Vertikalpanoramen sind etwas ungewohnt. Und doch begeistern diese die Betrachtenden, weil sie die Höhenausdehnung und die Raumtiefe betonen. Ueli Ackermann hat sich darauf spezialisiert. Jetzt sind seine Bilder im Natura-Museum in Bozen ausgestellt.
Wer den Begriff «Panorama» hört, denkt unwillkürlich an ein breites Landschaftsbild, weil dies unserer Sehgewohnheit am ehesten entspricht. Nicht so Ueli Ackermann. Der Dokumentarfotograf aus dem Bernbiet hat schon vor Jahren seine Panoramakamera um 90 Grad gedreht und fotografiert die Landschaften von oben nach unten – dies meist aus dem Flugzeug. Das gibt völlig andersartige Bilder mit einer ungewöhnlichen Perspektive und einer beeindruckenden Bildwirkung. Zur Zeit sind eine Reihe seiner Bilder aus den Dolomiten im Natura-Museum in Bozen zu sehen; Anlass für uns dem Vertikalpanoramen-Spezialisten ein paar Fragen zu stellen.
Fotointern: Vertikalpanoramen sind ungewöhnlich, doch seit Jahren Ihre Spezialität. Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen?
Ulrich Ackermann: Aus Neugier etwas Neues auszuprobieren. Als ich vor etwa 23 Jahren dank einer Kamerabörse in Vevey in den Besitz einer Panoramakamera Hasselblad X-Pan gekommen war, hatte ich vom ersten Moment an den Gedanken sie erstmals auf einem Rundflug mit einem Kleinflugzeug Piper Supercup durch die Voralpen des Greyerzerlandes einzusetzen. Was ich da im Kamerasucher in vertikaler Haltung sah, war überwältigend. Berge vom Talgrund über die Gipfel bis zum Himmel mit grosser Höhen- und Tiefenwirkung – ein völlig neues Raumgefühl. Das hat mich so fasziniert, dass ich diese Art des vertikalen Sehens bis heute beibehalten habe.
Dazu sind jedoch nicht alle Motive geeignet, weil man bei normalen Landschaftsmotiven zu viel Vordergrund und oft zu viel Himmel mit aufs Bild bekommt. Für welche Sujets ist die Technik der Vertikalpanoramen besonders prädestiniert?
Es gibt mehr Motive als man zunächst annehmen könnte: Vertikale Felsformationen, schroffe Bergflanken und Zinnen, Schluchten, Wasserfälle, Bäume, Türme, Kirchen innen wie aussen, Hausfassaden, Ruinen etc.
Zurzeit sind im Natura-Museum in Bozen Vertikalpanoramen von Ulrich Ackermann ausgestellt
Was ist das Besondere an den Vertikalpanoramen?
Vertikalpanoramen wirken auf die Betrachtenden unüblich. Hört man das Wort ‘Panorama’ so denkt man definitionsgemäss an ein Querformat, weil unser menschliches Sehen auf einen breiten Raumwinkel ausgelegt ist. Betrachten wir ein Panorama im Hochformat, so sind wir irgendwie irritiert, weil dieses unseren Betrachtungswinkel eingeschränkt und wir gezwungen werden, das Bild in einer neuen Richtung zu betrachten – von oben nach unten oder von unten nach oben, je nachdem, wo der bilddominierende Schwerpunkt ist. Die Fotos zwingen uns eine neue Betrachtungsrichtung auf und damit gewinnen sie enorm an Wirkung.
Wie reagieren die Leute auf die vertikalen Bilder?
Sehr positiv als eine ganz andere neue Seherfahrung, was die Betrachterin und den Betrachter zum genaueren Hinschauen führt.
Aufgrund ihrer Proportionen dekorieren sie dort Wände, an denen normalerweise kaum Bilder publikumswirksam platziert werden können
Daraus ergibt sich wahrscheinlich für Sie als Fotograf der Nachteil, dass sich nur wenige Leute solche Bilder kaufen, weil sie den Platz kaum haben, um diese wirkungsvoll aufzuhängen.
