Dass die analoge Fotografie im Trend ist, sieht man auch daran, dass immer mehr über die Fotografie mit Film publiziert wird. Jetzt ist in Deutschland – neben PhotoKlassik – eine zweite Zeitschrift auf den Markt gekommen, die sich dieser Art der Fotografie widmet. Zweisprachig, deutsch und englisch und ebenfalls vierteljährlich.
Der Platzhirsch PhotoKlassik hat einen Nebenbuhler bekommen: «camera – stay analog!». Der Titel lehnt sich an die einstige, legendäre Schweizer Publikation an, die von 1922 bis 1981 erschien, was auch mit der Verwendung früheren, typischen Schriftzug als Erkennungszeichen verdeutlicht wird. Das ist nicht neu, denn nach der Einstellung von Allan Porter’s «camera» wurde der Titel von einem österreichischen, einem deutschen und einem französischen Verlagshaus genutzt. Mehr zur Geschichte von «camera» lesen Sie hier. Jetzt gibt es mit «camera – stay analog!» ein weiteres Revival, das sich konsequent mit Themen der Fotografie mit Film auseinandersetzt.
Die erste Ausgabe des Heftes, die inzwischen bereits vergriffen ist, haben wir leider verpasst. Das zweite Heft macht einen recht geglückten Eindruck, mit vielen spannenden Artikeln und interessantem Bildmaterial. Chefredakteur Jürgen Lossau wartet in seiner Einleitung gleich mit drei guten Nachrichten auf: Erstens, es gibt wieder neue, in Deutschland produzierte Farbfilme, was eines der Schwerpunktthemen dieses Heftes darstellt. Zweitens, abgesehen von der analogen Kompaktkamera von Pentax, die seit längerem durchs Internet geistert, sollen 2024 drei weitere Kameras für Film auf den Markt kommen. Im Heft gibt es erste Details. Und drittens waren die Reaktionen auf die erste Ausgabe von «camera – stay analog!» derart positiv, dass die Auflage des zweiten Heftes erhöht werden konnte. Lossau verspricht, dass diese «camera» keine Eintagsfliege sei …
Lossau ist ein geübter Blattmacher. Das sieht man den Texten, der Bildauswahl und der Aufmachung des Heftes an. Er geht auf viele motivierende Themen ein, und holt die Leserinnen und Leser dort ab, wo ihr Hauptinteresse liegt: bei der Fotografie mit Film. Dies leitet auch passend zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe über: zu den neuen Filmen NC200 (Farbnegativ) und NC100 (Schwarzweiss) aus Wolfen. Neben den entsprechenden Erfahrungsbericht lädt das Heft die Leser/innen redaktionell zu einem Werkbesuch nach Wolfen ein, erklärt wie Filme begossen und konfektioniert werden und zeigt in einem spannenden Interview wo die Tücken der Filmproduktion liegen. Interessant, wie das ehemalige Knowhow von Orwo (und Agfa) wieder Fahrt aufnimmt und in Zeiten, wo Engpässe bei der Filmbeschaffung des Handels bestehen, voraussichtlich Rückenwind geniessen dürfte.
Das Heft zeichnet sich auch durch einen abwechslungsreichen Bildteil aus, mit drei Portfolios von Vera Elisabeth, Burcu Beaufort und Patrick-Pablo Eller. Das übergreifende Thema sind Doppel-und Mehrfachbelichtungen, welche die drei Bildschaffenden auf sehr unterschiedliche und kreative Art angehen. Die Bilder verblüffen, machen stutzig – und regen dazu an, ähnliches zu versuchen. Natürlich mit Film und nicht mit Photoshop.
Das Heft schliesst mit zwei weiteren Schwerpunkten. Da ist einmal die Geschichte von Nikon, mit der Auflistung der wichtigsten Kameramodellen in einer Timeline. Viele werden sich an die Meilensteine von damals erinnern, Sammler werden einige davon in ihrem Vitrinen haben und viele dieser «Filmlegenden» dürften heute noch – oder wieder – im Einsatz sein. Dann geht es ab in die Welt der Miniatur- und Spionagekameras, die als vielfältigste Konstruktionen quer durch die Kamerageschichte benutzt wurden, um dubiose Personen versteckt zu fotografieren und vertrauliche Dokumente zu reproduzieren. Welche Kameras dazu im Gebrauch waren, und wie man in den einzelnen Fällen vorging, liest sich themenentsprechend wie ein Krimi.
