigen, die wirklich repräsentativ für das Buch sind. Ich habe bei dieser Rezension die Bilder mehr nach der fotografischen Qualität ausgewählt als nach der historischen Wichtigkeit. Es gibt jedoch unter den mehr als 200 Bildern sehr viele, welche für die Architektur der damaligen Papierfabrik typisch sind und deshalb einen beachtlichen lokalhistorischen Wert haben.
Sehr geehrter Herr Tillmanns, geht es in dem Buch nicht primär um den Rückbau einer ganz speziellen Industrieanlage? Sie schreiben: „… habe bei dieser Rezension die Bilder mehr nach der fotografischen Qualität ausgewählt „.
Wenn das die besten Fotos des Buches sind dann befürchte ich dass die Qualität insgesamt eher bescheiden sein wird; zumindest wenn es um eine Dokumentation geht. Mich zumindest konnten die Bildbeispiele nicht überzeugen obwohl ich das Thema super interessant finde. Irgendwie wurde in meinen Augen am Thema vorbei fotografiert bzw. die Bilder ausgesucht. Es wurde von Ihnen Wert auf Kriterien gelegt die im Grunde genommen nichts mit der Papierfabrik zu tun haben.
Sehr geehrter Herr Spirgi. Wir sind offensichtlich unterschiedlicher Meinung. Ich bin der Ansicht, dass die ausgewählten Bildbeispiele sehr wohl typische Gebäude der Papierfabrik Utzenstorf zeigen, und dass ich diese hinsichtlich der fotografischen Qualität als gut beurteile. Aber wir müssen ja nicht gleicher Meinung sein. Mein Vorschlag: Kaufen Sie sich das Buch, wenn Sie schon am Thema interessiert sind, schauen Sie sich in Ruhe alle Bilder an und urteilen Sie erst dann über deren fotografische Qualität. Und erst dann werden Sie beurteilen können ob ich «Wert auf Kriterien gelegt habe, die im Grunde nichts mit der Papierfabrik zu tun haben».