Gastautor/-in, 13. Februar 2024, 22:00 Uhr

Techno im Fokus – Ausstellungen in der Photobastei

Wie bereits in unserem Artikel zum Auftakt des Fotojahres berichtet, widmet sich die Photobastei in Zürich seit Mitte Januar bis Ende März 2024 dem Thema «Techno» mit zwei Ausstellungen sowie begleitenden Veranstaltungen und Konzerten.

Viele Besucherinnen und Besucher sind gespannt, wie es gelingen kann, wie so etwas flüchtiges wie Techno in einer Ausstellung präsentiert werden kann. Fakt ist: In der Photobastei kann man Techno sehen, hören und fühlen.

 

Ausstellungsplakate: Die Photobastei in Zürich präsentiert drei Monate lang die Technokultur in den beiden Ausstellungen:«The Pulse of Techno» und «Techno Worlds».

Die Ausstellung «Techno Worlds» des Goethe Instituts, wurde bereits in Nord- und Südamerika gezeigt und istnun erstmalig im deutschsprachigen Raum zu sehen. Sie nimmt lokale und globale Perspektiven des Techno auf und zeigt einige Phänomene des Techno und der Clubkultur in Werken bildender Künstler und Künstlerinnen. «The Pulse of Techno» ist eine Eigenproduktion der Photobastei, kuratiert von Romano Zerbini mit Schwerpunkt auf die Stadt Zürich.

 

Techno verändert Zürich

Streetparade 1992. Der Zürcher Fotograf Tom Kawara begleitete die erste Parade. Gelungen ist ihm dabei ein ikonisches Bild: Oliver Seitz tanzte im Vordergrund auf dem Wagen. Viola Zimmermann machte die Musik.

Besucher betrachten die erwähnte Aufnahme, die Tom Kawara an der Streetparade von 1992 schoss. (Situationsbild:Vera Rüttimann)

Auch Romao Zerbini bleibt immer wieder vor dem grossformatigen Schwarzweiss-Foto von Tom Kawara stehen. «Für die Techno-Szene in Zürich war die Streetparade ein richtiger Verstärker.» Sie veränderte die Stadt nachhaltig.

Romao Zerbini, Initiator der Photobastei und Kurator der Ausstellung «The Pulse of Techno» bei seiner Ansprach zur Eröffnung der Ausstellungen. 

Rebecca Fässler, Co-Leiterin der Kulturabteilung der Stadt Zürich, war 17, als sie erstmals von älteren Schülern erfuhr, dass in Zürich an einem Samstag etwas Besonderes abgehen wird. «Zürich war noch weiter weg für unsere Eltern, die diese Stadt in dieser Zeit nur assozierten mit der offenen Drogenszene am Platzspitz», erzählte Fässler bei der Vernissage. Heute kaum vorstellbar: Die Stadt Zürich wollte die Streetparade erst gar nicht bewilligen.

 

Rebecca Fässler, Co-Leiterin der Kulturabteilung der Stadt Zürich

Dicht gedrängt standen die Besucher der Vernissage

Stimmungsbild der Vernissage

 

Album #1: Streetparade

In einem Nebenraum zeigt ein Diaprojektor Bilder von ravenden Menschen an der Streetparade. Sie stammen von Jules Spinatsch, der in den Jahren 1995 – 1997 Besucher:innen der Street Parade porträtierte. Auch als Side-Projekt für das erste thematische Magazin «album #1: Streetparade».

Im «album #1: Streetparade» mit Strassenporträts

In der Ausstellung sind die Porträts von Streetparade-People als Diaschau mit mehrerern Projektoren zu sehen.

Seine Bilder stammen aus einer Zeit, als sich nicht nur in Zürich vieles veränderte. «Der Kalte Krieg war vorbei, das dumpfe Zürich wurde zur Partystadt – bunter, lärmiger, internationaler, dichter. Die Streetparade war ein Ausdruck davon und hatte eine politische Dimension», sagt Jules Spinatsch. «Sie forderte dies ohne Ideologie Frieden und Toleranz und propagierte dies mit Spass, Hedonismus.»

