Urs Tillmanns, 31. August 2024, 12:34 Uhr

Buchtipp: Jean Claude Gautrand: «Robert Doisneau. Paris»

Im Taschen-Verlag ist die grosse Monografie von Robert Doisneau erschienen, einer der bedeutendsten Fotografen, der das Sozialleben von Paris der 1930er- bis 1980er-Jahre eindrucksvoll dokumentiert hat. Viele seiner Bilder sind hier erstmals veröffentlicht.

Er war einer der ganz grossen französischen Fotografen: Robert Doisneau. Und doch ist er vielen im deutschsprachigen Sprachraum nicht unbedingt geläufig. «Ach so, das ist der mit dem Kuss …!» mag es vielen durch den Kopf schiessen, wenn sie das Titelbild dieses Buches sehen. Tatsächlich ist das Bild des küssenden Paares vor dem Pariser Rathaus zu seiner fotografischen Ikone geworden – zu einer von vielen …

Das Leben von Robert Doisneau (1912 – 1994) stand ganz im Zeichen der Fotografie. Nach seinem Studium in Gravur und Lithografie begann er 1929 zu fotografieren. Viele seiner erst Schnappschüsse finden wir erstmals in einem gesonderten Kapitel dieser Monografie. Fünf Jahre später wurde Doisneau als Werkfotograf von Renault engagiert, wovon im Buch eine umfassende Bildstrecke zu sehen ist. Während des Zweiten Weltkrieges war er zuerst der französischen Armee zugeteilt, lief dann jedoch zur Résistance über und dokumentierte die Besetzung bis zur Befreiung von Paris aus dem Untergrund – weitere Bilddokumente, welche dieses Buch einmalig machen. Danach erwachte ein «Hunger nach Bildern», und Doisneau, der mittlerweile als Fotojournalist einen Namen hatte, erhielt Aufträge von den grössten Illustrierten, wie Life, Paris Match, Réalités oder Point de Vue. In jener Zeit sind auch die relativ wenigen Farbbilder von Doisneau entstanden – seine echte Liebe galt jedoch der Schwarzweissfotografie. Doisneau hat im halben Jahrhundert seines Schaffens vor allem das Leben von Paris dokumentiert, hat witzige und skurrile Szenen reaktionsschnell in emotionalen Bildern festgehalten und so ein einmaliges Porträt des Soziallebens der Seinestadt geschaffen – ähnlich wie eine Generation vor ihm Eugène Atget (1857 – 1927), über dessen Schaffen 2016 im Taschen-Verlag ebenfalls ein Bildband * erschienen ist.

Die fünf Kapitel dieses Buches decken die wichtigsten Schaffensepochen Doisneaus repräsentativ und mit einer gekonnten und subtilen Bildauswahl ab. Federführend dabei war Jean Claude Gautrand, Autor dieses Buches, der als Fotohistoriker und -kritiker ein langjähriger Freund von Robert Doisneau war, und auf Grund von vielen persönlichen Kontakten und Gesprächen den Geist Doisneaus in dieses Buch einfliessen lassen konnte. So ist ein Werk entstanden, das dem Leben und Schaffen dieses grossartigen Fotografen gerecht wird, das nicht nur seine bedeutendsten Bilder – viele davon erstmalig – verewigt, sondern das auch im Text viel Wissenswertes und bisher Unbekanntes über diesen fotografischen Chronisten festhält. Ergänzt wird der Text durch ein lesenswertes Vorwort der beiden Töchter von Robert Doisneaus Francine Deroudille und Annette Doisneau.

Für wen ist dieses Buch? Es dürfte in erster Linie Leserinnen und Leser begeistern, die am Leben und Werk von Robert Doisneau und an der fotografischen Epoche von 1930 bis 1980 interessiert sind. Dann dürfte der voluminöse Bildband ein sehr geschätztes Geschenk für Liebhaber der Stadt Paris sein, die in den 440 Seiten und über 350 Abbildungen ein Paris entdecken, wie es einmal war – von dessen damaligen Charme jedoch bis heute viel erhalten geblieben ist.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Diese Monografie über Robert Doisneau bietet einen umfassenden Überblick über das Leben und Werk des wohl populärsten französischen Fotografen. Der Autor Jean Claude Gautrand war ein langjähriger Freund des Künstlers und konnte dabei auf Doisneaus umfangreiches Bildarchiv zurückgreifen.

