Am Montag, 3. Juli 2023 eröffnen die 54. Rencontres de la Photographie in Arles mehr als 50 Ausstellungen. Zudem finden viele Workshops, Führungen, Abendprojektionen und Diskussionen statt, die neben einer Standortorientierung der zeitgenössischen Fotografie unendlich viel Inspiration bieten.
Arles bietet ein breites Kulturspektrum, dies schon seit der Römerzeit. Die nächsten drei Monate dreht sich hier alles um Kunstfotografie (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)
Jedes Jahr, und dies seit 1970, ist das Internationale Fotofestival in Arles ein Mekka der Kunstfotografie. An mehr als 30 Orten in der Provence-Metropole und vielen anderen Städten in der Region, finden mehr als 50 Fotoausstellungen zu den verschiedensten Themen von international bekannten Fotokünstlern oder auserwählten Newcomern statt. Besonders in der Eröffnungswoche, vom 3. bis 9. Juli 2023, lohnt sich der Besuch, weil dann die meisten der Fotografinnen und Fotografen noch vor Ort sind und viel Spannendes zu ihren Kreationen erzählen können. Die Ausstellungen sind jedoch bis 24. September 2023 zu sehen und mit ein Grund inspirierende Tage in Südfrankreich zu verbringen.
Neben Museen und Galerien dienen auch ausgediente Kirchen als Ausstellungsorte, wie hier zum Beispiel die «Eglise des Frères Prècheurs» mit der Ausstellung von Philippe Chancel «Datazone» 2019 (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)
Jedes Jahr steht das Festival in Arles unter einem bestimmten Motto, dieses Jahr «un état de conscience» (ein Zustand des Bewusstseins). «Die Fotografen, Künstler und Kuratoren lassen uns die Veränderungen, die wir erleben, mit bestechender Schärfe sehen und wahrnehmen» definiert Christoph Wiesner, Direktor der Rencontres Arles, das Leitmotiv. «Das Bewusstsein – zumindest für den Klimawandel – ist unvermeidlich geworden und wirkt sich direkt auf unsere Gewohnheiten aus».
Auch stehen grosszügige Ausstellungshallen zur Verfügung, zum Beispiel im «Parc des Ateliers», den früheren SNCF-Werkstätten (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)
Dieses Jahr konnte das Angebot an Fotoausstellungen über die Stadtgrenzen hinaus in die Region und bis nach Nîmes, Avignon, Aix-en-Provence und Marseille ausgedehnt werden, in dem mehrere Museen und Institutionen ihre temporären Ausstellungen ebenfalls fotografischen Themen widmen. Die Eintrittskarten der Rencontres Arles sind auch an diesen Orten gültig.
Die «Rencontres» sind auch ein idealer Begegnungsort, wo man sich abends im Bistrot zu einem guten Essen oder einem feinen Glas Wein trifft (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)
Hier einige Highlights der Rencontres 2023
Gregory Crewdson «Eveningside – 2012-2022»
In den letzten drei Jahrzehnten hat Gregory Crewdson ein Porträt des mittleren Amerikas gezeichnet, jenes Amerikas der Vorstädte, das mit grossen Augen auf den Schimmer eines verblassenden Traums starrt. Seine kinematografisch inszenierten Fotos haben nach und nach die Fragmente einer dämmernden Welt zusammengefügt und verwebt auf verblüffende Weise eine autobiografische Dimension mit dem Porträt eines glanzlosen Amerikas.
Agnès Varda «La Pointe Courte from Photographs to Film»
Agnès Varda hegte eine besondere Vorliebe für Sète. Sie wurde als jugendlicher Flüchtling während des Zweiten Weltkriegs nach Sète adoptiert und kehrte bis Anfang der 1960er Jahre jedes Jahr in die Stadt zurück. Sie begann 1947 als Amateurfotografin und wurde dann Profi. Mit ihrer Rolleiflex fotografierte sie Freunde, Matrosen, die Kais der südlichen Stadt, Wasserspiele auf den Kanälen … und bald auch die Fischer und die engen Gassen von Pointe courte, dem Arbeiterviertel am Étang de Thau, das die Grundlage für ihren ersten Film von 1954 bildet.
