Urs Tillmanns, 24. Februar 2024, 11:00 Uhr

Buchtipp: «Chez Walti – Photographs 2000 – 2023»

Walter Pfeiffer gehört zu den grossen kontemporären Fotografen, dessen emotionale und bunten Bilder zu Kunstwerken geworden sind. Sein jüngstes Buch «Chez Walti» ist eine Retrospektive der letzten zwei Jahrzehnte mit Bildern, die polarisieren und viel Freiraum für persönliche Interpretation lassen.

Walter Pfeiffer war als Fotograf ein Spätzünder. Der gelernte Dekorateur widmete sich nach seiner Ausbildung an der damaligen Kunstgewerbeschule Zürich zunächst dem Zeichen als Illustrator, danach als Grafiker. Die Fotografie lief am Rande mit, zuerst mit einer einfachen Polaroid-Kamera, um seine Erlebnisse mit jungen Männern und schönen Frauen und Ideen festzuhalten. Erst in den frühen 1970er-Jahren befasst sich Pfeiffer eingehend mit der Fotografie, erlernt sie autodidaktisch und fand in der Zürcher Schwulen- und Transszene seine bevorzugten Motive. Es sind Bilder, die damals kein öffentliches Thema waren, die erst mit seinen ersten Ausstellungen, der Einzelshow 1974 in der Galerie Li Tobler in Zürich und danach in der legendären «Transformer. Aspekte der Transvestie» von Jean-Christophe Ammann im Kunsthaus Luzern in der Öffentlichkeit beachtet und danach als Kunstwerke anerkannt wurden. Sein Buch «Walter Pfeiffer» im Betzel-Verlag und der Nachdruck von Ringier 1980 erregte Aufsehen, noch mehr das spätere Werk «Welcome Aboard, Photographs 1980-2000», das 2001 bei Patrick Frey erschien.

Das vorliegende Buch ist gewissermassen die Fortsetzung davon mit Bildern von 2000 bis 2023. Pfeiffer hat in dieser Zeit seinen Stil konsequent weiterverfolgt, sei es mit Bildern, die aus freier Motivation entstanden waren, seien es mit Auftragsarbeiten für international renommierte Modeblätter und Konzerne. Die Bilder vereinen Erotik und Witz, lassen viel Raum für persönliche Interpretationen und gehen in den meisten Fällen auf emotionale Momente des Fotografen zurück. Viele Bilder sind in einer Zeit entstanden, als die Schwulenszene noch ein Tabu war und sind jetzt zu Dokumentationen des damaligen Zeitgeistes geworden sind.

Die Bildauswahl hat Walter Pfeiffer selbst getroffen und die Abfolge nach seinem Geschmack gestaltet. Sein Verleger Patrick Frey hat ihm dabei völlig freie Hand gelassen. Das Buch zeigt nicht nur eine gelungene Retrospektive durch Pfeiffers Schaffen, sondern es lebt auch von originellen, oft sogar witzigen Gegenüberstellungen auf den Doppelseiten. So wiederholen sich gewisse grafische oder strukturelle Elemente, die Farben ergänzen sich oder verblüffen durch ihre komplementäre Charakteristik. Dass Walter Pfeiffer in seinem Buch zu etwa zwei Dritteln junge Männer zeigt und nur etwa zehn Prozent Frauenbilder, hängt einerseits mit seiner persönlichen Neigung zusammen, anderseits damit, dass Frauen häufiger fotografiert werden, wozu Pfeiffer bewusst einen Kontrapunkt setzen will. Seine Bilder sind farbgesättigt, schreierisch bunt und mit direktem Frontblitz fotografiert, was seinen fotografischen Stil klar definiert.

