Scheidegger & Spiess hat zwei Postkartenbücher im Sortiment, welche an den Badehype und die Hotel-Blütezeit der 1960er-Jahre erinnern. Etwas für Postkartensammler und Touristik-Interessierte – oder um wieder originelle Postkarten zu verschicken.
Postkarten sind aus der Mode gekommen. Smartphones und soziale Medien haben ihnen das Wasser abgegraben. Und doch sind sie immer noch ein Geheimtipp der Kommunikation. Schreiben Sie an jemanden eine Postkarte, wie früher, von Hand und mit aufgeklebter Briefmarke, und Sie werden sehen, dass dies als persönliche Geste viel mehr geschätzt wird als die bestgemeinte Whatsapp mit zehn beigefügten, halbmissratenen Helgeli. Dabei wird Ihre Postkarte zur Reminiszenz an eine über hundertdreissig Jahre lang dauernde Epoche, als die Postkarte das Ferienkommunikationsmittel schlechthin war – und weltweit Motor für eine bedeutende Industrie und das nun dahindarbende Postwesen.
Um Postkarten geht es bei diesen beiden originellen Bändchen, die bei Schweizerischen Alpinen Museum (ALPS) herausgegeben und bei Scheidegger & Spiess verlegt worden sind – eine Buchreihe, die sich wahrscheinlich noch auf weitere Editionen freuen kann.
Postkarten sind übrigens auch ein bedeutendes Sammelobjekt. Man hat die originellsten davon immer wieder aufgehoben, in einer Schuhschachtel verstaut, um die optischen Eindrücke von fernen Städten und Ländern von damals und die Ferien von Tante Emalia bleibend in Erinnerung zu behalten. Nicht zuletzt auch wegen den gepflegten Handschriften und den wertvollen Briefmarken.
Übrigens, in diesem Zusammenhang: Morgen, Sonntag 25. August 2024 findet im Stadttheater Olten die 10. Ansichtskarten-, Foto- und Papierbörse statt, wo man sich ein Bild machen kann, welchen Wert gewisse Postkarten haben und wie diese gehandelt werden – neben historischen Fotos, Bahnbilletten, alten Aktien, Briefköpfen, Landkarten, Plakaten, Menükarten, Graphiken, Stichen, Ex Libris, Banknoten, Musikalien und ähnlichem mehr.
Für die Freunde der Postkarten sind denn auch die beiden Bildbändchen gedacht, mit dem Grundgedanken, dass man die kartonierten Abbildungen mit Adressfeld auf der Rückseite tatsächlich auch auf den Postweg schicken kann, so man die seltenen Ansichten nicht sammeln oder das Büchlein als Ganzes für die Nachwelt aufheben will.
Impuls für diese beiden Bändchen war die Geschäftsaufgabe der 1905 gegründeten Kunstanstalt Brügger in Meiringen im Jahre 1994, deren Bilderarchiv – bestehend aus etwa 35’000 Glas- und Filmnegativen, 62’000 Print und mehreren Kisten Dokumentationsmaterial – schlussendlich im Alpinen Museum in Bern landete und dort allmählich aufgearbeitet wird. Die Kunstanstalt Brügger war auf Hotelwerbung, darunter viele Postkarten, spezialisiert und so ist die Zeit der Hotelblüte in abertausenden von Postkarten und Prospekten gut dokumentiert.
