Urs Tillmanns, 10. Juni 2023, 10:00 Uhr

Superlange kurzgemacht: 3 neue Spiegelteles von Tokina

Tokina hat kürzlich drei neue Spiegelteleobjektive mit 300mm, 600mm und 900mm Brennweite für APS-C Kameras von Canon, Fujifilm und Sony vorgestellt. Was sind «Spiegelteles» und worauf muss man beim Fotografieren mit derart extremen Brennweiten achten?

Spiegellinsenobjektive sind nicht neu. Ihre «katadioptrische» Konstruktion, bei der mit zwei integrierten Spiegeln der Strahlengang zweimal umgelenkt wird, wurde ursprünglich in den astronomischen Teleskopen angewandt. Sie ermöglicht eine extrem kompakte Bauweise und war in der analogen Fotoepoche, um 1980, gross in Mode. Die Objektive bringen in der Praxis grosse Vor- aber auch Nachteile. Die Vorteile: sie sind extrem kompakt gebaut, weil mit der zweifachen Umlenkung des Strahlengangs ihre Baulänge um mehr als zwei Drittel verkürzt wird. Die Nachteile: Sie haben erstens keine verstellbare Blende, sondern nur eine fixe Lichtstärke. Keine Möglichkeit also die Schärfentiefe kreativ einzusetzen, und zur Lichtreduktion müssen Graufilter verwendet werden. Zweitens sind es rein mechanische Objektive mit manueller Scharfeinstellung ohne elektronische Verbindung zur Kamera.

Durch die Kombination von Linsen und zwei Spiegeln entsteht eine extrem kompakte Bauweise. Die Länge des Objektivs wird auf weniger als einen Drittel reduziert (Darstellung schematisch)

Um manuelle Objektive an einer Kamera mit Kontaktübertragung verwenden zu können, muss dies entsprechend auf «Auslösen ohne Objektiv» eingestellt werden. Diese Einstellung kann man aus angewählt lassen, auch wenn man wieder Automatikobjektive verwendet. Dann erfolgt auch die Entfernungseinstellung rein manuell, was bei diesen extremen Brennweiten und keiner Abblendmöglichkeit so seine Tücken hat. Zwar sind beispielsweise die Fujifilm-Kameras mit guten Hilfsmitteln zur manuellen Scharfeistellung versehen, wie Fokus-Peaking und Simulation von Schnittbild- und Mikroprismen-Sucherhilfen, aber dennoch bleiben viele Faktoren, welche das Scharfstellen erschweren oder sogar verunmöglichen.

Tokina hat gleich drei neue Spiegellinsenteles vorgestellt, mit 300, 600 und 900 mm Brennweite

Grundsätzlich ist zum praktischen Einsatz dieser Objektive die Verwendung eines stabilen Stativs oder mindestens eines Einbeinstativs eine absolute Notwendigkeit. Aufnahmen aus freier Hand sind, vor allem mit dem 600er und dem 900er, praktisch unmöglich. Weiter sollte man die Mittelsäule am Stativ nicht ausfahren, weil dies die Stabilität der meisten Stative extrem reduziert. Auch ist ein massiver Stativkopf zu verwenden, der sich ohne Bildverschiebung fest anziehen lässt.

Hinzu kommt noch die Gefahr durch Verwacklung – auch wenn man ein stabiles Stativ für die Aufnahmen verwendet. Eine Faustregel besagt, dass man mindestens den Kehrwert der Brennweite als längste Verschlusszeit für verwacklungsfreie Bilder anwenden sollte, d.h. für ein 300mm-Objektiv mindestens (300/1mm) eine 300stel Sekunde. Die Praxis zeigt jedoch, dass man bei diesen langen Spiegellinsenteles diesen Wert mindestens verdoppeln sollte, um auf der sicheren Seite zu sein.

Die Tokina-Spiegelteles fokussieren über den Unendlichpunkt hinaus, damit man die Einstellung bei der optimalen Schärfe «einpendeln» kann

