Urs Tillmanns, 13. Juni 2023, 10:42 Uhr

Photo Basel: Spiegel der internationalen Kunstfotografie

Bereits zum achten Mal findet diese Woche die Photo Basel statt. Sie zeigt mit immer stärkerer internationaler Beteiligung einen spannenden Spiegel aktueller Trends in der Kunstfotografie auf. Am Sonntagabend gibt es eine kostenlose Sonderführung für Fotointern-Leser/innen.

Die Photo Basel widmet sich ausschliesslich der Kunstfotografie und präsentiert Galerien aus der ganzen Welt in einem einzigartigen, authentischen Rahmen. Sie versteht sich als integrative und hybride Plattform, welche jegliche Akteurinnen und Akteuren der Kunstwelt miteinander verbindet. Photo Basel möchte als Messe aktiv zu diesem Dialog beitragen und die Kunstfotografie einem breiteren Publikum zugänglich machen.

Seit 2016 findet die Photo Basel gleichzeitig und unweit des Messegeländes der Art Basel (15. bis 18. Juni 2023) in den Räumlichkeiten des Volkshaus Basel statt. Dieses wurde von den renommierten Schweizer Architekten Herzog & de Meuron renoviert und beherbergt verschiedene soziale Highlights wie eine Bar, ein Restaurant, einen Biergarten und Hotel.

 

An 37 Ständen präsentiert die Photo Basel noch bis Sonntagabend die Trends der Kunstfotografie

Die Photo Basel begrüsst zu ihrer achten Edition 37 Galerien aus 11 Ländern. Es werden über 400 fotografische Kunstwerke von rund 165 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. Auch dieses Jahr sind wieder eine Reihe neu hinzugekommener Galerien zu entdecken, nämlich Peter Fetterman Gallery (Santa Monica), Fisheye (Paris), Foreign Agent (Lausanne), Francis Boeske Projects (Amsterdam), Galerie S. (Paris), Fotonostrum (Barcelona), Art is Bond (Houston), Alexandra de Viveiros (Paris), The Bridge Gallery (Paris) und WBB Gallery (Zürich).

 

Hier einige persönliche Highlights

Beim Bummel durch die Messe kurz vor der Eröffnung, sind uns einige Stände mit besonders interessanten Foto-Kunstwerken aufgefallen.

 

Die Galerie Esther Woederhoff, mit Sitz in Paris und einer Niederlassung in Genf, präsentiert die Winterlandschaften von Catherine Henriette, die Stimmungsbilder von Iris Hutegger, die Blumenstilleben von Flore und Michael Wesely, die Waldlandschaften von Didier Goupy und Serie «Center of Earth» von Jens Knigge.

 

Ibasho aus den Niederlanden ist für die Präsentationen von japanischen Fotografen bekannt und überrascht dieses Jahr mit Landschaftsbildern von Toshiya Watanabe, Wolkenstimmungen von Yu Yamauchi und stimmungsvollen Cyanotypien von Mika Horle.

 

Die holländische Künstlerin Danielle Kwaaitaal pflegt einen eigen puristischen Stil, sowohl bei ihren eindrücklichen Blumenstilleben als auch bei ihren Kompositionen mit Flaschen und Gläsern. Die meisten ihrer Arrangements fotografiert sie im Wasser. Vertreten wird die Künstlerin von der Galerie Francis Boeske Projects in Amsterdam.

 

Der deutsche, in Paris lebende Fotograf Christoph Sillem erweist mit seiner Serie «Daguerre» dem Erfinder der Fotografie die Ehre, in dem er mit seinen in Planen gehüllten Architekturen an das «Diorama» erinnert. Dieses Lichtspieltheater versetzte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Pariser Betrachter «an einen anderen Ort», indem politische Ereignisse, Effektschauspiele und Darstellungen von Naturkatastrophen gezeigt wurden.

 

Die «Bildhalle», die neben ihrer angestammten Galerie in Zürich noch eine solche in Amsterdam führt, zeigt an der Photo Basel Werke von Douglas Mandry, Jeffrey Conley, Thirza Schaap und Philipp Keel sowie der beiden Klassiker René Burri und René Groebli.

 

Die Galerie Monika Wertheimer aus Oberwil bei Basel feiert ein Jubiläum und zeigt von den 100 Ausstellungen, die sie von 2001 bis heute realisiert hat, 40 ausgesuchte Werke an ihrem Stand. Die Bildauswahl ist sehr breit aufgestellt und deckt damit ein grosses Erwartungsspektrum der Besucherinnen und Besucher ab.