«Bikini in den Bergen» war 2015 zur gleichnamigen Ausstellung erschienen. Es befasst sich mit dem Thema der Freibäder in den Hotelanlagen und Touristikorten der 1960er- bis 1980er-Jahren, in der Hochblüte der Swimmingpools, mit denen die Nobelhäuser ihren Gästen alles nur Erdenkliche an Luxus und Freizeitvergnügen bieten wollten. Viele der Anlagen existieren heute nicht mehr oder sehen durch die notwenige Modernisierung völlig anders aus. Einige Bilder weisen einen typischen Rotstich auf, der auf die schlechte Stabilität der damaligen Farbmaterialien zurückzuführen ist. Dass man die Bilder nicht farbkorrigiert hat, beweist ihre Authentizität. Im Textteil regt der Artikel von Köbi Gantenbein «Aus dem Leben eines Bademeisters» zum Schmunzeln an – habe gar nicht gewusst, dass Köbi dies einmal war!? – wonach Stefan Hächler auf die Geschichte der Kunstanstalt Brügger eingeht und sich Meret Speiser mit der «Geschichte und Ästhetik von Hotelbädern» auseinandersetzt. Die folgenden 40 Postkarten einer vergangen Frei- und Hallenbäderkultur sind einerseits interessante Zeitdokumente und wecken anderseits möglicherweise eigene Erinnerungen von Ferien in jenen Hotels auf.
«Check in – Check out» ist dieses Jahr erschienen und befasst sich mit der Hotel-Epoche um 1950 bis 1970, als die Blumentapeten und Waschschüsseln allmählich einem neuen Stil wichen. Die 40 Postkarten zeigen teils sehr ungewohnte Ansichten der Hotelräumlichkeiten und versetzen uns genau in jene Zeit des Umbruchs mit dem Niedergang der Grand Hotels und den neuen Ansprüchen des Tourismus in der Schweiz zurück. Entsprechend spannend sind denn auch die Texte im Vorsatz des Buches zu lesen, wo die Hoteldynastie des Bellevue des Alpes auf der Kleinen Scheidegg den Einstieg macht, Caspar Heuss mit einer interessanten Abhandlung auf die Bedeutung der Postkarte als einzigartigen Werbeträger eingeht, Cordula Seger die Hotelliteratur beleuchtet und diese mit dem Theater vergleicht, bis zum Schluss Anita Mischler und Michelle Huwiler die Arbeitsmethoden mit allen damaligen Tricks der Kunstanstalt Brügger erklärt, die bei anderen, ähnlichen Betrieben damals nicht viel anders waren.
Für wen sind diese Postkartenbüchlein? Wahrscheinlich gibt es drei Interessentengruppen dafür: Da sind einmal die Postkartensammler, die sich auch für solche Nachdrucke begeistern könnten, dann sind es all jene, die sich für die Hotelkulturen und den Tourismus interessieren und letztlich die Touristen selbst, die an den nostalgischen Ansichten ihren Spass haben und die Postkarten für den ursprünglich gedachten Zweck, um den Daheimgebliebenen originelle Grüsse aus ihren Ferien zu schicken, verwenden könnten.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibungen des Verlages
Bikini in den Bergen
Badefotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Über Jahrzehnte lichteten Mitarbeiter der Kunstanstalt Brügger in Meiringen Hotelanlagen in der ganzen Schweiz ab. Dabei handelte es sich um Auftragsfotografie zu Werbezwecken. 2012 ging der gesamte Bestand der Kunstanstalt mit 97’000 Bildern an die Sammlung des Alpinen Museums über. Die hier publizierten 40 Postkarten zeigen eine Auswahl von Swimmingpools in den Schweizer Bergen. Künstlichkeit und Natur, Chlorwasser und Alpenblicke finden in diesen Fotografien in einer ganz speziellen Harmonie zusammen.
Check-in – Check-out
Hotelfotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Das schicke Hotelzimmer mit Blick auf die Berge – als Postkarte das perfekte Feriensouvenir und die ideale Hotelwerbung. Dieses Postkartenbuch präsentiert Hotelfotografien aus dem Archiv der Kunstanstalt Brügger, Meiringen (1878-1994). Die Tourismus-Werbeagentur war auf Auftragsfotografie in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie spezialisiert. Ihre Bilder zeigen touristische Wunschwelten und die reiche Hoteltradition der Schweiz. Einzelne Fotografien sind so kurtig, dass sie heute auf lnstagram Gäste anlocken könnten. Andere Sujets zeigen klar, wie sich Design, Architektur, Ästhetik und Angebote im Tourismus verändert haben.