Für ein exaktes Scharfeinstellen bei Unendlich muss über den Scharfstellpunkt hinaus fokussiert werden, damit man sich bei der optimalen Schärfe einpendeln kann, was diese Objektive auch ermöglichen. Es sind aber auch ideale klimatische Bedingungen Voraussetzung, um zu kontrastreichen und scharfen Aufnahmen zu kommen. Dunst, verunreinigte Luft (Smog) und leichter Nebel reduzieren den Kontrast der Aufnahmen, vor allem bei Fernsichten, extrem und erschweren die Scharfeinstellung. Bei grosser Hitze und weiten Distanzen sind kaum wirklich scharfe Aufnahmen zu erwarten, weil das Luftflimmern und auch thermische Effekte im Objektivgehäuse die Schärfeleistung verringern. Letzteres gilt übrigens auch bei anderen, extrem langen Teleobjektiven, weshalb viele Hersteller ihre längsten Rohre mit einem hitzeabsorbierenden weissen Lack versehen. Alles in allem ist das Fotografieren mit diesen extrem langbrennweitigen Spiegelteles ohne Abblendmöglichkeit nicht so trivial, verlangt etwas Übung und ist nicht zuletzt auch glückabhängig – aber sie ermöglichen Bilder, die einzigartig und spektakulär sind.

 

Die Sache mit den Ringen

Ein typischer Bildeffekt mit Spiegellinsenteles sind die Unschärferinge des Bokehs, anstelle der sonst üblichen Unschärfekreise mit gewöhnlichen Objektiven. Sie finden ihre Entstehung darin, dass der Sekundärspiegel im Zentrum des Objektivs den Unschärfekreis abschattet.

Typisch für Bilder mit Spiegelteleobjektiven sind die effektvollen Unschärfekreise

Ein weiterer charakteristischer Effekt für besonders lange Brennweiten, ist die starke Komprimierung des Bildraumes, wie dieses Beispiel zeigt:

Effekt langer Brennweiten: Der Bildraum wird stark komprimiert wiedergegeben. Das hat zwar streng genommen nichts mit der Brennweite zu tun, sondern mit der Möglichkeit des extremen Bildausschnittes

 

Die drei Neuen von Tokina

Dass Tokina diese Objektivart, die seit der analogen Zeit schon fast in Vergessenheit geraten war, wieder aufleben lässt, ist erfreulich. Damit ist es möglich, extrem lange Brennweiten noch in der Fototasche mitzuführen. Da ist vor allem das 300mm-Objektiv zum meinem persönlichen Liebling geworden, weil es nur gerademal 75mm lang und 235 Gramm leicht ist und mit einem respektablen Bildwinkel von nur 5,7° aufwartet. Zudem kann mit dieser Brennweite, entgegen oben Gesagtem, mit etwas Übung noch aus freier Hand fotografiert werden, was die Einsatzmöglichkeiten, gerade in der Natur- und Tierfotografie aber auch bei Sportaufnahmen, wesentlich erweitert.

Das 300mm-Objektiv ist sehr kompakt und passt noch locker in die Fototasche

Die Bildwinkel der beiden anderen Spiegelteles sind noch einen Zacken extremer – und damit fallen auch die kritischen Faktoren stärker ins Gewicht. Auch bei noch so vorsichtigem Arbeiten – und vor allem Einstellen – gehört gerade mit dem 900er etwas Glück dazu, um wirklich zu topscharfen Aufnahmen zu kommen.

 

Unsere Testbilder

Die Gesamtsituation beim Kloster Rheinau, aufgenommen mit 35mm-Brennweite (Normalbrennweite auf APS-C) und eingezeichneten Ausschnitten der Extrembrennweiten 300 mm, 600 mm und 900 mm. Die Objektentfernung beträgt rund 570 Meter.

 

Aufgenommen mit Tokina 1:7.1 / 300 mm Pro MF CF ergibt einen Bildwinkel von 5,4°

 

Aufgenommen mit Tokina 1:8 / 600 mm Pro MF CF ergibt einen Bildwinkel von 2,7°

 

Aufgenommen mit Tokina 1:11 / 900 mm Pro MF CF ergibt einen Bildwinkel von 1,8°

 

Fazit

Das Fotografieren mit extrem langen Spiegelteles ist etwas Übungssache. Man muss sich dabei bewusst sein, dass es viele Faktoren gibt, wie Verwacklungsunschärfe, Luftflimmern oder unpräzise Scharfeinstellung ohne Abblendmöglichkeit, die zu leicht unscharfen oder verwackelten Bildern führen können. Dennoch macht es Spass und eröffnet spannende Kreativräume, mit solch extrem langen Brennweiten zu fotografieren, besonders wenn man den günstigen Anschaffungspreis der drei Tokina-Objektive von 399, 499 und 599 Franken mit in Betracht zieht.