 

Die Buchkunst aus Berlin widmet ihren Stand dem bekannten Fotografen Thomas Hoepker, dies nicht nur mit vielen Ikonen, wie den Porträts von Muhammed Ali oder den brennenden Twin Towers von New York, sondern auch mit einigen bisher ungesehenen Werken, die neu im Archiv des Fotografen gefunden wurden. Übrigens soll in Kürze ein Buch über Hoepkers Italienbilder erscheinen.

 

Die Galerie Alexandra de Viveiros aus Paris präsentiert die Werke von fünf Fotokünstlern der Fotoschule in Kharkiv, Ukraine, in welcher seit den 1970er Jahre ein experimenteller Fotostil mit unkonventionellen Verfahren gepflegt wird. Die Institution unterhält in Kharkiv auch ein Museum und einen Buchverlag und erfüllt damit einen wichtigen Auftrag zur Dokumentation der Fotografie in der Ukraine.

 

 

Die Sonderausstellungen

Alex Kayser (Galerie Esther Woerdehoff, Paris + Genf)

Der Basler Fotograf Alex Kayser (1949–2015) absolvierte eine Fotografenlehre bei Hugo Jäggi, bevor er 1970 an der Folkwang Schule in Essen bei Professor Otto Steinert Fotografie studierte. Dabei setzte sich Kayser vermehrt mit der experimentellen Fotografie und dem dazugehörigen Gebiet der fotografischen Sequenzen auseinander.

Während er anfangs in narrativen Schwarzweiss-Fotografien arbeitete, begann Kayser ab 1974 vermehrt seine Fotografien von Hand zu kolorieren, was in vielen seiner Werkserien deutlich wurde. 1978 verlegt er seinen Wohnsitz nach New York und führte dort seine Serie «Artists’ Portraits» über mehrere Jahre durch, deren Protagonist/innen stets aus dem künstlerischen Umfeld New Yorks stammten. Diese serielle Arbeitsweise verfolgte Kayser insbesondere in den Serien «SX-cult», «Heads» und «Schweizer Bundesräte», die den sich stets wiederholenden Prozess von Porträtaufnahmen einer thematischen Gruppe aufzeigen.

 

Pure Photography. 20th Century Floral Masterworks (WBB Gallery Zürich)

In Kooperation mit der WBB Gallery (Zürich) zeigt die Photo Basel in der kuratierten Sonderausstellung «Pure Photography. 20th Century Floral Masterworks» Fotografien von Ansel Adams, Imogen Cunningham, Brett Weston, Edward Weston, Don Worth und weitere amerikanische Fotograf/innen des 20. Jahrhunderts, die aus einer Privatsammlung stammen.

Der Begriff «Pure Photography» wurde von der legendären Group f/64 geprägt, welche sich ab 1932 gegen den vorherrschenden, gemäldeähnlichen Piktorialismus richtete und die Schwarzweiss-Fotografie von jeder Manipulation befreite. Ihr Ziel waren Authentizität und Klarheit sowie technische Perfektion in der Dunkelkammer. Die Erzeugung feinster Graustufen und tiefer Schwarztöne führte zu einer Bildsprache, deren Ästhetik oft abstrakte Züge annahm und kleinste Details sichtbar machte. Die Pionierinnen und Pioniere der damaligen Zeit veränderten die Wahrnehmung und das Verständnis von Fotografie grundlegend. Ihr Beitrag inspirierte Generationen von Fotografierenden, bis heute, und führte dazu, dass die Fotografie als Medium erstmals in den Rang von Kunst erhoben wurde.

 

Ming Smith (Art Is Bond, Houston, Texas)

Mit ihren dynamischen und rücksichtsvollen Bildern erzählt Ming Smith (*1950, USA) seit Jahrzehnten Geschichten; ihre Bilder folgen ihrem Leben als Model, Tänzerin und Forscherin im Mittleren Westen und an der Ostküste der USA.

Als erste schwarze Fotografin, die vom Museum of Modern Art in New York erworben wurde, schloss sich Anfang 2023 mit einer Einzelausstellung im Projektraum des MoMA der Kreis ihrer Reise. Erst kürzlich wurde Smith mit dem Lifetime Achievement Award des International Center for Photography (ICP) ausgezeichnet. Mit ihrer bevorstehenden Ausstellung im Guggenheim Museum erfährt Smith eine besondere Anerkennung, die ihre phänomenale und umfangreiche Karriere verdient.