Die Inhalte
Bikini in den Bergen
Badefotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Auftakt – von Beat Hächler
Aus dem Leben eines Bademeisters – von Köbi Gantenbein
Bikini in den Bergen und die Kunstanstalt Brügger, Meiringen – von Stefan Hächler
Zur Geschichte und Ästhetik von Hotelschwimmbädern – von Meret Speiser
Résumé en français / Summary in English / Impressum
40 heraustrennbare Postkarten
Hotel Ascona, Ascona (um 1860) / Freibad Château d’Oex, 1965 / Freibad Bei der Zuben, Lauterbrunnen (um 1970) / Freizeitzentrum Bielen, Saas Fee (um 1970) / Hotel Beau Rivage, Weggis (um 1980) / Hotel Bellevue, Amden (um 1980) / Hotel Lido, Maroggia-Melano (um 1980) / Hotel Gstaad Palace, Gstaad (um 1970) / Hotel Gstaad Palace, Gstaad (um 1970) /
Hotel Kulm St. Moritz (um 1975) / Kur- und Sporthotel, Klosters-Serneus (um 1980) / Burgerbad Leukerbad (um 1975) / Freizeitzentrum Bielen, Saas Fee (um 1975) / Strandhotel Seegarten Lugano (um 1970) / Freibad Crans (um 1960) / Burgerbad Leukerbad (um 1975) / Hotel Villars Palace, Villars-sur-Ollon (um 1970) / Freibad Waldpark Ost, Bürgenstock (um 1960) /
Golfhotel Crans (um 1975) / Hallenbad Göschenen (um 1990) / Hotel Beau Rivage, Lausanne (um 1990) / Hotel Suvretta, St. Moritz (um 1970) / Hotel Beatus, Merligen (um 1970) / Hotel Christiania, Zermatt (um 1975) / Hotel Victoria-Jungfrau, Interlaken (um 1970) / Hotel Lindenhof, Brienz (um 1975) / Hotel Nicoletta, Zermatt (um 1980) / Hotel Panoramic, Villars-sur-Ollon (um 1975) /
Kur- und Sporthotel, Klosters-Serneus (um 1980) / Kurhotel Sennrüti, Degersheim (um 1980) / Grans Bains, Leukerbad (um 1960) / St. Lorenzbad, Leukerbad (um 1960) / Parkhotel, Arosa (1972) / Residenz Super-Crans, Crans (um1970) / Hotel Schweizerhof, Lenzerheide (um 1975) / Sporthotel Valsana, Arosa (um 1980) / Sporthotel Minster, Unteriberg (um 1975) / Hotel Mont Cervin, Zermatt (um 1980).
Check-in – Check-out
Hotelfotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Check-in – von Beat Hächler
Bellevue des Alpes – eine Hoteldynastie – von Andreas von Almen
Postkarten: Werbung, die ankommt – von Caspar Heuss
Was für ein Theater – Das Hotel in der Literatur. Von Cordula Seger
Mit Pinsel und Schere zur perfekten Aussicht – von Anita Mischler und Michelle Huber
Résumé en français / Summary in English / Impressum
40 heraustrennbare Postkarten
Hotel du Sauvage/Wildenmann, Meiringen (um 1960) / Hotel Bellevue des Alpen, Kleine Scheidegg (um 1960) / Hotel Zermatterhof, Zermatt (1965-1975) / Hotel Mischabel, Saas-Fee (um 1970) / Hotel Moderne, Genf (1950-1960) / Grandhotel Waldhaus, Vulpera / Hotel Europe, Zürich (1955-1965) / Hotel de Fribourg, Fribourg (1955-1965) / Grandhotel Suisse, Montreux (um 1960) /
Hotel Lauterbrunnen, Lauterbrunnen (1955-1965) / Hotel Glacier, Champex (1934) / Hotel Europe, Zürich (1955-1965) / Hotel Victoria, Brig (1980) / Hotel International, Genf (1970-1980) / Hotel Century, Genf (1960-1970) / Hotel Europe, Zürich (1955-1965) / Hotel Ermitage, Schönried (1977) / Hotel Derby, Interlaken (um 1960) / Park Hotel Reuteler, Gstaad (1965-1975) /
