Sara Affolter befasst sich in ihrem Bildband mit Tieren, die von ihren Besitzenden im Stich gelassen wurden. Sie haben sich überschätzt, die Lebensgewohnheiten der Tiere zu wenig gekannt, oder das Tier passt nicht mehr in ihren hektischen Alltag. 45 Tiere klagen an – dokumentiert in hervorragenden Tierporträts.
Haustiere sind seit Urzeiten die treuesten Begleiter des Menschen. Sie sind Helfer, Beschützer, Unterhalter und Weggefährten in einem. Aber, weshalb legen wir uns ein Haustier zu? Einen Hund in der Dreizimmerwohnung ohne freien Auslauf, den Chihuahua als Prestigeobjekt, die Katze bloss als Schmuseobjekt, die Boa im viel zu engen Glaskasten, das Meerschweinchen und das Kaninchen in Einzelhaft in ihren Käfigen … Der Kauf ist schnell getätigt, ohne das Wissen, welchen Lebensraum das Tier benötigt, welche Nahrung es in der Natur finden würde und wie viel Zeitaufwand und Zuwendung es braucht. Wird man des Lieblings überdrüssig ist der finale Entschluss ebenso schnell gefällt: Man bringt das Tier im besten Fall in eine Auffangstation, setzt es im schlechtesten Fall aus – man wirft es weg. Jährlich geht es abertausenden Tieren so. Die Solothurner Fotografin Sara Affoltern hat sich genau diesem Thema in ihrem Langzeitprojekt gewidmet und will mit ihrem Buch «Wegwerfware» aufrütteln und Tierleben retten.
Das Buch ist in zweierlei Hinsicht interessant. Zum einen ist es ein prachtvoller Bildband gekonnter Tierfotografie. Sara Affolter hat sich mit ihrem Stil und der konsequenten Umsetzung auf schwarzem Hintergrund einen Namen gemacht und dazu die verschiedenartigsten Tiere perfekt ins Licht gesetzt. Der zweite Beweggrund, diese Bildreihe und das Buch zu realisieren, ist die Message weggeworfener Haustiere. Sara will damit anklagen. Sie will die Haustierbesitzer ermahnen, mit den Tieren respekt- und würdevoll umzugehen und sie erinnert sie daran, dass sie mit dem Entschluss, sich ein Haustier zuzulegen, eine langfristige Verantwortung gegenüber einem Lebewesen eingehen.
Candido, der Jagdhund aus Ibiza, Cody die Bartagame, die im Winter in einer Kartonschachtel aufbewahrt wurde und sich dabei eine schwere Lungenentzündung geholt hatte, die Boa «Ghost», mit der die Halter überfordert waren, Hugo, der Gelbhaubenkakadu, fühlte sich in der Einzelhaltung unglücklich, Milo, die schwarze Ratte, Diva, das Kaninchen mit der schwerwiegenden Ohrenentzündung … sie alle klagen ihre Besitzenden an, weil sie es nicht verstanden haben sie als «Lieblinge» gerecht zu umsorgen und sich schliesslich ihrer entledigten hatten – irgendwie halt …
Sara Affolter will mit ihrem Bildband und den 45 Einzelschicksalen auf das Problem der sorglosen Entledigung von Hautieren aufmerksam machen. Sie verfolgt mit dem Buchverkauf auch einen caritativen Zweck, in dem sie die Hälfte ihres Erlöses einsetzt, um entsorgte Tiere zu retten oder ihnen ein besseres Leben zu bieten.
Das Buch klagt an. Es sind nicht nur die Bilder der miss- oder schlecht behandelten Tiere, die unsere Gefühle aufwühlen, es sind auch die Objekte, welche auf den rotumrandeten Seiten in der Buchmitte zu sehen sind: ein Strick, ein Vogelkäfig, eine Zuzugskette, ein viel zu kleines Terrarium, eine Trense, einen Hamsterkäfig und ein Hamsterrad – lauter Objekte, mit denen Haustiere bezähmt, in ihrem Bewegungsraum oder ihren Lebensbedürfnissen eingeschränkt werden. Auch damit sprechen die Bilder eine unmissverständliche Sprache, die sich wohl an jene richtet, die dem Haustier nicht die Lebensgewohnheit bieten, die es verdient hat.
Für wen ist dieses Buch? Es richtet sich an Tierfreunde und solche, die es bleiben sollten. Den Tieren zuliebe. Es ruft uns auf, sich einen Tierkauf zweimal zu überlegen und sich der Verantwortung bewusst zu sein, die mit der Anschaffung eines Haustierts einhergeht. Es ist ein andersartiges Tierbuch. Ein Buch aber auch, um den Tieren Dankeschön zu sagen dafür, dass Sie uns begleiten, beschützen und unsere Freunde sind. Dafür haben sie unseren Respekt verdient.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Das TIER wird in der industrialisierten westlichen Gesellschaft zum WEGWERFARTIKEL. Unzählige Tiere landen jedes Jahr im Tierheim. WEGWERFWARE erzählt die Lebens- und Leidensgeschichten von Kramer, Gismo, Mango, Candido, Pablo, Paula, Morrigen, Kiki, Minime, Nuk, Susi, Cody, Carinto, Chouchou, Ghost, …..