 

Michal Chelbin (Galerie Alex Schlesinger, Zürich)

Die Arbeiten von Michal Chelbins (*1974, IL) wurden weltweit in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, zum Beispiel im Metropolitan Museum New York, im Lacma, im Getty Center LA, im Jüdischen Museum New York, im Cleveland Museum of Art, im Tel Aviv Museum, in der Sammlung Sir Elton John, im SF MoMa und anderen.

Ihre von der Kritik hochgelobte Monografie «Strangely Familiar: Acrobats, Athletes and other Traveling Troupes» wurde 2008 von Aperture veröffentlicht und 2009 mit dem Photo Annual Book Award von PDN ausgezeichnet.

 

Arnold Odermatt (Galerie Springer, Berlin)

Arnold Odermatt (1925-2021, CH) trat 1948 in die Nidwaldner Polizei ein und fotografierte mit seiner Rolleiflex Unfallorte, um das polizeiliche Protokoll mit Fotos zu ergänzen. Mit der Genauigkeit eines Chronisten hat der fotografierende Polizist sein ländliches Beamtenleben im Bild festgehalten – im Dienst und in Zivil.

Mit seinem Blick für die kleinen, scheinbar nebensächlichen Vorkommnisse und durch seine herausragenden Kompositionen gelang es dem Fotografen immer wieder Situationen festzuhalten, die oft ungewollt witzig und ironisch wirken. Nach seiner Pensionierung Anfang der 1990er Jahre, stiess sein Sohn – der Filmregisseur Urs Odermatt – bei seinen Recherchen für einen Film auf jahrzehntelang archivierte Fotografien. Beeindruckt von der Qualität der Fotografien sicherte er das Werk und begann er aufzuarbeiten.

 

Shen Wei (Foreign Agent, Lausanne)

Die Galerie «Foreign Agent» präsentiert in einer Einzelausstellung das fotografische Werk von Shen Wie (*1977, CHN), welches die Essenz der Individualität und die transformative Kraft der natürlichen Welt zelebriert. Gezeigt werden Selbstporträts sowie einzigartigen Mixed—Media Arbeiten, die mit floralen Elementen verziert sind.

Das Werk lädt die Betrachtenden dazu ein, sich auf eine Reise der Selbsterkundung und Entdeckung zu begeben, die komplizierte Dynamik zwischen Freiheit und Grenzen zu erforschen und nach Sinn und Gleichgewicht in unserem Leben zu suchen. Die Arbeiten von Shen Wei betonen Einheit, Einfachheit und die Suche nach innerem Frieden und spiegeln die Inspiration durch universelle Sehnsüchte nach Schönheit, Natur, Intimität und einem Gefühl der Zugehörigkeit wider.

 

Sarfo Emmanuel Annor & Fatoumata Diabaté (The Bridge Gallery, Paris)

The Bridge Gallery untersucht die Entwicklung der Porträtfotografie in Afrika, indem sie zwei Fatoumata Diabaté (*1980, Mali) und Sarfo Emmanuel Annor (*2002, Ghana) vorstellt und dadurch zwei unterschiedliche, jedoch sich ergänzende Ansätze zusammenbringt.

Der Generationsunterschied zwischen der älteren Künstlerin und dem jüngeren Künstler veranschaulicht in ihren Porträts die Entwicklung der afrikanischen Gesellschaften und die Innovation des Mediums der Fotografie. Sarfo Emmanuel Annor (*2002, Ghana), der von Farben fasziniert ist, entfaltet ein neues Universum mit chromatische Variationen von Majorelle-Blau bis zu leuchtendem Gelb. Er belebt die Kunst des Porträts durch eine Reihe lebendiger und faszinierender Kinder, inspiriert von der kommunikativen Energie seiner Umgebung. Fatoumata Diabaté (*1980, Mali) tritt mit ihren Schwarzweiss-Porträts in die Fussstapfen ihrer Väter der afrikanischen Fotografie, wie Malick Sidibé und Seydou Keïta. Ihre Kunstwerke beziehen sich auf die malische Kultur, in der handgefertigte Masken und Kostüme heilig sind.

