Fast 40 Jahre wirkte Sabine Wunderlin als Pressefotografin. Jetzt zeigen dieses Buch und eine Ausstellung in Aarau, wie sie diese Zeit des Umbruchs fotografisch dokumentiert hat. Zudem erzählt sie ihre eigene Geschichte mit einem spannenden Werdegang und einem von Überraschungen geprägten Fotografenalltag.
«Illustrierte Schweizer Geschichte aus der Sicht einer Pressefotografin» wäre ein passender Untertitel für dieses Buch. Sabine Wunderlin hat das Zeitgeschehen, insbesondere der Politik, der Frauenbewegungen und der Landschaftsveränderungen, während fast vier Jahrzehnten vor allem in ihrer Festanstellung bei Ringier und später bei allen Blick-Medien bildlich festgehalten. Sie hat in dieser Zeit den Umbruch in fast allen Lebensbereiches miterlebt und fotografisch dokumentiert, hat so ziemlich alle Prominenten aus Gesellschaft, Politik und Sport vor die Linse bekommen – Bilder, die vor allem der Tagesaktualität dienten und jetzt in diesem Buch die Geschichte fast lückenlos nacherzählen.
Dass Sabine Wunderlin mit Fotografieren begonnen hat, hatte zwei Gründe. Einmal war ihr Vater, selbst ein begeisterter Hobbyfotograf, dazu ihr grosses Vorbild, bei dem sie als kleines Mädchen in der Dunkelkammer helfen durfte. Sie war fasziniert, wie in der Entwicklerschale ein weisses Blatt zu einem Bild wurde, und sie lernte so alle Schritte, die es brauchte, um vom latenten Bild des Films zu einem rahmungswürdigen Papierbild zu kommen. Dann erlebte sie in ihrem einstigen Bauerndorf Stein AG wie da und dort alte Häuser Neubauten weichen mussten und neue Strassenzüge angelegt wurden. «Mach doch noch schnell ein Bild» sagte Vater – und so ist das Thema des Wandels der Landschaft mit Vor- und Nachherbildern zu einem Thema geworden, das sie bis heute pflegt. Das Buch zeigt in einem eigenen Kapitel rund zwei Dutzend solcher eindrucksvoller Beispiele.
Sabine Wunderlin erzählt in diesem Buch sowohl ihre eigene Geschichte als auch all das, was sie in ihrem Beruf in rund drei Jahrzehnten als Pressefotografin erlebt hatte. Dabei hat sie es nicht einfach gehabt, sich damals gegen ihre männlichen Kollegen zu beweisen – Fotografinnen gab es damals nur wenige. Die Geschichte läuft in den Seiten fast wie ein Film ab, voll von Erlebnissen, an die man sich nun wieder erinnert, originell grafisch gestaltet, mit informativen und witzigen Zitaten und Bildlegenden durchsetzt, die zum Durchblättern und Verweilen anregen. Es ist kein Buch das man – abgesehen von den Textteilen – von vorne bis hinten durchliest, aber es ist eines, das man immer wieder gerne zur Hand nimmt, um sich ein paar spannende Momente zu gönnen.
Das Frustrierende in der Pressefotografie ist, dass nur wenige der gemachten Bilder wirklich publiziert werden. Zudem haben Newsbilder in der Regel einen kurzen Gebrauchswert und sehen dann aus ihren Archivschachtel kaum je wieder das Tageslicht. Anders in diesem Buch. Hier entdecken wir eine Menge bisher noch nie gesehene Bilder, Politikerinnen und Politiker in skurrilsten Posen oder in unüblichen Situationen, Sportler bei ihren höchsten Glücksmomenten oder das Elefantenmädchen Komali, das sich im Wäschezuber amüsiert. Vielfältig und abwechslungsreich halt, wie die Pressefotografie nun mal ist.
Für wen ist dieses Buch? In erster Linie für Leute, die sich für die Politik und das Gesellschaftsleben im Wandel der Zeit der letzten dreissig Jahren begeistern lassen und dazu gerne bisher kaum gesehene Bilder entdecken wollen. Dann aber auch für solche, die sich für die Pressefotografie interessieren, für einen Beruf, der höchste Konzentration und schnelle Erfassungsgabe ebenso abverlangt wie eine Gabe für perfekte Bildgestaltung. Hier ist Sabine Wunderlin ein grosses Vorbild.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Die letzten 50 Jahre waren eine Zeit voller Umbrüche. Das widerspiegelt sich auch in der Welt der Medien und der Fotografie. Als eine der wenigen fest angestellten Pressefotografinnen in der Schweiz hat Sabine Wunderlin diese Veränderungen hautnah miterlebt. Zu Beginn ihrer Karriere bei Ringier hatte sie meist mächtige Männer vor der Kamera, und die Journalistinnen, mit denen sie zusammenarbeiten konnte, ließen sich an einer Hand abzählen.
