Seit 1998 gibt es die englischsprachige und damit internationale Test-Website für Digitalkameras dpreview.com. In London von Phil Askey und anderen Enthusiasten ins Leben gerufen und bereits 2007 von Amazon übernommen, was später einen Umzug der Redaktion nach Seattle zur Folge hatte, fällt die Website der jüngsten Entlassungswelle bei Amazon zum Opfer. (Seit wenigen Monaten krassieren Massenentlassungen bei viele Tech-Giganten um die Unternehmen in den derzeitigen Krisen auf Sparkurzs zu bringen.) Ab dem 10. April wird DP Review eingestellt und später die Website ganz vom Netz genommen.
Anders als fotointern.ch, das ursprünglich als gedrucktes Branchenblatt enstand und sich auch als Online-Magazin auf umfassende Nachrichten aus der gaznzen Fotobranche und -szene konzentriert, standen bei DP Review («digital photography review») die Kameratests (reviews) im Mittelpunkt, wobei natürlich auch Produktankündigung insbesondere Kameraneuheiten das tägliche Futter für alle an den neusten Kameras interessierten Menschen bot. Möglich machten die Tests viel Manpower und später mit Amazon auch ein finanzstarkes Unternehmen im Hintergrund, das selbst grosse Verlage vor Neid erblassen liess. Dank der Internationaltät und den ausführlichen, fundierten Test wurde dpreview.com zum weltweit wichtigsten, reichweitsenstärksten Online-Fotomagazin. Das zeigt sich auch immer daran, dass das DP Review meist lange vor anderen Fotomagizinen bereits Produktsamples zum Testen erhielt, sodass sie zum Zeitpunkt der offiziellen Ankündigung oft schon einen ersten Test publizieren konnten – einige Mal versehentlich auch schon vor Ankündigung.
Screenshot der dpreview-Website: Oben prangt die Titelleiste mit der Ankündigung zur Einstellung von dpreview, die auch durch einen News-Artikel kommunziert wird.
Mit der Einstellung von dpreview werden in Zukunft nicht nur die regelmässigen Hands-on-Tests bei Produkteinführungen und leider auch die systematischen und akribischen Tests neuer Kameras wegfallen, sondern auch die umfassende Chronologie und die Daten zu den Ankündigungen neuer Produkte (hauptsächlich Kameras) mit den dazugehörigen Datenblättern verschwinden und damit auch ein Stück Geschichtsdokumentation der Digitalfotografie verloren sein (bzw. nur noch in Web-Archiven existieren). Man bedenke, dass DP Review praktisch die gesamte Ära der Digitalfotografie hindurch für viele Menschen ein kompetenter Begleiter war. (Zur Erinnerung Digitalkameras gab es zwar schon vor 1998, aber der Digitalkamera-Boom, der Mitte der 90er Jahre eingesetzt hatte, nahm 1997/1998 so richtig Fahrt auf). Ebenfalls verloren geht das mit DP Review verbundene Forum, in dem viele Interessierte ihre Meinungen, ihr Wissen und Informationen austauschten und auch heftig stritten.
Für Fans der Video-Reviews mit den beiden Reviewern Chris Niccolls und Jordan Drake gibt es immerhin einen Trost. Ihr Videoserie, die wohl auch durch ihren hohen Unterhaltenungswert – man könnte auch von Kasperlitheater sprechen – viele Freunde fand, wird beim Online-Fotomagazin «PetaPixel» und seinem YouTube-Kanal weiter geführt werden (siehe dazu YouTube-Video).
Sehr, sehr schade. Der Besuch von dpreview (und natürlich auch fotointern!) gehört seit Jahren zu meinen täglichen Internetroutinen. Dass Amazon dpreview schliesst, ist wohl nicht (nur) das Resultat einer kurzfristen Sparübung. Vielleicht steht dpreview für die Ära der Digitalfotografie mit spezialisierten Fotoapparaten (nicht Smartphone oder KI) und die Strateg*innen von Amazon sehen darin keine Zukunft. Vielleicht liegen sich nicht mal so falsch: Die Zeit des Massenmarktes scheint 2023 ebenso vorbei, wie vor 20 Jahren die chemische Fotografie. Neben einem (nicht wachsenden) professionellen Segment nutzen heute nur noch das (nicht wachsende) Segment der Semiprofis resp. engagierten Amateur*innen digital System- oder abnehmend Spiegelreflexkameras.