Die Bilder können durchaus ihre Wirkung zeigen auf hohen hellen Zimmerwänden, auf Türen die von der Form her sowieso vertikal sind, auf Hintergrundflächen bei Ausstellungsständen, auf vertikalen Faltprospekten. Überhaupt tauchen sie immer häufiger auch in der Werbung auf. Auch gibt es immer mehr grosse Kalender im vertikalen Format.
Im Moment und noch bis Ende Dezember sind eine Reihe Ihrer Bilder aus den Dolomiten im Natura-Museum in Bozen zu sehen. Wie wirken die Bilder dort auf die Touristen?
Mit Begeisterung für die neue Perspektive. Die Bilder zieren dort Wände, an denen sonst keine Bilder sind und fallen so auch bei Leuten auf, die das Museum gut kennen. Vor allem Berggänger und Kletterer können darauf auch ihre Routen wiedererkennen.
Zur Technik: Welche Kameras verwenden Sie für Ihre Aufnahmen?
Ausschliesslich die Panoramakamera Hasselblad X-Pan, die leider heute nicht mehr hergestellt wird aber bei Panorama-Liebhabern unverändert begehrt ist. Für die Flugaufnahmen verwende ich das 90 mm Objektiv, weil man damit die störenden Flügelstützen bei Hochdecker-Maschinen nicht im Bild hat. Für Bäume, Schluchten und Landschaften kommt eher ein 45 mm Objektiv zum Einsatz, das in etwa einem 28 mm Kleinbild-Objektiv entspricht. Der grosse Vorteil der Xpan ist, dass man übliche Kleinbildfilme mit 21 Bildern 24x65mm auf einem 36er Film verwenden kann. Zudem gibt es beim Auslösen keine Spiegelerschütterung.
Die Hasselblad XPan wurde in Kooperation mit Fujifilm entwickelt und kam 1998 auf den Markt
Das heisst, Sie fotografieren ausschliesslich mit Film. Stellen sich beim Erstellen der Vergrösserungen für Ihr Labor besondere Probleme?
Ich arbeite ausschliesslich mit Fujifilm-Diamaterial und bei Vergrösserungen wird es teurer wegen des Formats, denn es braucht mehr Fotopapier. Ich arbeite seit Jahren mit einem professionellen Labor zusammen. Leider ist mit der Digitalwelle das analoge Filmmaterial und die dazugehörende Farbentwicklung bis heute immer teurer geworden.
Fotografieren Sie ausschliesslich Vertikalpanoramen oder pflegen Sie noch andere fotografische Disziplinen?
Nein, ich mache heute ausschliesslich Vertikalpanoramen, weil mich diese Art der Fotografie am meisten begeistert.
Die Ausstellung in Bozen ist noch mindestens bis Ende Jahr zu sehen
Kann man schon etwas über Ihre nächsten Projekte sagen?
Mit nunmehr 77 Jahren gibt es immer noch die eine oder andere Projektidee. Zurzeit arbeite ich hie und da an Motiven in Schluchten. Aber mehr dazu, kann ich Moment noch nicht sagen …
Herr Ackermann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen viel Erfolg mit der Ausstellung im Natura-Museum, Bozen.
Weitere Informationen zu den Vertikalpanoramen von Ulrich Ackermann finden Sie unter www.fotolangformat.ch
Ulrich Ackermann
Nach einer Ausbildung zum Kaufmann erlernte Ulrich Ackermann (*1947) im Atelier Hugo Frutig den Fotografenberuf. Seine bevorzugten Motive findet er in den Landschaften, in der Natur und auf Reisen, wobei ihn die Kombination dieser Bereiche besonders inspiriert. Zahlreiche Reisen rund um den Globus, vor allem nach Alaska, führten zu diversen Bildreportagen. Jahrelang träumte er davon, die Berge in ihrer ganzen Grösse fotografieren zu können, doch keine der handelsüblichen Kameras liessen vernünftige Resultate zu. Erst eine Hasselblad XPan (Bildformat 24 x 65) ermöglichte es ihm, Vertikal-Panoramen herzustellen, welche zu seiner «neuen» Leidenschaft wurden. Seine Bilder waren schon in mehreren Einzelausstellungen, in vier Kalendern und zahlreichen Publikationen und Zeitschriften zu sehen. Infos unter: www.fotolangformat.ch
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