Wladimir Bruderer verstarb am 14. Februar 2023 in Lichtensteig im Toggenburg. Der frühere Leiter des Vortragsdienstes bei Kodak SA Lausanne machte sich zusammen mit seiner Frau Greta in ihrer Photopraxis in Lichtensteig selbständig und war Initiant der Schweizerischen Photoflohmarktes.
Wer den Namen Wladimir Bruderer hört, denkt unweigerlich an den Schweizerischen Photoflohmarkt in Lichtensteig. Er hatte diesen vor 48 Jahren, zusammen mit dem damaligen Kurdirektor Rolf Geiger, gegründet, und damit das Toggenburger Städtchen um eine Marktattraktion reicher gemacht.
Wladimir Bruderer, der am 27. Februar 1934 in Aarau geboren wurde, in Oberengstringen aufwuchs und am 14. Februar 2023 in Lichtensteig verstarb, hat ein erfülltes Leben hinter sich, das durchgehend von der Fotografie geprägt war. Zwar wollte sein Vater unbedingt, dass Wladimir einen «richtigen» Beruf erlerne, und so kam er nach seiner Schulzeit in die damalige Waggon- und Aufzugfabrik Schlieren, um eine Lehre als Maschinenschlosser zu absolvieren. Doch sein Ziel war – wie auch dasjenige seines um sieben Jahre jüngeren Bruders Rolf, der später in New York als erfolgreicher Werbefotograf selbständig war – die Fotografie zu seinem Lebensinhalt zu machen. Nach der Lehre heuerte er auf dem Schweizer Frachter «Anunciada» an, um die Welt zu sehen und das Erlebte mit seiner ersten Rolleiflex festzuhalten.
Sein nächstes Ziel war Hamburg, um die Fotografie in der dortigen Fotoschule von der Pike auf zu erlernen. Immer wieder zog es ihn nach Norderney an der Nordsee, wo er die Zeit als Strandfotograf nutzte und dort später seine Fotografenlehre offiziell abschloss. Einige seiner Reisen brachten ihn nach Spanien und nach Paris, aber auch nach Grindelwald, wo er mehrmals bei Foto Alex als Sportfotograf arbeitete. Seine Reisen und seine Sprachenbegabung erleichterte ihm in fremden Ländern den Umgang mit Menschen, hinzu kam seine Offenheit und seine Fähigkeit anderem Menschen zuzuhören und auf ihre Anliegen einzugehen – was sich später im Geschäftsleben als grossen Vorteil erweisen sollte.
Hier braucht es einen Einschub zu seinem Vornamen: «Wladimir», den er aufgrund einst russischer Vorfahren erhielt, war zur Zeit des Kalten Krieges nicht sehr gerne gehört, so dass daraus ganz einfach «Waldemar» – und für seine Freunde «Waldi» – wurde. So findet sich «Waldemar» auch auf vielen Dokumenten, auch auf denjenigen der Firma Kodak Lausanne, wo er von 1964 bis 1974 tätig war. Die Zeit bei Kodak brachte ihn zweimal zur Weltausstellung nach New York, doch leitete er in seiner Hauptfunktion den damaligen Vortragsdienst in der Schweiz, um beispielsweise Fotoklubs und andere interessierte Kreise von seinem reichen Praxiswissen profitieren zu lassen.
In seiner Lausanner Zeit lernte Wladimir seine spätere Frau Greta Eisenhut (1947-2014) aus Appenzell (geboren in Zug) kennen, die 1965/66 in Zürich ihre Lehre als eine der ersten Fotoverkäuferinnen abschloss und danach in Lausanne in einem Fotogeschäft arbeitete. Die beiden heirateten 1971 und setzten sich zum Ziel eigene Pläne zu verwirklichen.
Wladimir und Greta Bruderer in ihrer «photopraxis». Das Fachgeschäft in Lichtensteig genoss in einem grossen Einzugsgebiet einen hervorragenden Ruf
In einem Büro bei Kodak in Lausanne hing irgendwo eine Schweizerkarte, auf der mit roten Fähnchen alle Fotogeschäfte der Schweiz markiert waren. Dort, wo es keine Fähnchen hatte, wollten die beiden ein Fotogeschäft eröffnen. Die Wahl fiel auf Lichtensteig, dies zu einer Zeit der Hochblüte des Fotohandels und mit der Überlegung, dass hier ein grosser Bedarf nach einem Fotofachgeschäft bestand, nicht nur um Kameras zu verkaufen, sondern vor allem auch nach Reportagen aller Art, auch bei der hier ansässigen Industrie und dem Kleingewerbe. Zudem brauchten die Leute Pass- und Personenbilder, wollten Hochzeitsreportagen, liessen ihre Filme entwickeln und bestellten Vergrösserungen. All dies boten Waldi und Greta Bruderer, die 1975 ihre «photopraxis» in einer früheren Gewürzmühle eröffneten. Und in der Migros-Klubschule konnte Waldi vielen Fotointeressierten zu besseren Fotos verhelfen, die dann in der Photopraxis Stammkunden wurden. Die Rechnung ging auf, auch wenn die beiden zwischendurch geplante Investitionen noch etwas zurückstellen und auf grosse Reisen verzichten mussten.
Die Initiative des Fotoflohmarktes soll Waldi mit dem damaligen Kurdirektor Rolf Geiger zu geselliger Stunde entwickelt haben. Zwar musste die frische Idee noch etwas ausgegoren werden, doch brachte der erste «Schweizerischen Photoflohmarkt» im Herbst 1976 ein neues Publikum an den offiziellen Markttag des Toggenburger Städtchen, dessen Name seither in der internationalen Fotowelt zu einem Begriff geworden ist.
Am 14. Februar 2023 ist Wladimir Bruderer für immer verstummt. Er hat mit seinem reichen Erfahrungsschatz und seinem grossen Fachwissen vielen Interessierten die Fotografie näher gebracht, hat unzähligen Sammlern und Kollegen weitergeholfen, wenn es um alte Kameras ging, deren Handhabung einiges an Wissen und Können voraussetzte. Waldi war nicht einfach ein Verkäufer, sondern er war in erster Linie ein Freund und Berater, der es verstand auch komplizierte Sachverhalte einfach und logisch zu vermitteln. Im Alter von 89 Jahren und geistig fit, haben ihn nun die Kräfte verlassen. Er nimmt ein grosses Fachwissen mit – aus einer Zeit, als die Fotografie noch eine andere war.
Urs Tillmanns
Waldi, merci pour tout ce que tu as fait pour la photographie. Amateurs ou professionnels nous t’en sommes reconnaissant. En pensées avec tes proches.
Philippe Maeder
Ja er war ein wunderbarer Mensch, ich habe vor ca. 35 Jahren bei ihm in Lichtensteig meine erste GF Kamera eine Arca Swiss Classic 4×5 inch bei ihm gekauft.
Und das zu einem sehr fairen Preis.
Gute Reise Waldi
Er war ein sehr interessanter Mensch, habe viele Stunden mit ihm geplaudert und ihn letzen Winter noch besucht. Ruhe in Frieden Waldi.