Urs Tillmanns, 28. Dezember 2023, 17:08 Uhr

Der fotografische Nachlass von Gustave Eiffel – in Farbe

Gustave Eiffel ist für den monumentalen Turm in Paris berühmt. Wenig bekannt ist, dass Eiffel ein begeisterter Amateurfotograf war und in seiner Sommerresidenz in Vevey während Jahren auf Autochrome-Platten die Gegend festhielt. Diese seltenen Bilder werden nun erstmals öffentlich im Kameramuseum in Vevey gezeigt.

Wer den Namen Eiffel hört, denk unweigerlich an den mehr als 300 Meter hohen Eisenturm, der als Wahrzeichen von Paris weltbekannt ist. Das gigantische Bauwerk wurde 1889 für die zehnte Weltausstellung in Paris erreichtet, mit einer Betreiberkonzession von 20 Jahren – doch er steht heute noch und ist unverändert der wichtigste Anziehungspunkt aller Paris-Besucher/innen. Und eines der meistfotografierten Objekte der Welt.

Zur Erinnerung an den Konstrukteur Gustave Eiffel (1832-1923) und zu dessen 100. Todestag zeigt das Schweizerische Kameramuseum in Vevey in einer Ausstellung bisher unveröffentlichte: Fotografien, die der Ingenieur in Vevey aufgenommen hatte. Eiffel war mit der Stadt am Genfersee sehr verbunden und verbrachte ab 1892 Gustave Eiffel regelmässig seine Sommermonate in einer Villa, die er am westlichen Ende der Stadt erworben hatte. Im Kreis seiner Familie widmete er sich seiner Leidenschaft für die Fotografie und nahm unter anderem wunderschöne Autochrome-Platten auf, das erste industrielle Verfahren der Farbfotografie.

Gustave Eiffel mit seiner Kamera, ca 1890-1892. © Musée d’Orsay, Dist. RMN-Grand Palais/Alexis Brandt

Als Wissenschaftler, der vom technischen Fortschritt motiviert war, interessierte sich Gustave Eiffel Anfang der 1880er Jahre für die Fotografie und nutzte diese für seine private und berufliche Kommunikation, seine Experimente, seine Reisen und nicht zuletzt für sein Familienleben. Als guter Praktiker mit einer Ausbildung als Chemiker an der «École centrale» in Paris bereitete er seine Platten selbst vor, kopierte seine Bilder selbst in der Dunkelkammer, hielt die technischen Angaben zu seinen Aufnahmen fest und testete die Neuheiten seiner Zeit.

Neben den Autochrom-Aufnahmen zeigt die Ausstellung auch Schwarzweissbilder vom Genfersee, vom Winzerfest, von Gustave Eiffels Dampfyacht, die im Hafen seines Hauses in Vevey vor Anker liegt, und von anderen Motiven, die mit grossem Sinn für Erzählungen dokumentiert sind.

Ein typisches Autochrome-Bild: Claire Salles-Eiffel im Garten der Villa Claire, Vevey, 1910. © Musée d’Orsay, Dist. RMN-Grand Palais/Patrice Schmidt.

 

Gustave Eiffel (1832-1923)

