Urs Tillmanns, 29. September 2024, 23:09 Uhr

125 Jahre Foto Wolf – ein Streifzug durch die Fotogeschichte

Eines der ältesten Fotogeschäfte der Schweiz feiert das 125-jährige Jubiläum. Gegründet 1899 darf Foto Wolf an der Freien Strasse 4 in Basel auf eine lange Geschichte und Tradition zurück blichen. Wie sich der Fotohandel während dieser Zeit entwickelte, zeichnen wir in diesem Artikel nach.

In den ersten 50 Jahren nach der Erfindung von Nicéphore Niépce und Louis Daguerre, die 1839 durch einen Ankauf der französischen Regierung der ganzen Welt zum Geschenk gemacht wurde, waren es vor allem Tüftler und Pröbler, die sich mit der Fotografie befassten. Die Verfahren waren kompliziert, es wurden dazu gefährliche Chemikalien benötigt, und industriell gefertigte Produkte gab es erst gegen Ende des Jahrhunderts. Ein eigentlicher Fotohandel existierte noch nicht. Auch George Eastman, der 1888 mit der einfachen «Kodak»-Kamera einen grossen Schritt zur Popularisierung der Fotografie beitrug, vertrieb seine Produkte zunächst über Drogerien und Apotheken, die vielerorts gut etabliert waren.

Im Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende änderte sich dies schlagartig. Fotografieren war einfacher und populärer geworden, und die Fotografen legten sich ein zweites Standbein zu, indem sie «Fotohandlungen» gründeten und dort Kameras, Objektive, Platten und die zu deren Verarbeitung erforderlichen Chemikalien anboten. In diese Zeit fällt auch die Gründung des Fotohauses von Bernhard Wolf, der gemäss Adressbuch von Basel 1899 an der Hutgasse 8 in Basel ein Fotogeschäft eröffnete.

 

Eines der frühesten Bilder im Firmenarchiv von Foto Wolf: Ob sich das Lama um 1910 wirklich für eine Kamera interessierte?

Wer waren die damaligen Kunden von Foto Wolf, und welche Kameras gab es? Damals wurde die Fotografie vor allem von Enthusiasten und Kennern betrieben. Die Verfahren waren kompliziert, die Apparate gross und schwer, und die Tätigkeiten von Bernhard Wolf und seiner Angestellten bestanden vor allem aus Porträtfotos, Aufnahmen von Hochzeitspaaren und Familiengruppen. Hinzu kam immer stärker der Verkauf von Kameras, lichtempfindlichen Glasplatten, Filmen und Chemikalien sowie das Entwickeln derselben und das Herstellen von Papierbildern. Allmählich wurden die Kameras kleiner und handlicher, der Rollfilm löste die schweren Glasplatten ab, das Fotografieren wurde einfacher, was dem jungen Fotogeschäft mehr Kunden brachte. Schon nach zehn Jahren bot sich der Umzug an die bessere Passantenlage an der Freien Strasse 4 an, wo sich das Fotohaus Wolf bis heute befindet.

 

Die von Bernhard Wolf konstruierte und 1919 patentierte Taschenkamera ist heute ein gesuchtes Sammlerstück

Wenig bekannt ist, dass Bernhard Wolf eine Taschenkamera konstruierte und diese 1919 zum Patent angemeldet hatte. Die Kamera konnte zusammengeklappt und so leicht in der Tasche mitgenommen werden, was gegenüber den damals üblichen Kameras einen erheblichen Vorteil darstellte. Ob und wie viele von diesen Kameras tatsächlich verkauft worden waren, ist ungewiss. Bekannt ist nur dieses eine Exemplar, das als wichtiges Objekt der Firmengeschichte von Foto Wolf im Archiv aufgehoben wird.

 

Das Haus an der Feien Strasse 4 musste unzählige Renovationen über sich ergeben hassen – auch zur Jugendstilzeit

Die 1930er Jahre waren von einer rasanten technischen Entwicklung geprägt. Vor allem die aufkommende Leica Kleinbildfotografie stellte einen beträchtlichen Innovationsschub dar – eine Marke, die auch heute noch das Topsegment belegt und bei Foto Wolf zu den wichtigsten gehört. Aber Leica war nicht alleine: Zeiss konterte 1933 mit der Contax und Kodak Stuttgart stellte im gleichen Jahr die Retina als kostengünstige Kleinbildkamera vor. Einen gewaltigen Popularitätsschub bewirkte die Agfa Box (1934), die es für 4 Reichsmark oder 5 Franken zu kaufen gab. Zwar war der Kameraverkauf für Agfa kein Geschäft, aber mit dem Konsum von Filmen und dem Entwickeln der Bilder ging die Rechnung sowohl für den Hersteller als auch für den Fotohandel prächtig auf.

 

Foto Wolf um 1937 – die Zeit, als die Fotografie eine Popularierungswelle erlebte 

Der Entwicklung von Foto Wolf war zu dieser Zeit mit der Geschäftsübergabe an die nächste Generation verbunden, in dem die beiden Söhne Alfred und Jacques Wolf in das Geschäft ihres Vaters einstiegen. Allerdings stand ihnen keine einfache Zeit bevor, denn während des Zweiten Weltkriegs mangelte es an deutschen Kameras und an Verbrauchmaterial, und die existierenden Schweizer Fotofirmen, wie beispielsweise der Filmhersteller Tellko in Fribourg oder die Kamerafabrik Alpa in Ballaigues, konnten dem Bedarf kaum nachkommen.