Wim Wenders «My Polaroid Friends»
Ende 1976 drehte Wim Wenders den Film «The American Friend» in Hamburg und Paris mit Bruno Ganz und Dennis Hopper in den Hauptrollen, welcher auf dem Roman «Ripley’s Game» von Patricia Highsmith basierte. «Damals entsprachen Polaroid-Fotos dem, was Sie heute mit Ihrem Smartphone machen» erklärt Wim Wenders. «Polaroids waren wirklich ein fotografisches Notizbuch, nur dass die Kameras gedruckte Originale ausspuckten. Ich nahm meinen Drehort auf und pinnte die kleinen Abzüge als bleibende Erinnerung an die Wand des Produktionsbüros.
Hannah Darabi «Soleil of Persian Square»
«Soleil of Persian Square» untersucht den Lebensstil der iranischen Diaspora in Los Angeles anhand ihrer visuellen Identität. Hannah Darabi versucht, dieser fiktiven Stadt namens Tehrangeles ein Gesicht zu geben, die sie Bilder aus ihrer Jugend im Zusammenhang mit populärer Musik entdeckt hat. Die Arbeit zielt darauf ab, alltägliche Szenen von Los Angeles und Orange County, die Zeichen dieser Diaspora tragen, Porträts ihrer Bewohner, Objekte der Populärkultur (Kassettenhüllen, Songtexte, Screenshots von Musikvideos aus den 1980er und 1990er Jahren…) und Seiten aus Verzeichnissen mit Bezug zu Aktivitäten der Diaspora zusammenzubringen.
Søsterskap Contemporary Nordic Photography
Søsterskap beleuchtet die starke Rolle der Fotografen aus mehreren Generationen in den nordischen Ländern. Die Ausstellung bringt seit den 1980er Jahren viele Fotografinnen und Fotografen aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden zusammen, deren Arbeiten – basierend auf unterschiedlichen Ansätzen von dokumentarisch bis konzeptionell – den soziopolitischen Kontext des Wohlfahrtsstaates widerspiegeln. Die Wechselwirkung zwischen der Fotografie und diesem sozialdemokratischen Modell wird hier als ein Schlüsselfaktor für das Panorama der Kameraarbeit in der Region betrachtet.
50 Years Through The Eyes of Liberation
Seit fünfzig Jahren verfolgt die Zeitung «Libération» den Lauf der Zeit und fordert ihn heraus. Von den Ereignissen in Larzac und der Wahl Mitterrands bis hin zum Marsch der Araber, dem Krieg in Tschetschenien, Metaleurop, den Gilets Jaunes und der Ukraine – durch Libération wird die Welt in Bildern wiedergegeben. Die hier gezeigten Fotografien wurden aus einer umfangreichen Sammlung in ausgewählt und lassen uns ein halbes Jahrhundert jüngster Geschichte erleben. Im Laufe der Jahre haben Hunderte von Fotografen mit Libération zusammengearbeitet, z.B. Henri Cartier-Bresson, Raymond Depardon, Françoise Huguier und William Klein bis hin zu jüngeren Kollektiven, die gemeinsam mit den Kollegen der Zeitung ein Konzept der Pressefotografie, einer Fotografie von Künstlern im Dienste des Zeitgeschehens gestalten.
Casa Susanna
Im Jahr 2004 entdeckten zwei Antiquitätenhändler auf einem Flohmarkt in New York City 340 Fotografien aus den 1950er und 1960er Jahren. Das Besondere an diesen Bildern war, dass sie Männer in Frauenkleidern zeigten, deren weibliche Identität die der «ehrbaren» Hausfrau, des Mädchens von nebenan oder der netten Matrone war. Hinter den Fotografien verbirgt sich ein riesiges, verborgenes Netz von Crossdressern. Sie verkörperten den amerikanischen Traum und seinen Albtraum in einer Zeit der rassischen, sexuellen und politischen Segregation in einem Amerika des Kalten Krieges, das diejenigen zensierte, unterdrückte, ausschloss und jagte, die gegen die Geschlechternormen der Zeit verstiessen, von Crossdressern bis zu Homosexuellen.
