Am zweitletzten Tag ihrer Äthiopienreise besuchen Patrik und Christian in Addis Abeba das grösste Kaffee-Lagerhaus Afrikas. Hier werden abertausende von Säcken umgeschlagen und manuell für den Weitertransport in alle Länder der Erde vorbereitet.
Zurück in Addis Abeba nutzen wir den Tag, um in der Hauptstadt das grösste Kaffee-Lagerhaus von ganz Afrika zu besuchen. 150’000 Rohkaffeesäcke aus dem ganzen Land werden dort zwischengelagert und gehandelt. 85 Prozent davon ist gewaschener Rohkaffee. Als wir die erste Halle gefüllt mit Kaffee betreten, wird uns die gewaltige Dimension dieses Lagerhauses bewusst.
Abertausende Kaffeesäcke warten in der grössten Kaffee-Lagerhalle Afrikas auf den Weitertransport
Hier herrscht emsiges Treiben. Im Gegensatz zu unseren vertrauten, voll automatisierten Logistikhallen, dominiert hier noch viel Handarbeit. Schuftende Lagerarbeiter prägen hier das Bild. Gemeinsames Anpacken und ein Lächeln zählen hier mehr als Roboter und Hochregallager.
Mit Manneskraft werden die 85kg schweren Säcke scheinbar locker auf die Schubkarren gehievt
Mehrmals müssen wir als staunende Besucher den fleissigen Warenhausmitarbeitern ausweichen, welche mit Rohkaffeesäcken befüllten Handkarren an uns vorbei rauschen.
In zügigem Tempo rauschen die Arbeiter mit ihren Sackkarren an uns vorbei
Im Nebengebäude können wir das dazugehörende Qualitätslabor besuchen. Hier wird uns erklärt, dass der ankommende Kaffee gemäss einem systematischen Qualitätssystem geprüft und qualifiziert wird.
Der Chef der Lagerhalle erklärt uns das System der Katalogisierung des geprüften Kaffees
Die zu prüfenden Kaffeemuster werden auch hier nach einem Cupping-System blind verkostet und kategorisiert, bevor sie exportiert werden können.
Im hauseigenen Labor werden Stichproben des Kaffees blind «gecuppt»
Mekedonia – ein Musterbeispiel afrikanischer Direkthilfe
Nach dem Verlassen des Lagerhauses nutzen wir die Zeit um beim privaten Hilfsprojekt «Mekedonia» des zurückgekehrten Emigranten Dr. Benyam Belete vorbeizugehen. Christian hatte einen ganzen Koffer gefüllt mit gut erhaltenen Kleidern, Brillengestellen und Kugelschreiber zum Spenden nach Äthiopien gebracht. Diesen nahm der Leiter der Organisation, Behailu Tilanon, mit Freude entgegen.
Das Projekt Mekedonia bekam am Rande von Addis Abeba ein Stück Land von der Regierung zur Verfügung gestellt. Angefangen mit 15 Randständigen aus den Strassen der Grossstadt, finden hier mittlerweile 3000 Bedürftige Hilfe. Auf dem folgenden, ungeplanten Rundgang mit dem begeisternden Manager Behailu Tilanon erkennen wir, dass «African Solutions for African Problems» langfristig der beste Hilfsansatz für diese Bedürftigen ist.
Der Leiter der Organisation, Behailu Tilanon, führt uns durch das Hilfswerk
Auf den ersten Blick mag es für europäischen Augen vielleicht etwas befremdlich wirken, wenn in einem Rohbau mehrere hundert psychische Kranke und medizinisch bedürftige Menschen Bett an Bett untergebracht sind und noch nicht gelieferte Fenster provisorisch einfach mit Wolldecken abgedeckt werden. Doch die Hilfesuchenden sind für die Unterkunft und die Unterstützung ausserordentlich dankbar.
Bett an Bett finden hier die Hilfesuchenden eine Unterkunft – auch mit improvisiertem Fensterersatz
Je mehr glückliche Menschen wir sehen, umso mehr ändert unsere Wahrnehmung: Wir sehen da eine Kleingruppe um einen Tisch mit kleiner Musikanlage zu Reagge Musik tanzen und sich freuen, als Christian vom Rhythmus angesteckt wird. Wir treffen dort auch auf eine ältere Gruppe Herren gemeinsam fernsehen und erfahren von Behailu, dass Freiwillige die Bewohner betreuen und täglich Fachärzte zu Besuch kommen.
Ein altes Fernsehgerät bringt etwas Abwechslung in den Alltag
Reagge Musik macht glücklich. Sie hat, für viele überraschend, ihre Wurzeln in Äthiopien
In einem Einzelzimmer mit persönlicher Betreuung wohnt Gideon, der mit seiner Lähmung nicht sprechen kann rundum betreut werden muss. Sein Betreuer und mittlerweile bester Freund hauste auf der Gasse und konnte dank dem Projekt zu einem würdigen Leben zurückfinden.
Gideon ist gelähmt und kann nicht sprechen. Trotzdem ist er hier glücklich und empfängt uns mit einem zufriedenen Lächeln
Sogar der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali hatte Gideon bei einem kürzlichen Besuch seine Ehre erwiesen. Auch für uns war es ein ergreifender Moment, Gideon zu besuchen und von ihm ein überaus herzliches Lächeln zu empfangen werden.
Weitere Informationen über das Hilfswerk «Mekedonia» finden Sie hier.
Lesen Sie auch:
• in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
• in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
• in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar
• in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»
• in der 5. Folge erlebten Patrik und Christian wie der frisch gepflückte Kaffee verarbeitet wird
• in der 6. Folge hatten sich Patrik und Christian kulturellen Interessen zugewandt
• in der 7. Folge haben Patrik und Christian endlich die Insel des Zege-Kaffees erreicht
• in der 8. Folge wohnten Patrik und Christian einer Verhandlung zwischen Kaffeebauern und ihren Abnehmern bei
Der nächste und letzte Teil unseres Berichts erzählt über ein grosses Hilfsprojekt in Yetebon, wo unter anderem auch eine neu entdeckte Kaffeesorte aufgezogen wird.
Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen
Die Personen
Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch
Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch
Besten Dank für Erstellung und Publikation dieser Fotoreportage(n). So etwas liest man heutzutage selten. Ich finde es interessant wie sich Christian Herbert Hildebrand und Patrik Hosennen in dieser Reportage ergänzen. Wort und Bild passen aus meiner Sicht perfekt zueinander.
Noch einmal ein grosses Merci!