Gustave «Bönickhausen dit Eiffel» wurde am 15. Dezember 1832 in Dijon geboren. Sein Vater war Berufssoldat, seine Mutter betrieb einen Holz- und Kohlehandel. Nach seiner Ausbildung an der «École centrale des arts et manufactures» wandte er sich dem Stahlbau zu, eine Technik, die dank des Ausbaus der Eisenbahnnetze und neuer Methoden der Stahlherstellung boomte. Er war nach 1855 beim Unternehmen von Charles Nepveu für den Bau der Saint-Jean-Eisenbahnbrücke, die 500 Meter über die Garonne in Bordeaux führt, verantwortlich. 1862 heiratete Gustave Eiffel Marguerite Gaudelet, eine Ehe, aus der drei Mädchen und zwei Jungen hervorgingen. Marguerite starb frühzeitig, so dass die älteste Tochter Claire den Haushalt führte. Gustave Eiffel baute in den Folgejahren eine Reihe von Brücken, Viadukten und Fussgängerbrücken und gründete 1866 sein eigenes Unternehmen ausserhalb von Paris in Levallois-Perret. Hier wurden die Bauwerke vorgefertigt und dann in Frankreich und in die ganze Welt verschickt. Eiffel verstand es, sich mit hervorragenden Mitarbeitern zu umgeben, darunter der französisch-schweizerische Ingenieur Maurice Koechlin, der an der Technischen Hochschule in Zürich ausgebildet worden war und die Grundidee eines 300 Meter hohen Stahlturms an Eiffel herantrug. Eiffel war zunächst zurückhaltend, änderte dann aber seine Meinung und warb bei den Organisatoren der Weltausstellung in Paris 1889 für das Projekt. Der in zwei Jahren errichtete und fast vollständig von dem Ingenieur finanzierte Eiffelturm war ein grosser Erfolg für die Bevölkerung und ist noch heute das Symbol einer Stadt und eines ganzen Landes. Eiffel zog sich 1893 aus dem Geschäftsleben, widmete sich der wissenschaftlichen Forschung, vor allem in den Bereichen Aerodynamik und Meteorologie. Er starb am 28. Dezember 1923 im Alter von 91 Jahren in Paris.

Gustave Eiffel vor der Villa Claire, Vevey, um 1910. © Musée d’Orsay, Dist. RMN-Grand Palais/Patrice Schmidt.

Gustave Eiffel war erstmals als Student 1854 mit Freunden in der Schweiz, dann 20 Jahre später mit seiner Frau Marguerite und seiner Tochter Claire am Genfersee. Anfang der 1880er Jahre hielt er sich mehrmals in Choëx, oberhalb von Monthey auf und verfiel dem Charme von Vevey. Er kaufte 1893 ein Anwesen am westlichen Ende der Stadt, wo sich heute der Sitz von Nestlé befindet und verbrachte bis zu seinem Tod regelmäßig die Sommermonate in der «Villa Claire», die nach seiner ältesten Tochter benannt war. Das Haus wurde durch den Anbau einer Halle und einer Veranda vergrössert, und es wurde darin ein Fotolabor eingerichtet. Zudem liess Eiffel vor seinem Anwesen ein kleiner Hafen bauen, in den er seine 19 Meter lange und 28 Tonnen schwere Dampfjacht verankert.

 

Gustave Eiffel und die Fotografie

Gustave Eiffel begann sich anfangs der 1880er Jahre für die Fotografie zu interessieren und befasste sich intensiver damit, als er in den Ruhestand trat. Er richtete sich in seinem Haus eine Dunkelkammer ein und experimentierte mit den auf dem Markt erscheinenden Verfahren, darunter auch das von den Gebrüder Lumière 1903 erfundene Autochrome-Farbverfahren.

Die Ausstellung zeigt erstmals die Autochrome-Farbbilder, welche Gustave Eiffel in der Umgebung von Vevey aufgenommen hatte.

Gustave-Eiffel nutzte auch die Fotografie, um seine Bauwerke fotografieren zu lassen und diese so in seinem beruflichen Umfeld und bei der Presse bekannt zu machen. Auch liess er sich häufig von den besten Fotografen seiner Zeit, darunter auch Nadar, porträtieren. Das Musée d’Orsay in Paris, aus dessen Bestand viele der Exponate dieser Ausstellung stammen, bewahrt rund 100 verschiedene Porträts von Gustave Eiffel auf.

Eiffel dokumentierte auch das lokale Geschehen in Schwarzweissbildern, wie die Schifffahrt auf dem Genfersee oder ein spektakulärer Autounfall.

Eiffel wusste auch, wie sehr die Fotografie die wissenschaftliche Forschung, zum Beispiel in der Astronomie, Medizin, Physik, Meteorologie oder Aerodynamik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts voranbrachte. Er beobachtete die astrophotographischen Arbeiten seines Freundes Jules Janssen, der den Abstand der Erde zur Sonne bestimmen oder zu dem Schluss kommen konnte, dass die Venus eine Atmosphäre hat. Auch förderte er Versuche zur Telefotografie auf der Spitze seines 300 Meter hohen Turms. Hauptmann Bouttieux machte 1896 mit einem Teleobjektiv mit 1 m Brennweite beeindruckende Fotos des Grossraums Paris.