Hien Hoang «Across The Ocean»
«Alles ist gut, jenseits des Ozeans», schrieb Hien Hoangs Tante 1988 in einem Brief aus Berlin an ihre Familie. Der Brief, den sie kurz nach ihrer Migration von Vietnam nach Ostdeutschland als Vertragsarbeiterin geschrieben hatte, spiegelt die Fassade der Akzeptanz wider, die ein Individuum aufrechterhalten muss, wenn es sich in einer fremden Gesellschaft assimiliert. Als Hoang ihre Tante 2014 besuchte, fiel ihr der Zwiespalt auf, der zwischen dem Tonfall der Briefe ihrer Tante und dem Kampf, der ihr Leben prägte, bestand. Across the Ocean ist eine Provokation und eine Herausforderung an die Stereotypisierung der asiatischen Kultur durch die westliche Gesellschaft.
Praktische Infos
Was? Internationales Fotofestival «Les Rencontres de la Photographie» in Arles (F)
Wo? Ganzes Stadtgebiet Arles, (sowie Einzelausstellungen in Aix-en-Provence, Avignon, Le Puy-Sainte-Réparade, Nîmes, Saint-Rémy-de-Provence, Marseille)
Wann? Eröffnungswoche vom 3. bis 9. Juli 2023, Ausstellungen bis 24. September 2023
geöffnet täglich vom 10:00 bis 19:30 Uhr
Wie viel? Dauerkarte EUR 39/32 (online) EUR 42/34 (Kasse), (EUR 35/28, bzw 37/30 ab 28.08.2023)
Tageskarte EUR 32/27 (online) EUR 34/29 (Kasse), (EUR 30/25, bzw EUR 32/27 ab 28.08.2023)
Website Französisch oder Englisch
RENCONTRES ARLES 2023 – PROGRAM | ||
ARTIST | TITLE | VENUE * |
FROM FILM TO STILLS | ||
GREGORY CREWDSON | EVENINGSIDE– 2012-2022 | 21 |
AGNÈS VARDA | LA POINTE COURTE, FROM PHOTOGRAPHS TO FILM | 4 |
WIM WENDERS | MY POLAROID FRIENDS | 7 |
SCRAPBOOKS | INSIDE THE IMAGINATION OF FILMAKERS | 7 |
REPRESENTATIONS | ||
AURÉLIEN FROMENT / PIERRE ZUCCA | OPTICAL THEATER | 23 |
NICOLE GRAVIER | MYTHS AND CLICKS | 18 |
HANNAH DARABI | SOLEIL OF PERSIAN SQUARE | 8 |
SØSTERSKAP | CONTEMPORARY NORDIC PHOTOGRAPHY | 1 |
REVISITING | ||
ZOFIA KULIK | SPLENDOR OF THE ARTISAN | 6 |
SAUL LEITER | ASSEMBLAGES | 3 |
50 YEARS THROUGH THE EYES OF LIBÉRATION | 26 | |
LIGHT OF SAINTS | A PHOTOGRAPHIC PILGRIMAGE | 5 |
MAPPING THE EYE | ||
HERE NEAR | MATHIEU ASSELIN, TANJA ENGELBERTS, SHENG-WEN LO | 23 |
ERIC TABUCHI AND NELLY MONNIER | GREY SUN | 24 |
SPECIAL ATTENTION | JINGYU CAO, RAPHAËL LODS, IRIS MILLOT | 24 |
YOHANNE LAMOULÈRE | THE RIVER’S CHILDREN | 10 |
EVA NIELSEN AND MARIANNE DERRIEN | INSOLARE | 4 |
JULIETTE AGNEL | THE CHILD’S HAND | 2 |
MACIEJKA ART | HOJA SANTA [HOLY LEAF] | 17 |
ROBERTO HUARCAYA | TRACES | 17 |
GARUSH MELKONYAN | COSMOVISIÓN | 15 |
REMINISCENCE(S) | ||