 

Peter Fetterman Gallery, Santa Monica

Die Peter Fetterman Gallery beschäftigt sich seit über als 40 Jahren intensiv mit dem Medium der Fotografie. Fettman war zunächst als Filmemacher und Sammler tätig, gründete dann 1988 seine erste Galerie und war einer der ersten Mieter der Bergamot Station, des Santa Monica Center of the Arts, als dieses 1994 eröffnet wurde.

Die Galerie verfügt über einen der grössten Bestände an klassischer Fotografie des 20. Jahrhunderts des Landes, insbesondere im Bereich der humanistischen Fotografie. Auf der diesjährigen Photo Basel zeigt die Peter Fettermann Gallery eine Auswahl historischer und zeitgenössischer Werke von Willy Ronis (1910- 2009, FRA), Robert Doisneau (1912-1994, FRA), Lillian Bassmann (1917-2012, USA), Sabine Weiss (1924-2021, CH/FRA), Brigitte Carnochan (*1941, GER), Sarah Moon (*1941, FRA), Pentti Sammallahti (*1950, FIN), Michael Kenna (*1953, UK), Len Prince (*1953, USA) und Cig Harvey (*1973, UK).

 

Maurice de Mauriac Award

In diesem Jahr wird anlässlich der Photo Basel erstmals der Maurice de Mauriac Award verleiht. Maurice de Mauriac wird im Vorfeld der Photo Basel eine Shortlist an Werken erstellen, die an der Photo Basel ausgestellt sein werden. Am Donnerstag, 15. Juni wird an der Photo Basel die Fotografin oder er Fotograf ausgewählt, welche(r) den Maurice de Mauriac Award erhält.

 

Exklusiv-Führung für Fotointern Leser/innen

Die Leserinnen und Leser von Fotointern haben am Sonntagabend 18. Juni um 17:00 Uhr die Gelegenheit, an einer exklusiven Führung durch die Messe teilzunehmen. Sie erfahren dabei sehr viel Unbekanntes über die ausgestellten Werke und die Arbeitsweise und die Inspirationen der Fotografinnen und Fotografen. Die Teilnahme an der Führung ist kostenlos, doch ist die Anmeldung per E-Mail erforderlich

Situationsbilder: Urs Tillmanns

Weitere Infos

Was? Photo Basel
Wann? 13. bis 18. Juni 2023
Di bis Sa 12 bis 20 Uhr, So 12 – 18 Uhr
Wo? Volkshaus Basel, Rebgasse 12, CH-4058 Basel
Info: www.photo-basel.com

Galerien und Ausstellende an der Photo Basel 2023 (13. bis 18. Juni 2023)
Alexandra De Viveiros – nomadic gallery, Paris (FR) Galerie Monika Wertheimer, Oberwil/Basel (CH)
Analix Forever, Genève (CH) Galerie Peter Sillem, Frankfurt am Main (DE)
Art is Bond, Houston (USA) Galerie S., Paris (FR)
Arte Giani, Frankfurt (DE) Galerie Springer, Berlin (CH)
Baudoin Lebon, Paris, Genève (FR+CH) Galerie STP, Greifswald (DE)
Bildhalle, Zürich, Amsterdam (CH+NL) Galerie XII, Paris + Los Angeles, Shanghai (FR+USA+CN)
Buchkunst, Berlin (DE) Ibasho, Antwerp (NL)
Camara Oscura Galeria De Arte, Madrid (SP) Kahmann Gallery, Amsterdam, Rotterdam, Berlin, Paris (NL+DE+FR)
Fabian & Claude Walter Galerie, Zürich (CH) Laurent Marthaler Contemporary, Montreux (CH)
Fisheye Gallery, Paris, Arles (FR) Mazel Galerie, Brussels (BE)
Foreign Agent, Lausanne (CH) Native Digital, Cadempino  (CH)
Fotonostrum, Barcelona (SP) Peter Fetterman Gallery, Santa Monica (USA)
Francis Boeske Projects, Amsterdam (NL) Photon Gallery, Ljubljana, Vienna (SLO+AT)
Galerie 94, Baden (CH) Python Gallery, Zürich (CH)
Galerie Alex Schlesinger, Zürich (CH) Red Lab Gallery, Milano (IT)
Galerie Bart, Amsterdam (NL) The Bridge Gallery, Paris (FR)
Galerie Catherine & André Hug, Paris (FR) Versus Art Project, Istanbul (TR)
Galerie Esther Woerdehoff, Genève, Paris (CH+FR) WBB Gallery, Zürich (CH)
Galleria l‘Affiche, Milano (IT)  
   
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