Vor einigen Jahren erfuhr Patrik von einer neuen Kaffeevarietät mit einem unglaublichen Geschmacksaroma, welche unweit von Addis Abeba entdeckt wurde. Deshalb wollten die beiden vor ihrem Rückflug in die Schweiz noch einen letzten Abstecher in die Gebirgsgegend von Yetebon unternehmen.
Yetebon ist nur rund 135 Kilometer von Addis Abeba entfernt, doch über staubige Landstrassen durch eine zerklüftete Gebirgslandschaft müssen Patrik und Christian gute zweieinhalb Autostunden rechnen. In dieser dünnbesiedelten Gegend geben uns zwei Paviane unmissverständlich zu verstehen, dass die Strasse eigentlich ihnen gehört. Sonst gibt es hier wenig zu sehen – abgesehen von einer überfahrenen Hyäne, die noch irgendwo mitten auf der Strasse lag.
Zwei Paviane erklären die Landstrasse nach Yetebon zu ihrem Hoheitsgebiet
Im kleinen Bergdorf Yetebon auf über 2200 Meter über Meer angekommen, wird uns von der dort ansässigen Hilfsorganisation «Mercy» eine Unterkunftsmöglichkeit angeboten. Die Non-Profit Organisation wurde vor über 45 Jahren gegründet und betreibt in dieser unwirtlichen Gegend eine Agrarschule, eine Schule für Kinder und Jugendliche und sogar ein Spital.
Die Intensivstation im Spital von Yetebon. Dass dem Spitalbett ein Rad fehlt, das kurzerhand mit einem Stein ersetzt wurde, stört hier niemanden
Von der bescheidenen, aber sehr gepflegten Infrastruktur und den diversen Ausbildungsplätzen in Agrar- und Gesundheitsberufen profitieren über 400 Bauernfamilien, welche in einer Kooperative zusammengeschlossen sind und so zu Wissenstransfer und Technologiezugang kommen.
Noch immer ist die Landwirtschaft von Jahrtausende alten Strukturen geprägt. Mit einfachsten Mitteln wird das Brachland gelockert und das Getreide mit im Kreis laufenden Kühen gedrescht
Agronom Mohamed führt uns auf einen Rundgang durch die erst vor drei Jahren gegründete Kaffeebaumschule. Sie ist das Resultat einer überraschenden Entdeckung, denn diese eher trockene Hochgebirgslandschaft gehört nicht zu den traditionellen Kaffee-Anbaugebieten Äthiopiens.
Die zarten Setzlinge der Kaffeepflanzen werden im Halbschatten eines einfachen Gewächshauses angebaut
Als die Projektleitung vor einigen Jahren nach Kaffee fragte, verwies der damals noch wenig bekannte Beratu, einer der 400 Farmer des Projektes, auf vereinzelte Kaffeesträucher in seinem Garten. Doch dann entpuppte sich dieser Kaffee als eine Sorte mit einem unglaublich komplexen Geschmacksprofil mit intensiven, honigsüssen Noten. In der Folge kümmerte sich Beratu um die systematische Aufzucht und Vermehrung in der Baumschule, wo die neuen, noch unbekannten Setzlinge nach seinen Namen getauft wurden.
Beratu strahlt. Die Freude an «seinem» Kaffee ist unübersehbar
Inzwischen wurden bereits 7500 Kaffeesetzlinge um das Spitalgebäude herum angepflanzt. Sie sollen für alle Spitalbesucher gut sichtbar sein und weitere Bauern auf praktische Weise inspirieren, denn langfristig will man mit dem Ertrag aus dem Kaffeeverkauf das Hilfsprojekt selbsttragend und unabhängig von Spendengeldern machen.
Dabei ist das trockene Klima hier auf über 2300 Meter über Meer Fluch und Segen zugleich. Einerseits führt bei mangelndem Regen die Wässerung zu enormem Mehraufwand, anderseits begünstigen die harten Klimabedingungen in dieser beträchtlichen Höhe die Aromavielfalt des Kaffees.