Doch das hat sich geändert und Sabine Wunderlin konnte 1984 bis 2017 für den «SonntagsBlick», für »Cash« und andere Medienprodukte der Blick-Gruppe ein weites Spektrum an gesellschaftlichen Themen, Frauen und Männern aus der Bevölkerung und Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland im Bild festhalten. Zudem bearbeitete sie mit Herzblut eigene fotografische Themen als aufmerksame Chronistin der Frauen- und Lesbenbewegung. Sie war auch subtile Beobachterin der Zerstörung der Landschaft in der Schweiz, angefangen mit »Vorher-Nachher-Aufnahmen« in ihrem Herkunftsort Stein im Kanton Aargau.
Die Monografie führt chronologisch durch 40 Jahre Schweizer Geschichte. Gleichzeitig werden Verbindungen und Zusammenhänge in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und dem Showbusiness über die Jahre sichtbar gemacht. Dies geschieht einerseits durch die Bilder von Sabine Wunderlin, andererseits durch die Bildlegenden und ausführlichere Text über ihre Arbeit als Pressefotografin und als Dokumentaristin wichtiger Gesellschaftsfragen.
Der Inhalt
Impressum, Titel
«Eine eigenwillige Bilderwelt lesen und teilen» von Willemijn de Joung
«Mit Momentaufnahmen Geschichte schreiben» von Nadine Brügger
«1968 – 2022» von Sabine Wunderlin
«Mein Dorf, wie hast du dich verändert» / L’Armée Suisse au féminin, 12 pages photo / So eroberte der Papst die Schweiz / Komalis grosse Kübelshow im Zürcher Zoo / Einmal im Leben ein harter Mann sein / 5 Jahre FRAZ. Wir feiern / Mit dem schwarzen Riesen auf du und du / Die Vorsängerin /
Jurij Stscherbak – «grüne» Hoffnung von Tscherbobyl / Willi Brandt, ist der Kommunismus am Ende? / «Fehlerprognose versaut mir den Sonntag» / Kaspar Villiger: Politik ist ihm wichtiger als Politur / Uriella auf dem Weg ins Paradies / Wahrheitsfinder oder Langweiler / Wiedersehen auf der A3 /
Männer? Nein Danke! / Ein Königreich für Tuma / Der neue Mann / Ein weites Feld für Bauers Unternehmergeist / «Zum Glück musste ich nicht alleine Heimkehren / Stau in Belgrad, Gstürm in Zürich / «Eine Frau muss den Erfolg wollen» / Die Unbekannte zeigt ihr wahres Gesicht /
«Amerika ist in krankes Land» / Der Mann, der Stier und ein Tod / Der mit den Pferden spricht / «Für jeden falschen Ton gabs eine Ohrfeige. Das prägt.» / Scapa verzaubert Bams Kinder / Flop of the World / Zumthor: zu stur, zu teuer, zu radikal? / Ich bin ein einsamer Mensch – mit vielen Freunden /
Kartoffelrisotto mit Ajoie-Wurst und Bärlauch / Die wilden Reiter von Sumba / «Ja, Lüthi und Blanc war mein Kind» / «Ich habe nicht einmal Zeit zum Einkaufen» / Für «Wetten dass …?» beisst Ueli Maurer ins Gras / Abrechnung! / Im Tal der Elfen / Festhütte Schweiz / Wenn Love Kunst wird /
Bluemestöcklis Himmelfahrt / Tims ungewöhnliche Familie / Baumeister der Träume / «Ich bin selber ein halber Bauer» / Freudentränen bei der Einbürgerung / «Pascale Couchepin holte mich aus dem Loch» / Willkommen in meiner Anker-Welt / «Ich bin froh, dass ich keinen Lohn habe» /
Keiner liebt Lidl / Flores – viel Stoff für Riten und Mythen / Die wilden Pferde von Bisbino / Jetzt beginnt die Kraxeltour / Frauen sind der letzte Schrei / Zwei Sieger der Herzen / Die schlagen wir mit links! / Jetzt spielen wir die erste Geige in der Politik / Pereira geht, und alle kamen / Hut ab, Hannes /
«Warum ist es so saukalt, Herr Professor?» / «Ich bin so dankbar» / Wie eine grosse Kariere entsteht / Auf eigenem Kurs / «Der Tod kommt immer zu früh» / «Weil wir stets Neues entwickeln, floriert die Firma» / «Ich bin ein Chamäleon mit Gummigesicht» / Auf dünnem Eis /
Alles paletti, Pipilotti / Ewig Schönes gibt es nicht / Der Kampf geht weiter / Ein Dorf in Schockstarre / Tamynique in der «Arena» – 2:0 für die Homo-Ehe / Mister Next Generation «Fotografischer Appell wider die Landschaftszerstörung» von Sabine Wunderlin und Marianne Noser