Das Tier wird in der industrialisierten westlichen Gesellschaft zum Wegwerfartikel. Unzählige Tiere landen jedes Jahr im Tierheim, in Auffangstationen oder auf Gnadenhöfen. Oder wenn sie kein Glück haben beim Schlachter. Die Gründe, warum sie an diesen Stationen enden, sind vielfältig. Überforderte Halter, die sich mit der exotischen Art nicht auskennen, aber schliesslich nur eine schöne Dekoration fürs Wohnzimmer suchten. Haustiere, welche zur Last werden und dann irgendwo entsorgt werden. Gerade durch die Pandemie haben sich viele ein Haustier angeschafft, ohne sich über die längerfristigen Konsequenzen im Klaren zu sein. Die Tierheime sind so voll wie nie. Die Tiere, die in der menschlichen Obhut leben sind vollkommen auf diese angewiesen, egal ob es draussen kalt ist oder die Ferien verlockend vor der Türe stehen. Doch so mancher vergisst, welche Pflichten es mit sich bringt, sich ein Lebewesen anzuschaffen, zu verlockend wirkt die Anziehung dieser. Doch das Leid, welches entsteht, ist schwer zu ertragen. Viele schauen weg, und manche wollen auch gar nichts davon wissen. In diesem Buch sind alle möglichen Charaktere anzutreffen. Von mutigen Schafen, über wilde Vögel, bis hin zu flinken Ratten. Aber alle von Ihnen haben ein Trauma erlebt und tragen ihre Narben. Manche gut erkennbar, andere tragen sie unsichtbar mit sich.
Der Inhalt
Kramer / Gismo / Mango
Candido / Pablo
Paula / Morrigan
Kiki / Minima / Nuk / Susi / Cody / Carinto / Chouchou
Ghost / Köbeli / Röbeli / Malou / Neela / Wurzeli
Hugo / Olaf
Nevada / Tom / Ruppie
Bahati / Iloy / Beaya / Milo
Rin / Diva / Filou
Sitka / Cara
Mimi / Amy / Tim / Felix
Lilly / Moira / Pussy
Vitus / Paiga / Nala
«Warum ein Buch über Tiere, die weggeworfen werden?» Epilog von Ulla Lohmann
Kolophon (Impressum)
Die Fotografin
Sara Affolter, 1997 in Solothurn geboren, entdeckte in den Jugendjahren in der Fotografie ihre grosse Leidenschaft. Nach ihrer Ausbildung zur Fotografin an der Schule für Gestaltung in Bern macht sie sich selbstständig und arbeitet seither an kommerziellen und freien Projekten. Eines davon ist das Langzeitprojekt «Wegwerfware»: Sie dokumentiert misshandelte Tiere mit der Kamera und stellt sie in den Fokus ihrer Porträtfotografie. Mit ihrem Bildband engagiert sich Sara Affolter für den Tierschutz und will die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf des Bildbandes hierfür einsetzen. Für diese Arbeit erhielt sie 2022 den Fotografie-Förderpreis des Kantons Solothurn. 2024 wurde das Buch mit dem Buchpreis der FEP Federation of European Photographers ausgezeichnet.
Bibliografie
Sara Affolter «Wegwerfware»
96 Seiten, 53 Fotos, Fadenheftung, Hardcover, Format 22,5 x 27,5 cm
Sprache: Deutsch
Erscheinung: Dezember 2022
Texte von Ulla Lohmann und Lois Lammerhuber
Edition Lammerhuber, Baden bei Wien
Preis: CHF 53.90 / EUR 39.90
ISBN 978-3-903101-95-1
Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.
Gut hat sich Frau Affolter dieser Problematik angenommen. Ich erlaube mir einige meiner langjährigen Beobachtungen aus der Kynologischen-Welt zu schildern. Hundekäufer werden immer blöder. Angebote für «Rassehunde» aus dem Internet, oft im Ausland unter miesesten Bedingungen gezüchtete Tiere, finden grossen Anklang. Bedauernswerte Moderassen finden den Weg zu absolut ungeeigneten Leuten. Für den Welpen führt oft der erste weg zum Tierarzt.
Dort gehts ernüchternd weiter; falsche Papiere, das Tier ist krank und viel zu früh von der Mutter weggekommen. Das Schnäppli entpuppt sich jetzt als richtig teuer. So teuer, dass der Hund «weg» muss. Das Tier hat ja fast nichts gekostet. Einzelfälle? Mitnichten.