Für wen ist diese Zeitschrift? Die analoge Fotografie bietet unendlich viele spannende Themen, welche für beide Titel, PhotoKlassik und camera, genügend Redaktionsraum lassen. Wer sich echt mit der Analogfotografie befasst, wird zumindest über einen gewissen Zeitraum die beiden Titel verfolgen und dann entscheiden, welchem Team von Fachleuten der Vorzug gegeben wird. Jedenfalls erfreulich, dass sich zwei Verlag in Deutschland wieder der Marktnische der Filmfotografie annehmen. Eine Marktnische, die immer grösser wird …
Urs Tillmanns
Heftbeschreibung des Verlages
Alles über analoge Fotografie. Neue Talente, neue Filme, neue Kameras! Jede Ausgabe stellt drei Fotografinnen oder Fotografen vor. Die Geschichten der Marken und Filme: Nikon, Canon, Olympus, Kodak, Fujifilm, Leica, Zeiss, Olympus, Rollei, Contax, Mamiya, Hasselblad, Tamron, Sigma, Voigtländer, Cosina, Minolta, Ricoh, Pentax, Polaroid, Instax. Selber entwickeln und Laborarbeiten. Und viel mehr, was sonst noch Spaß macht. Zweisprachig in Deutsch/Englisch. 100 Seiten. 21x28cm.
Der Inhalt
Wir haben heute drei gute Nachrichten für euch
THO kennt sie schon
Mach’s mal mit der mju:!
Besuch beim Biest
Auf der Suche nach dem neuen Gold
Wolfen NC200
Wolfen NP100
«Wir wollen zeigen: Wir sind da!»
Giessen, schneiden, perforieren
Ideen aus dem Hintergrund
Vera Elisabeth: 3x doppelt
Burcu Beaufort
Patrick-Pablo Eller
Nikon-Story
In geheimer Mission: Wie mit Kameras spioniert wurde
Vorschau Heft 3 / Impressum
Bibliografie
«camera – stay analog!»
110 Seiten, durchgehend vierfarbig, Klebebindung, Format 21 x 28 cm
Sprachen: deutsch und englisch
Erscheinungsweise: vierteljährlich
Verlag: atoll medien / aktion.tv e.K., Hamburg
Chefredaktion: Jürgen Lossau
Preis: Einzelnummer CHF 10.00 / EUR 10.00, Abo EUR 45.00 Deutschland, EUR 55.00 international
Vertrieb in der Schweiz: Ars-Imago, Zürich und Foto Media, Jegenstorf
Danke für den Tip. Hatte ich noch nicht mitbekommen. Die Zeitschrift könnte Erfolg haben, denn die PhotoKlassik ist meiner Meinung nach nicht mehr das, was sie mal war. Die Artikel reißen die Themen nur noch kurz an und gehen leider nicht mehr in die Einzelheiten. Alles sehr oberflächlich und beliebig geworden.
Ich gebe Heiko recht – habe gerade mein Abo dort gekündigt. Mal schauen, ob die Hamburger das besser machen …
Das Problem der exotischen Fotozeitschriften ist:Sie verschwinden einfach so aus den Regalen.Oder in den Hintergrund. evt. weil zuviel darin geblättert aka gelesen wird. Im Bahnhof SBB Basel ist Orell Füssli in die hintere Halle Richtung West frz. Bhf gezügelt Zeitschriftenkiosk wurden drinnen geschleift. Vermute SBB zu hohe Miete. Man versteht allerdings warum Zeitschriften aus dem Regal verschwinden. Bezüglich Wolfen Filmfabrik. Hatte Ende 60er und in 70er in Polen immer UT 18 Diafilme gekauft und auch kostengünstig schnell entwickeln lassen: Resultat durch katastrophal. Farben nur ab und zu ok. oft Wasserblasen, Kratzer oft. Erst Entwicklung in Stuttgart bei Speziallabor brachte Besserung. Das Film trotzdem der schlechteste Diafilm. Soll verbessert worden sein. Kamera war nicht schuld
Das Problem ist dass sie sich nicht mehr verkaufen, zudem ist das Verkaufsmodel Kiosk für heutige Verhältnisse fragwürdig. zunächst muss ein Verlag den Platz für eine Zeitschrift ‚mieten‘ gleichzeitig bestellen die Kioske mehr Hefte als sie verkaufen werden, jahlen jedoch nur die die sie tatsächlich verkaufen, in der Regel sind das nur 20%, der Rest wird zurückgeschickt und vernichtet – das ist weder Finanziell nachhaltig noch Ökologisch. Das fotoMagazin hatte vor zwei Jahren den versuch gemacht in der Schweiz an allen Migros-nahen Kiosken vertreten zu sein. Es lohnte sich nicht. Fotozeitschriften sind als Spontankaufprodukt tot und werden auch nicht mehr zurückkommen. Von den Fantasiepreisen welche die Valora Gruppe festlegt wollen wir gar nicht reden.
Ueberraschend, dass das Heft in der Schweiz nicht das Doppelte, sondern nur geringfügig mehr als in Deutschland kostet. Jürgen Lossau ist eben ein gewiefter Blattmacher. Werde also meine beiden Alpas wieder einsetzen und vielleicht sogar die Bronica EC-TL 😉
Zumindest s/w ist ja selber einfach zu entwickeln.
Ähnlich ist es mit der Photographica Zeitschrift „Photo Deal“ von Rudolf Hillebrand, die nach eindrucksvollen 100 Ausgaben 25 Jahre lang viermal im Jahr erschien und in vielen größeren Bahnhöfen auslag. Nun ist sie nur noch per Subskription zu haben (3 x im Jahr). Hier sind die Artikel sehr ausführlich, oft 10 Seiten lang.