Hotel Kreuz, Bern (um 1977) / Hotel Beatus, Merligen (um 1970) / Hotel Seeschloss, Ascona (um 1960) / Hotel Schweizerhof, Zermatt (1965) / Hotel Alpenblick, Zermatt (1950-1960) / Parkhotel, Saas-Fee (1955-1965) / Hotel Zermatterhof, Zermatt (1970-1980) / Hotel Beatus, Merligen (um 1970) / Hotel Wasserwendi, Hasliberg (1955) / Hotel Central, Basel (1950-1960) / Hotel Alpina, Gstaad (1960-1970) /
Golfhotel Crans, Crans-Montana (1965-1975) / Hotel Bellerive, Lausanne (1960-1970) / Hotel Glacier du Rhône, Gletsch (1940-1950) / Hotel Victoria-Jungfrau, Interlaken / Hotel Hohenfels, Arosa (1965-1975) / Hotel Belmont, Crans-Montana (1960-1970) / Hotel Fronalp, Morschach (1060) / Hotel Alban-Ambassador, Basel (1965-1975) / Hotel Moderne, Genf (1950-1960).
Das Autorenteam
Köbi Gantenbein ist seit 1996 Chefredaktor von Hochparterre, Zeitschrift für Architektur und Design.
Beat Hächler ist seit 2011 Direktor des Alpinen Museums der Schweiz in Bern. 2002-2011 war er Co-Leiter des Stapferhauses Lenzburg.
Stefan Hächler ist seit 2010 Sammlungskurator im Alpinen Museum der Schweiz. 1991- 2010 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in historischen Forschungsprojekten.
Caspar Heuss ist seit 2014 Executive Creative Director und Senior Partner bei Wirz Group, einer der führenden Tourismus Werbe-Agenturen in der Schweiz.
Michelle Huwiler ist seit 2019 als Leiterin Sammlung & Sammlungsvermittlung im Alpinen Museum der Schweiz tätig.
Anita Mischler ist Kuratorin der Fotosammlung und arbeitet seit 2020 am Alpinen Museum der Schweiz.
Cordula Seger leitet seit 2017 das Institut für Kulturforschung Graubünden. Ihre Dissertation wurde 2005 unter dem Titel Grand Hotel-Schauplatz der Literatur veröffentlicht.
Meret Speiser, Architektin FH, schloss 2015 das Masterstudium in Kunstgeschichte an der Uni Bern mit einer Arbeit über das Hotelfreibad Bürgenstock ab.
Andreas von Almen ist Besitzer der geschichtsträchtigen Scheidegg Hotels. Der Architekt führt das Familienunternehmen seit 1998 in der fünften Generation.
Bibliografien
Bikini in den Bergen
Badefotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Textteil mit 24 Seiten, 40 heraustrennbare Postkarten, fester Umschlag, Klebebindung, Format 12 x 16,5 cm
mit Texten von Köbi Gantenbein, Beat Hächler, Stefan Hächler und Meret Speiser.
Zusammenfassungen auf Englisch und Französisch
Herausgegeben vom Alpinen Museum der Schweiz (ALPS), Bern
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
Preis: CHF 24.00 / EUR 24.00
ISBN 978-3-85881-481-4
Das Postkartenbuch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.
Check-in – Check-out
Hotelfotografie der Kunstanstalt Brügger Meiringen
Textteil mit 36 Seiten, 42 heraustrennbare Postkarten, fester Umschlag, Klebebindung, Format 12 x 16,5 cm
mit Texten von Beat Hächler, Caspar Heuss, Michelle Huwiler, Anita Mischler, Cordula Seger und Andreas von Almen
Zusammenfassungen auf Englisch und Französisch
Herausgegeben vom Alpinen Museum der Schweiz (ALPS), Bern
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich
Preis: CHF 29.00 / EUR 29.00
ISBN 978-3- 03942-189-3
Das Postkartenbuch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.