Als Fotograf wollte er nicht die politische Bewegung im Bild festzuhalten. «Mein Interesse galt den Menschen am Rand des Ereignisses, die diese Ideen durch ihre Anwesenheit und ihr Styling verkörpern», erläutert er.

Heute, bald 30 Jahre später, so Spinatsch, scheine es, als blickten die Personen fragend aus der Vergangenheit heraus in die Zukunft. „Durch die Betrachtung der Bilder und dieser Menschen aus einer anderen Zeit nehmen wir Kontakt mit unserer eigenen Vergangenheit auf.  – Reconnect with your past.»

Jules Spinatsch schoss Porträts von Leuten an der Streetparade

 

In der Ausstellungen werden die Streetparade-Porträts von Jules Spinatsch projiziert.

 

Verschwundene Orte

Viele Orte des Techno sind längst verschwunden. Allein schon deshalb ist diese Ausstellung sehenswert. Sie sind ein Stück Zürcher Stadtgeschichte. Die Fotografin Nicola van Zijl war um die Jahrtausendwende oft im Rohstofflager. Im 1997 wurde aus dem ausgedienten Rohstofflager der Seifen- und Waschpulver-Fabrik Steinfels an der Josefstrasse ein Technotempel. Und was für einer! Die Fotografin hielt mit ihrer analogen Kamera tanzende Massen fest, die zu coolen Techno-Vibes von Bands wie Leftfield tanzten. Ein Ort der fiebrigen Ekstase. Paul Kalkbrenner, Miss Kittin, Juan Atkins, Jeff Mills, DJ Hell … hier legte die Königsklasse des Techno auf.

Foto von Nicola van Zijl

Ein anderer legendärer Club, indem sich van Zijl oft aufhielt, war die Dachkantine. Sie logierte in den Räumen der ehemaligen Personalkantine des Milchverarbeiters ‚Toni’. 2006 musste der Club einem Grossbauprojekt weichen. Weitere Motive zeigen tanzende Menschen am Lethargy-Festival, die alternative Parade in der Unterführung zur Langstrasse und Raver im Tränennebel an der Kornhausbrücke.

Die Aufnahmen von Nicola van Zijl aus den Clubs zeigen auch auf, wie sehr Techno auch das Interior-Design und das multimediale Arbeiten beeinflusste. Man chillte dabei zu Musik- Lichtinstallationen, die an die nackten Betonwände projiziert wurden.

An den Wänden hängen Aufnahmen von Nicola van Zijl aus den Clubs

Bilderwand

 

DJs im Fokus

Der französisch-schweizerische People-Fotograf Arsène Saheurs fokussierte sich in seiner Arbeit stark auf Porträts von DJs. Er fotografierte in allen Rohstofflager-Stationen. Zuerst im Steinfelsareal, dann in Oerlikon und schliesslich im Toni-Areal. Saheurs fotografierte sie bewusst ohne Publikum im Club. Seine stylischen und perfekt ausgeleuchteten Porträts, eingerahmt in edlen schwarzen Rahmen und Passpartous, sind ein visueller Höhepunkt dieser Ausstellung.

Arsène Saheurs porträtierte DJs: Styro, Chicks, Vath

Wand mit DJ-Porträts von Arsène Saheurs

 

Und dann ist noch das Buch «Oh Yeah», das Boris Blank und Dieter Meier zum 40-jährigen Jubiläum ihrer Band Yello publiziert haben. Der ganze Yello-Kosmos wird in vielen grossartigen Fotografien festgehalten. Daneben hängen vier ausgewählte Bilder, die Yellow beim Performen zeigen.

Ein Bereich widmet sich der Zürcher Band Yello, die zu den Vätern des Techno gehörten und an 1980 viele weltweite Hits landeten. (Foto: Vera Rütimann)

Ausgestellte Fotos Yello: Diese zeigen den Musiker Boris Blank im eigenen Tonstudio umgeben von Samplern, Sythesizern und Recording-Equiopment.

Das Buch «Oh Yeah» über Yello: aufgeschlagen ist eine Doppelseite mit Bildern aus dem Musikclip des Songs «The Race» (siehe Video auf YouTube).