Text und Bilder: Urs Tillmanns

Aktion für Fotointern-Leseinnen und -leser

Befristet bis 30. Juni 2023 können Leserinnen und Leser von Fotointern die hier beschriebenen Tokina Spiegelteles mit einem Rabatt von 10% und bei der Bestellung von allen drei Objektiven sogar von 20% direkt kaufen. Setzten sie sich dazu per E-Mail (info@tobco.com) oder telefonisch mit der Firma Tobco AG (Tel. 058 255 32 03) in Verbindung.

 

Weitere Informationen auf den Herstellerseiten oder bei Tobco AG

Tokina-Objektive werden in der Schweiz vertrieben durch:
Tobco AG (vormals GMC Trading)
CH-8305 Dietlikon
Tel. 058 255 32 00

 

Tokina SZ Catadioptric Lenses – Spezifikationen
Modell 1:7.1 / 300 mm Pro MF CF 1:8 / 600 mm Pro MF CF 1:11 / 900 mm Pro MF CF
Internationaler Name SZ 300mmPRO Reflex F7.1 MF CF SZ 600mmPRO Reflex F8 MF CF SZ 900mmPRO Reflex F11 MF CF
effektive Brennweite APS-C 300 mm 600 mm 900 mm
Lichtstärke / Fixblende 1:7.1 1:8 1:11
für Sensorgrösse APS-C APS-C APS-C
Bildwinkel 5.4° (Sony E, Fujifilm X)
5.1° (Canon EF-M)
2.7° (Sony, Fuji)
2.6° (Canon)
1.8° (Sony, Fuji)
1.7° (Canon)
Konstruktion 8 Linsen in 8 Gruppen 8 Linsen in 8 Gruppen 7 Linsen in 7 Gruppen
Vergütung Multi-Coating Multi-Coating Multi-Coating
Fokussierung manuell manuell manuell
Naheinstellgrenze 0,92 m 1.77 m 2,61 m
Max. Abbildungsmassstab 1:2,5 1:2,5 1:2,5
Filterdurchmesser 34 mm / 46 mm 34 mm / 77 mm 34 mm / 86 mm
Abmessungen 61×74.5 mm 88.6×125 mm 96.1×168 mm
Gewicht 235 g 545 g 725 g
Anschlüsse
Canon EF-M, Fujifilm X, Sony E
Preis CHF (nkl. Mwst)
399.00
599.00
699.00

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4 Kommentare zu “Superlange kurzgemacht: 3 neue Spiegelteles von Tokina”

  1. Eine kleine Korrektur…
    Minolta hatte mit dem 500 Reflex als einzige Spiegel Objektiv einen AF.
    Der funktioniert aber an A-Mount Kameras mit einem AF-Punkt. Über einen Fremdadapter (la-ea4r) sind aber mehr Punkte an E-Mount möglich

  2. Sehr guter Artikel, der die Problematik der langen Brennweiten und speziell der Konstruktionen mit zwei Spiegeln zeigt. Beachtenswert ist noch, dass die beiden Spiegel plus die Abdeckung des 2. Spiegels viel Licht schlucken. In der Praxis sollte man mindestens eine und oft sogar zwei Belndenstufen weniger Licht kalkulieren.
    Dann noch ein Vertipper: Wenn lange Brennweiten helle Farben nutzen, wird dadurch die Wärmestrahlung nicht absorbiert, sondern reflektiert.

  3. was meinen sie mit weniger licht kalkulieren? stimmt die blende nicht? oder meinen sie potentiell abdunklung in den ecken? AF ist auch mit spiegelobjektiven bis blende 8 möglich. mit überlistung. catadioptische konstruktionen ermöglicht auch AF jenseits von F 8. getestet mit vivitar CAT 600/11. anstatt filter hinten lässt sich vorne filter-kappe aufbringen. beim alten sigma 500/4 gabs donut-linsendeckel. also klappe auf für blende f5.6.

  4. @Michael P.:
    Wie geschrieben, wird zwar bei Spiegel-Objektiven eine berechnete Offenblende angegeben. Allerdings reflecktiert jeder der Spiegel nur ca 80 % des Lichtes. Also 0,8 x 0,8 = 0,5 . Dann sollte man noch berücksichtigen, dass bei der Berechnung mit dem Lichteintritt der gesamten Frontlinse gerechnet wird, die aber in der Praxis viel Licht verliert durch den 2. Spiegel, der in der Mitte einiges abdeckt.
    Wenn Blende 8 angegeben wird, kommt in der Praxis in der Kamera nur so wenig Licht an, wie bei Blende 11 oder 16 in einem üblichen Objektiv.

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