Die Jungpflanzen der neu entdeckten Kaffeesorte werden im Schatten des Waldes angebaut und gedeihen dort prächtig
Schaut man die jungen Kaffeebäumchen genauer an, ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie an einem Ast alle Reifestadien gleichzeitig auftreten – von der Jasmin-duftenden Blüte über grüne Kaffeekirschen bis zu reifen roten Kirschen. Für die Kaffeepflücker hat das zur Folge, dass man mit grossem Aufwand manchmal während Wochen mehrmals zu den gleichen Bäumen laufen muss, um nur die besten Kirschen im optimalen Reifestadium zu ernten.
Blüten, befruchtete Fruchtknoten, unreife und reife Kirschen am gleichen Ast
Die gepflückten Kaffeekirschen werden auch hier nach der Natural-Methode weiterverarbeitet: Man trocknet sie auf den sogenannten «African Beds» direkt an der Sonne. Das hat den Vorteil, dass man danach nur noch in der Trockenmühle die harte Fruchtschale von den zwei Bohnen im Innern trennen muss.
Auf dem «African Bed» werden die Kaffeekirschen zum Trocknen immer wieder von Hand gewendet
Auf dem Rundgangrückweg fällt uns ein dumpfes und regelmässig klopfendes Geräusch auf. Beim Nähertreten stellt sich heraus, dass zwei Mitarbeitende mit zwei Holzstöcken gerösteten Kaffee zermahlen. Dieses Bild erinnert uns einmal mehr daran, dass Äthiopien die älteste Kaffeekultur der Welt hat und es noch so viel zu entdecken gäbe, was uns in dieser kurzen Reisezeit verschlossen blieb.
Die Einheimischen pflegen ihre spezielle Kaffeekultur und malen ihren eigenen Kaffee immer noch im Mörser
Vor allem möchte Patrik endlich erfahren, wie die neue Kaffeevariante Beratu in der Tasse schmeckt. Was heisst denn komplex konkret? Um das herauszufinden, bleibt nichts anderes übrig, als schon bald wieder in dieses faszinierende Kaffeeland zurückzukehren …
Patrik und Christian hatten auf ihrer Reise die wichtigsten Kaffee-Regionen in Äthiopien besucht – sie sind in kurzer Zeit weit gereist
Lesen Sie auch:
• in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
• in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
• in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar
• in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»
• in der 5. Folge erlebten Patrik und Christian wie der frisch gepflückte Kaffee verarbeitet wird
• in der 6. Folge hatten sich Patrik und Christian kulturellen Interessen zugewandt
• in der 7. Folge haben Patrik und Christian endlich die Insel des Zege-Kaffees erreicht
• in der 8. Folge wohnten Patrik und Christian einer Verhandlung zwischen Kaffeebauern und ihren Abnehmern bei
• in der 9. Folge besuchten Patrik und Christian das grösste Kaffee-Lagerhaus Afrikas
• Nachtrag: Mit der Fujifilm GFX100s im Kaffeeland Äthiopien unterwegs
Damit findet diese Artikelreihe ihren Abschluss. Patrik und Christian wollten damit von einer spannenden und abenteuereichen Reise in ein wenig bekanntes Land erzählen – Patrik aus der Sicht des Kaffee-Spezialisten und Christian durch den Sucher seiner Kamera.
Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen
Die Personen
Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch
Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch
Hallo Patrik und Christian, herzlichen Dank, dass ihr mich teilnehmen liesset auf eurer sehr intensiven und spannenden Reise. Die so grosse mit viel Arbeit, der Kaffeebauern und für mich mühevolle Arbeit der Frauen. Danke auch für die Landkarte. Ich bin gespannt auf den Kaffee. Komme dann gerne vorbei. Ich wünsche euch eine gute Heimreise. Alles Gute Trudy Rehm