Für wen ist dieses Buch? Pfeiffers Bilder polarisieren – man mag sie oder man mag sie nicht, diese Darstellungen von schwulen Jugendlichen, die übersättigten Farben, den direkten Blitz von vorne. Aber gerade dieser Stil ist Pfeiffers Erfolgsrezept, mit dem er es nachhaltig in die grössten Modetitel und internationale Ausstellungen geschafft hat. «Chez Walti» ist die aktuellste Retrospektive dazu. Wenn man seinen Stil mag, sollte man das Buch nicht verpassen.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

2001 veröffentlichte die Edition Patrick Frey Welcome Aboard, eine Zusammenstellung von Walter Pfeiffers Fotografien von 1980 bis 2000. Das Buch liess die Vorreiterrolle Pfeiffers in der zeitgenössischen Fotografie offenkundig werden und legte den Grundstein für Pfeiffers Aufstieg vom klassischen «artist’s artist» zum weltbekannten Künstler, der nun für internationale Zeitschriften wie Vogue arbeitet und Kampagnen für Luxusmarken wie Bottega Veneta fotografiert. Diesen Weg zeichnet Chez Walti nach mit Fotografien aus den letzten dreiundzwanzig Jahren und lässt verfolgen, wie Pfeiffer seinen Blick weiterentwickelte und erneuerte, Einflüsse aus dem Zeitgeist aufnahm und zugleich unverwechselbar sich selbst blieb, ob er nun privat oder im Auftrag fotografierte. Leicht, witzig und schönheitsverliebt fotografiert Pfeiffer umwerfende Jungs und freche Mädchen, üppige Stilleben und bukolische Landschaften, schicke Kleider und nackte Haut. Chez Walti lädt ein auf eine Reise durch Pfeiffers schwereloses Paralleluniversum, dessen Zauber sich in den letzten zwei Jahrzehnten nochmals verdichtete.

 

Der Inhalt

Beispielseiten

«I have to be there and see it for myself»
A conversation with Walter Pfeiffer by Martin Jaeggi

Danksagungen
Impressum

 

Der Fotograf

Walter Pfeiffer (* 29. März 1946 in Beggingen SH) absolvierte eine Lehre von 1962 bis 1966 als Dekorateur und besuchte von 1966 bis 1968 die Kunstgewerbeschule Zürich. 1969/70 folgte eine Ausbildung zum Grafiker am Warenhaus Globus in Zürich und arbeitete danach bis 1980 als freischaffender Grafiker. Seit etwa 1972 beschäftigte autodidaktisch mit der Fotografie, was 1974 zu seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Li Tobler in Zürich führte. Mit seiner Beteiligung an der Gruppenausstellung «Transformer. Aspekte der Travestie» 1974 im Kunstmuseum Luzern wird sein Werk als Kunst anerkannt, doch wird dieses vor allem durch sein Buch «Welcome Aboard. Photographs 1980–2000» im Jahr 2001 öffentlich bekannt. Pfeiffer unterrichtet seit den 1970er Jahren an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich, im gestalterischen Vorkurs, im Kunststudiengang und im Fotografiestudiengang. Pfeiffers Werke befinden sich heute u. a. im Kunsthaus Zürich, im Fotomuseum Winterthur, in der Berner Bundeskunstsammlung, in der Windsor Collection oder in der Sir Elton John Photography Collection. (Quelle: Wikipedia)

 

Bibliografie

«Chez Walti – Photographs 2000 – 2023»

418 Seiten mit 322 Abbildungen, Hardcover, Schutzumschlag, Format 30 × 23 cm, Gewicht 2,4 kg
1. Auflage 2023
Sprache: English
Autor: Martin Jaeggi, Designerin: Marietta Eugster
Edition Patrick Frey, Zürich
ISBN: 978-3-907236-63-5
Preis: CHF 85.00 / EUR 85,00

Das Buch ist im Buchhandel erhältlich oder direkt beim Verlag bestellbar.

Lesen Sie auch:
• «Walter Pfeiffer und Zanele Muholi im Kunstmuseum Luzern» Fotointern.ch, 16.07.2023

 

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