 

«Glow»

Die Fotografin Rita Palanikumar hat das in ihrer Fotoserie „Glow“ Menschen in durchtanzten Sommernächten in Zürich ein Denkmal gesetzt. Nackt tanzende Körper, sich umarmende und küssende Menschen – sie macht erlebbar, das Techno auch für ein neues Körpergefühl stand. Die Nacht wird in ihren Bildern nie hell. Und doch gelingt es ihr, mit ihrem Infrarotblitz das fast Unsichtbare festzuhalten.

Momentaufnahmen von Rita Palanikumar

Synthetischen Drogen und Techno, das gehört für manche zusammen. Dass man selbst Party-Pillen stylisch ins Bild rücken kann zeigt die Fotografin Sarah Schönfeld mit ihrer Serie «All You Can Feel».  Schönfeld fotografierte für die Ausstellung «Techno Worlds» verschiedene Substanzen wie körpereigenen Neurotransmitter oder Drogen,

Gemeinsam an der Vernissage: Die Frau in den roten Hosen ist die Frau mit der Hand auf der Hose, in der Mitte die Fotografin Rita Palnikumar. (Foto: Vera Rütimann)

Aufnahme von Rita Palanikumar aus ihrer Serie Glow

Roland TR 8

In der Ausstellung The Pulse of Techno wird auch auf den Einfluss von neuen technioscjen Innovationen eingegangen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizerisches Museum für elektronische Musik in Fribourg, zeigt die Photobastei mehrere historische Geräte. So unter anderem den Roland TR 8, die erste erschwingliche Drummmaschine. Ein weiterer Eyecatcher in der Ausstellung ist die LiMa, Thomas Fehlmanns kultige Lichtmaschine.

DJ- und Musikequipment aus dem «Schweizerischen Museum für elektronische Musik» (SMEM). Das Bild im Hintergrund zeigt dessen Schaulager mit Keyboards aller Art «Synthesizer, Sampler und MIDI-Controller).

 

In der Ausstellung zu sehen: Thomas Fehlmanns kultige Lichtmaschine (Situationsbildoto: Vera Rütimann)

 

Ausstellung «Techno Worlds»

«Techno Worlds» heisst die zweite Ausstellung in der Photobastei. Hier werden 20 internationale Positionen an den Schnittstellen von Kunst, Musik und Mode präsentiert. Lukas Heger, Projektleiter in der Goethe Institut-Zentrale, erklärt die Bedeutung der Techno-Bewegung aus der deutschen Perspektive.

Techno, so Heger, sei einher gegangen mit rasanten technischen Revolutionen, aber auch mit bedeutenden gesellschafts-politischen Umbrüchen. Er meint damit den Mauerfall und die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. «Techno wurde als Verbindungselement von Ost und West gesehen. Berlin wurde dann die Stadt des Techno und der legendären Clubs.»

«Detroit»

Lukas Heeg geht auch auf die Ursprünge des Techno ein. Auf Wolfgang Flür (76), der vor 50 Jahren als Mitglied von Kraftwerk das erste Elektroschlagzeug mitkonstruierte und spielte. Auf ihrer Tournee 1981 wurde der damals 17-jährige Juan Atkins vom Kraftwerk-Virus infiziert. Atkins gilt zusammen mit Derrick May und Kevin Saunderson als Begründer des Detroit-Techno, der die weltweite Techno-Bewegung ausgelöst hat.

Vernissagenbesucher in der Ausstellung Techno Worlds

Der Projektleiter des Goethe-Institutes betont: «Für das Goethe-Institut war es immer sehr wichtig, über diesen deutschen Kontext hinaus zu sehen und transnationale Diskurse in die Ausstellung zu integrieren. Und auch die Bedeutung von Detroit für die Entwicklung des Techno zu betonen.»  Der Titel «Techno World» beziehe sich also auf die verschiedenen Techno-Szenen, die unterschiedlichen Genres, die subkulturellen Projekte, zu unterschiedlichen Zeiten und zu unterschiedlichsten Orten der Welt.

Techno steht für Lukas Heger nicht nur für Musik, er findet seinen Widerhall auch in Design, Mode und Kunst. In der Philosophie, im Verhältnis der Menschen zu Maschinen. «Und schliesslich reflektiert Techno die jeweiligen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen, in denen er eingebettet wurde», betont Lukas Heg.