Robert Doisneau hatte einen besonderen Sinn für die einfachen Freuden des Lebens sowie für die Sorgen und Nöte der Menschen. Er zählt fraglos zu den berühmtesten Vertretern der Photographie humaniste, einer dem Menschen zugewandten Fotografie, die ihre große Zeit in den 1950er-Jahren hatte. Vor allem für seine beseelten Bilder von Paris geliebt, besaß der Fotograf die besondere Gabe, charismatische Charaktere, unterhaltsame Vorkommnisse und kurze Momente des Humors und der Zuneigung mit der Kamera einzufangen. In alltäglichen Begebenheiten machte er Emotionen sichtbar, die das menschliche Leben ausmachen.

Neben seinen berühmten Hauptwerken aus Paris finden sich in dieser Retrospektive seines spektakulären Œuvres auch viele weniger bekannte Aufnahmen. Sie zeigen «ganz normale Handlungen ganz normaler Menschen in ganz normalen Situationen». Durch die zahlreichen Zitate, die den Bildteil begleiten, entsteht ein Dialog zwischen den Bildern, dem Leser und dem Fotografen – ein Dialog, der von Doisneaus Sensibilität zeugt, von seinem Humor und der Empathie für die Welt, in der er sich bewegte.

Die Abbildungen nehmen uns mit auf eine Reise zu den tristen Vorstädten von Doisneaus Jugend, in die Welt der Arbeiter, die er liebte und die für ihn eine ganz eigene Würde hatten, und in die Ateliers vieler bahnbrechender Künstler seiner Zeit, die er in nachdenklichen und kreativen Momenten einfing. Hinzu kommen einige seiner weit weniger bekannten Farbaufnahmen, die uns in die Banlieue von heute führen und in denen uns ein ganz anderer, kritischerer Robert Doisneau begegnet.

Für diese Monografie über das Leben und Werk von Robert Doisneau konnte sein langjähriger Freund, Taschen-Autor Jean Claude Gautrand, auf Doisneaus umfangreiches Bildarchiv zurückgreifen. Das Vorwort stammt von Doisneaus Töchtern Francine Deroudille und Annette Doisneau.

 

Der Inhalt

Vorwort

Die Jugendjahre 1912 – 1939
Die ersten Bilder / Die Renault Erfahrung

 

Der Krieg
Die Besetzung / Die Befreiung

 

Hunger nach Bildern
Das Aufblühen des Fotografen / Saint-Germain-des-Prés / Arbeiter / Vororte Blaise Cendrars / Begegnungen mit Jacques Prévert / Begegnungen mit Robert Giraud / Vogue / Künstlerporträts / Die Concierges / Die Sammler / In der Schule / Um die Ecke /

 

Schwierige Jahre
Eine andere Art zu sehen / Spaziergang durch Paris / Les Halles in Paris /

 

Anerkennung

Biografie / Bibliografie / Der Proustsche Fragebogen / Fussnoten / Index / Danksagungen / Imprint

 

Der Autor

Jean Claude Gautrand (1932-2019) gilt in Frankreich als einer der herausragenden Experten in Sachen Fotografie. Seit 1960 war er als Fotograf aktiv und machte sich auch als Historiker, Journalist und Kritiker mit zahlreichen Veröffentlichungen einen Namen. Für den Taschen-Verlag verfasste er die Bücher «Brassaï» (2004), «Paris. Porträt einer Stadt» (2011), «Robert Doisneau» (2014) und «Eugène Atget. Paris» (2016).

 

Bibliografie

Jean Claude Gautrand: «Robert Doisneau. Paris»

440 Seiten, 363 Abbildungen, Fadenbindung, Hardcover mit Schutzumschlag, Format 26 x 34,5 cm
Mehrsprachenausgabe Englisch, Französisch, Deutsch
Taschen-Verlag, Köln
Preis: CHF 50.00 / EUR 50,00
ISBN 978-3-8362-9948-1

Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.

* Im Text erwähnt ist auch der Bildband über Eugène Atget im Taschen-Verlag.

 

 

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