Wiedersehen auf der A3 / «Die Landfresser» / Mit wachem Blick unterwegs
«Wie alles begann» von Marianne Noser
Grossmutter Luise / Hühner-Hasler und Grossbauer / Vaters Dunkelkammer / Die ersten Fotos / Erste fotografische Erfolge / Die Zeit als Lehrerin / Reise durch Amerika / Kunstgewerbeschule Zürich / Fotografin on Ausbildung / Bildpaare und ein Stipendium / Frauenhilfsdienst FHD
«Pressehaus Ringier»
Zwischen Lehrabschluss und Arbeitsvertrag / Star beim «Sonntags-Blick» / Das erste Cover und erste Schreckensmomente / Eingespieltes Trio / Pleiten, Pech und Pannen / Dreamteam I / Making-Pictures und Taking-Picture / Dreamteam II / Komali & Co / Von Kühen und Gorillas / Bildauswahl und Datenübermittlung / Von analog zu digital / Arbeitsbelastung und Zeitdruck / In der Welt der Wirtschaft / Zwischen Interviewfotos und Symbolbildern / Junge Kolleg:innen und «Sie+Er» / Die Anfänge im Newsroom / Skandale, Todesfälle und Verbrechen / Interviews, Society-Events und VIP-Partys / Zwischen Stress und Effizienz / Fotografinnen, Frauen und Sichtbarkeit / Dreamteam 3
«Engagement in der Frauen- und Lesbenbewegung»
Treffpunkt Frauenzentrum / FLOH – Frauen lesbisch oder homosexuell / Aktionen, Feste und Jubiläen / Lesbenberatung und Coming-Out / Politischer Gegenwind / Kampf um schweizweit gleiche Rechte
Biografien / Dank
Die Fotografin und die Autorinnen
Sabine Wunderlin, geb. 1953, wuchs in Stein AG auf und lebt seit 1981 in Zürich. Sie absolvierte die Fotoklasse der Schule für Gestaltung Zürich, heute ZHdK. Von 1984 an arbeitete sie als festangestellte Fotografin auf der Redaktion des «SonntagsBlick». 1995–2002 war Sabine Wunderlin auch auf der «Cash» -Redaktion tätig. 2010–2017 fotografierte sie für alle Blick-Medien im Newsroom. Seither ist sie freischaffende Fotografin. Seit vielen Jahren engagiert sich Sabine Wunderlin in der Frauen- und Lesbenbewegung (FRAZ, Lesbenberatung, LOS).
Willemijn de Jong ist Sozialanthropologin an der Universität Zürich und Titularprofessorin. Sie hat verschiedene Forschungsprojekte geleitet und dozierte ebenfalls an den Universitäten Bern und Wien. Ihre Publikationen als Autorin und/oder Herausgeberin betreffen unter anderem Migration und Kommunikation in der Schweiz.
Marianne Noser studierte Germanistik und Publizistik an der Universität Zürich und war Absolventin der Ringier Journalistenschule. Sie ist Chefredaktorin der Zeitschrift »Zeitlupe« und war bei verschiedenen Medien tätig: u.a. bei «SonntagsBlick», «Cash» und «Gesundheit SprechStunde».
Nadine A. Brügger ist Journalistin und Historikerin aus Bern. 2021 erschien ihr erster Roman «Helvetias Tôchter» zur Geschichte des Frauenstimmrechts in der Schweiz. Brügger arbeitet als Redaktorin im Feuilleton der «Neuen Zürcher Zeitung».
Saskia Nobir studierte «Visuelle Kommunikation» an der Hochschule Darmstadt und realisierte nach dem CAS in Schriftgestaltung an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) die Schriftfamilie «Filo Pro». Seit 2013 Art Directorin des Rüffer & Rub Sachbuchverlags.
Hinweis: Parallel zum Erscheinen des Buches findet vom 18. August bis 8. Oktober 2023 im Stadtmuseum Aarau die Ausstellung «Sabine Wunderlin – Fotografin in einer Umbruchszeit» statt. -> mehr zur Ausstellung
Bibliografie
«Sabine Wunderlin – Zwischen Stein, Bundeshaus & Pudding Palace
Pressefotografin in einer Umbruchzeit»
304 Seiten, ca 530 Abbildungen, Hardcover, Fadenheftung, Format 20.5 x 26.5 cm, August 2023
Mit Texten von Willemijn de Joung (Herausgeber), Nadine Brügger (Einleitung) und Marianne Noser
Verlag Rüffer & Rub, Zürich
Preis: CHF 48.00 / EUR 48,00
ISBN 978-3-907351-05-5
Das Buch kann im Buchhandel erworben, im Kunstmuseum Aarau gekauft oder direkt beim Verlag bestellt werden.