Queer in postsowjetischen Ländern

Spannend zu beobachten ist dies in postsowjetischen Ländern. Tobias Zielonys Arbeit «Maskirovka» entstand zwischen 2016 und 2017 in der Ukraine. Der Berliner Fotograf zeigt intime Einblicke in die Underground Queer- und Techno-Szene in Kiew in der Zeit nach der Revolution von 2013.

Auch in Georgien ist das queere Leben schwierig. Zwar gibt es Gesetze zum Schutz der queeren Community. Aufgrund einer konservativen und orthodoxen Gesellschaft und einer wieder erstarkten katholischen Kirche könne sich diese nicht jedoch sicher fühlen. Diesen Kampf, aber auch deren Rausch und Lebensfreude, dokumentiert der Fotograf und Queer-Aktivist Omar Gogichaishvili.

Lebendiges Kulturerbe

Eine der Wände hat Markus Panki Keller gestaltet. Seit den 80er-Jahren ist er Veranstalter, Chronist und Archivar des nicht-kommerziellen Zürcher-Partylebens. Aus vielen aktuellen Zeitungsauschnitten kommt die Botschaft: Techno lebt.  Im «Tagblatt der Stadt Zürich» vom 16. August 2023 steht etwa: «Zürich bleibt die Techno-Hauptstadt.»

Die Artikel zeigen auch, dass Party und Drogen in der Schweiz schon lange präsent sind. Im Artikel «Die Geschichte der Schatzalp», einem ehemaligen Sanatorium oberhalb von Davos, wird daraufhin hingewiesen, dass die Schatzalp damals wie heute ein Ort war, an dem sich Leute mit Mitteln berauscht haben. Heute toben sich in diesem Haus Raver aus.

Wer nach dem Besuch der Ausstellung noch die Toilette aufsucht, stellt fest: Selbst dort hat Techno seine Spuren hinterlassen. In Form von bunten Bildern auf Kacheln. «WC-Geschichten in Zürcher Bars und Clubs», so heisst auch die Bilderserie von Dina Sotiropouls in der Ausstellung. 2015 begann sie die poetischen Kunstwerke, die Gäste auf Kachelwänden, Schüsseln und Rohren in Toiletten hinterlassen haben, zu fotografieren. In Clubs entwickelt sich für sie auch dadurch eine eigene Magie und Intimität.

«WC-Geschichten in Zürcher Bars und Clubs», Bilderserie von Dina Sotiropouls

 

Weitere Bilder der WC-Geschichten von Dina Sotiropouls

 

Während des Rundgangs durch die Photobastei stellt sich der eine oder andere die Frage: Ist Techno jetzt dort angekommen, wo er nie hinwollte? Ins Museum. Trotz der gelungenen Präsentation: Für viele, die diese beiden spannenden Ausstellungen rund um die Welt des Techno besuchen, gehört diese Musik wohl noch immer hauptsächlich auf die Strasse – und vor allem in die Clubs.

Text und Szenenfotos Vera Rüttimann

 

Die Ausstellungen «The Pulse of Techno» und «Techno Worlds» in der Photobastei Zürich dauern noch bis zum 31. März 2024 .

Mit Workshops, Filmabenden, Konzerten sowie Podiumsgesprächen mit Exponenten und Exponentinnen der Anfangszeit präsentiert die Photobastei ein reiches  Begleitprogramm

Dauer:
11. Januar bis 31. März 2024

Öffnungszeiten:
Mittwoch uns Sonntag: 12 bis 18 Uhr
Donnerstag bis Samstag: 12 bis 21 Uhr

Vernissage:
Donnerstag, 11. Januar 2024, ab 18 Uhr

Eintrittspreise (Ausstellungen)
CHF 10.- Erwachsene
CHF 5.- ermässigt
Konzerte und andere Begleitveranstaltungen haben jeweils ihre eigenen spezifischen Preise, die für den jeweiligen Anlass gelten. (siehe Rahmenprogramm)

Ausstellungsort
Photobastei
Sihlquai 125
CH-8005 Zürich

 

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