CASA SUSANNA | 7 | |
JEAN-MARIE DONAT COLLECTION | DON’T FORGET ME | 17 |
BETWEEN OUR WALLS | TEHRAN, IRAN 1956-2014 | 17 |
ROSÂNGELA RENNÓ | ON THE RUINS OF PHOTOGRAPHY | 21 |
OLEÑKA CARRASCO | PATRIA | 17 |
EMERGENCES | ||
MOVING DEFINITIONS | AN INVITATION TO RE-VIEW | 13 |
IBRAHIM AHMED AND LINA GEOUSHY | INHERITING AND SURRENDERING THE PERFORMANCE | 13 |
SOUMYA SANKAR BOSE | A DISCREET EXIT THROUGH DARKNESS | 13 |
SAMANTHA BOX | CARIBBEAN DREAMS | 13 |
PHILIPPE CALIA | THE AJAIB GHAR ARCHIVE | 13 |
MD FAZLA RABBI FATIQ | HOME | 13 |
HIEN HOANG | ACROSS THE OCEAN | 13 |
VISHAL KUMARASWAMY | ಮರಣ MARANA [DEMISE] | 13 |
NIEVES MINGUEZA | ONE IN THREE WOMEN | 13 |
ISADORA ROMERO | FUME, ROOT, SEED | 13 |
RITI SENGUPTA | THINGS I CAN’T SAY OUT LOUD | 13 |
DANIEL WAGENER | OPUS INCERTUM | 11 |
TAN CHUI MUI | JUST BECAUSE YOU PRESSED THE SHUTTER? | 26 |
NIGHT OF THE YEAR 2023 | THE BEST OF | 17 |
ARLES BOOKS | ||
THE 2023 BOOK AWARDS | 23 | |
LUMA RENCONTRES «DUMMY BOOK AWARD» | 23 | |
ARLES BOOKS FAIR 2023 1/2 | C | |
ARLES BOOKS FAIR 2023 2/2 | 18 | |
ASSOCIATED ARLES | ||
DIANE ARBUS | CONSTELLATION | 19 |
AHLAM SHIBLI | DISSONANT BELONGING | 20 |
AGNÈS VARDA | A DAY WITHOUT SEEING A TREE IS A WASTE OF A DAY | 19 |
FISHEYE IMMERSIVE | HABEAS CORPUS | 16 |
CÉLINE CLANET | GROUND NOISE | 17 |
CHARLES FRÉGER | AAM AASTHA | 12 |
DOLORÈS MARAT | CHROMATIC DISRUPTION | 17 |
MYOP | MANIFESTO AMNESTY INTERNATIONAL | 22 |
SPENCER OSTRANDER AND PAUL AUSTER | BLOODBATH NATION | 17 |
FONDATION MANUEL RIVERA-ORTIZ | GROW UP | 9 |
PORTRAITS | THE FLORENCE AND DAMIEN BACHELOT COLLECTION | 14 |
JACQUES LÉONARD | THE NOMAD SPIRIT | 14 |
ROMAIN BOUTILLIER | LOST IN CAMARGUE | 27 |
MARGUERITE BORNHAUSER | BACK TO DUST | 25 |
GRAND ARLES EXPRESS | ||
THE MIDDLE OF LANDS | A MEDITERRANEAN TRAVEL LOG | Aix-en-Provence |
LOUISE LAWLER | THE LAMBERT COLLECTION | Avignon |
JOURNEYS WITH WARHOL | Le Puy-Sainte-Réparade | |
PAULIEN OLTHETEN | THE HOLY SERIOUSNESS OF PLAY | Marseille |
MNÉMOSYNE | Marseille | |
AT THE HOUSEHOLD APPLIANCES SHOW, 1923-1983 | FLYING TRAY, AUTOMATIC DISHWASHER, INSTANT MASHED POTATOES | Marseille |
WONDER WHEEL: HAROLD FEINSTEIN | Mougins | |
SUZANNE LAFONT LOOKS AT THE MUSEUM’S PHOTOGRAPH COLLECTION | Nîmes | |
NOÉ SOULIER | FRAGMENTS | Nîmes |
MARTINE SYMS | UGLY PLYMOUTH | Nîmes |
LOUISE BOSSUT | PUT TO THE TEST | Saint-Rémy-de-Provence |
* Die Zahlen korrespondieren mit obenstehendem Plan / Angaben ohne Gewähr |
Danke für diesen informativen Artikel!!!