Weiter werden die Geräte gezeigt und beschrieben, welche Gustave Eiffel für seine Fotografien benutzt hatte. Das Bild an der Wand zeigt einen Extremausschnitt einer Autochrome-Platte. Darauf sind die gefärbten Kartoffelstärkekörner gut zu erkennen.

Gustave Eiffel nutzte nach seiner Pensionierung im Jahr 1893 die Fotografie für seine eigenen Forschungen. Er entwickelte einen Heliographen, der statt mit Anilin gefärbtem Papier mit Fotopapier arbeitete, wodurch die Genauigkeit des Sonneneinstrahlungsmessgeräts erheblich verbessert wurde. Auch seine Experimente in der Aerodynamik liess er ausgiebig fotografieren, sei es seine Forschungen zum Luftwiderstand oder zur aufkommenden Luftfahrt.

 

Farbe kommt in die Fotografie: Autochrome

Es ist den Brüdern Auguste und Louis Lumière in Lyon zu verdanken, dass die ursprünglich schwarzweisse Fotografie mit ihrem ersten industriellen Verfahren durch Farbe bereichert wurde. Das Autochrome-Verfahren wurde 1903 patentiert und kam 1907 auf den Markt. Obwohl sehr teuer und nicht immer einfach zu bedienen, verzeichnet das Verfahren einen internationalen Erfolg, der bis in die 1930er Jahren anhielt und erst danach von den ersten Farbfilmen von Kodak und Agfa abgelöst wurde. Über zwei Jahrzehnte lang produzierten die Lumière-Werke in Lyon mehrere Millionen Autochrome-Platten in verschiedenen Formaten.

Das Autochrome-Verfahren basiert auf dem Prinzip der additiven Farbmischung und nutzte dazu organisches Material: winzige Körner aus Kartoffelstärke. Diese Körner waren orange-rot, grün und blau-violett gefärbt. Sie wurden auf eine Glasplatte gelegt, bevor sie mit einer Schicht Isolierlack und dann mit einer lichtempfindlichen Emulsionsschicht versehen wurden. Nach der Belichtung der Platte in der Kamera. Wurde diese meist zur Entwicklung an die Lumière-Labors zurückgeschickt. Das positive Bild konnte dann mithilfe eines speziell lichtstarken Projektors auf einer Leinwand betrachtet werden.

Die Helligkeit der Autochromdias, ihre subtile Körnung und ihre prächtigen Farbtöne haben das Verfahren oft in die Nähe der Malerei gerückt, zum Beispiel in die des Impressionismus und des Pointillismus. Die Ausstellung im Schweizer Kameramuseum belegt diese These mit eindrucksvollen Bildbeispielen.

(Redigierter Pressetext)

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis  28. April 2024 im
Schweizer Kameramuseum
Grande Place 99
CH-1800 Vevey
Tel 021 925 34 80

Weitere Informationen finden Sie unter www.cameramuseum.ch

Hinweis: Parallel zur Ausstellung präsentiert das Historische Museum Vevey die Ergebnisse seiner Forschungen über die «Villa Claire», das damalige Haus von Gustave Eiffel in Vevey.

Die meisten Originalfotos von Gustave Eiffel stammen aus den Sammlungen des Musée d’Orsay, Paris.

 

Ein Kommentar zu “Der fotografische Nachlass von Gustave Eiffel – in Farbe”

  1. Eifel baute auch eine Metallbrücke in Münchenstein/Birseck welche durch ein Hochwasser der Birs unterspühlt wurde und in Juni 1891 zu einem grossen Zugsunglück führte. Über siebzig Reisende fanden den Tod. Unfalluntersuchungen ergaben Konstruktionsmängel, schlechter Stahl und vor allem mangelnder Unterhalt seitens der Jura-Simplon-Bahn.
    Der Unfall ist fotografisch im Basler Staatsarchiv gut dokumentiert. Danke Urs für deinen Artikel.

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