 

Die Fotowelt wird farbig – und damit auch die Neugestaltung von Photo Wolf

In der Hochkonjunktur der 1950er-Jahren blühte der Fotohandel auf. Vollbeschäftigung war angesagt, man verdiente wieder mehr und konnte wieder mehr für das Hobby ausgeben. Es zeichnete sich ein deutlicher Trend hin zu den Spiegelreflexkameras ab, welche bald Wechselobjektive und andere Zubehöre auf den Wunschzettel rief. Zudem setzte sich die Farbfotografie mit einer (anfänglich) besseren Gewinnmarge durch und männiglich liess von jedem 36er-Film gleichmal je ein Bild printen, kaufte einen neuen Film und gerade noch zwei Dutzend Blitzbirnchen dazu – goldene Zeiten.

Doch bald wehte ein frostiger Wind aus Japan. Was zunächst als Billigware abgetan wurde, sollte den deutschen Kameraherstellern bald das Fürchten lernen. Japan produzierte ganz einfach billiger als Deutschland. Das Knowhow hatten die Japaner in allen Industriebereichen längst von den Europäern übernommen – und kräftig weiterentwickelt. Doch der Gegenwind kam nicht nur aus dem Fernen Osten, denn gleichzeitig machten die ersten Discounter von sich reden, die mit einem zentralen Einkauf und einem landesweiten Filialnetz den Fotohandel zum rigorosen Preiskampf herausforderten.

 

In den 1980er-Jahren setzen sich neue Kameratechnologie durch. Autofokus heisst der neue Trend

In dieser Zeit der 1960er Jahren wird Kurt Bolliger neben Jacques Wolf Teilhaber von Foto Wolf, der dann schliesslich 1985 nach dem Zusammenschluss mit weiteren Firmen für die Foto Wolf AG alleine verantwortlich ist. Das Fotografieren war in dieser Zeit gewissermassen zum «Volkssport» geworden, was auch durch verschieden Kassettensysteme immer wieder begünstigt wurde: Instamatic 126 (1963), Pocket 110 (1972), schliesslich Disc (1984) bis hin zu APS (1996) machten das Fotografieren zwar immer einfacher, die Bildqualität durch das immer kleine Negativformat jedoch nicht unbedingt besser. 1995 findet wieder ein Wechsel an der Freien Strasse 4 statt, indem Kurt Bolliger das Zepter der Foto Wolf AG an Rolf Hämmerlin übergibt, der den Schwerpunkt des Angebots verstärkt auf Topmarken setzt, wie Leica oder Hasselblad.

Ein anderes Segment war während Jahrzehnten immer erfolgreich und ein echter Umsatzgarant: Sofortbild. Der Wunsch, ein Foto unmittelbar nach der Aufnahme zu sehen, beflügelte den amerikanischen Technologieunternehmer Dr. Edwin Land 1947, eine Kamera vorzustellen, die nach der Belichtung des Negativs mit einer im Film enthaltenen Entwicklerpaste gleich ein positives Bild erzeugte. Das Material war zwar teuer, doch war die Nachfrage über Jahrzehnte sowohl im Privatbereich als auch in Industrie und Forschung ungebrochen. Bis 1976 war Polaroid damit unbestrittener Marktführer, als Kodak mit ihrem Instant-System auf den Markt kam. 14 Jahre lang dauerte der Konkurrenzkampf – und einer der längsten und teuersten Patent-Prozesse der Geschichte: Die zehnmal umsatzstärkere Kodak musste Polaroid mehr als 925 Millionen Dollar bezahlen. Damit nicht genug: Sie erhielt die gerichtliche Auflage, ihre Instant-Kameras aus dem Markt und von den Eigentümern zurückzukaufen und sämtliche Kameras zu vernichten.

 

Foto Wolf wird zum Fotohaus. Alles wird offener, einladender und kundenfreundlicher

Schon bald sollte sich eine neue Art des sofort verfügbaren Bildes abzeichnen, nämlich die elektronische Fotografie. Bereits 1978 hatte der Ingenieur Steven J. Sasson bei Kodak mit einer Kamera bewiesen, dass man mit einem CCD-Chip mit 10’000 Pixeln ein Bild aufnehmen konnte – doch die Konzernleitung wollte nichts davon wissen; sie sah die Zukunft der Fotografie unverändert und zukunftssicher im Film. Die Antwort kam einmal mehr aus Japan, als Sony 1981 ihre Mavica ankündigte, die allerdings erst 1987 auf den Markt kam. Vor allem die Elektronikfirmen forschten unentwegt an der neuen Technologie, die sich mit dem Beginn des neuen Jahrtausends allmählich im Markt durchzusetzen begann. Dies hatte auf die auf das Filmgeschäft ausgerichteten Firmen erhebliche Konsequenzen: Die grössten Markennamen löschten ihre Lichter: Agfa (2005), Polaroid (2008) und der einst grösste Filmhersteller der Welt Kodak 2013 – wobei alle diese bekannten Markennamen auch heute noch existieren, jedoch als Neufirmierungen.

 

Setzt auf analog und gebraucht: Adrian Samuel hat seine ganz klare Marschrichtung

Bei Foto Wolf zeichnete sich 2019 wiederum ein Führungswechsel ab: Rolf Hämmerli trat aus der Geschäftsleitung zurück und übergab die Firma Adrian Samuel. Samuel verfolgte eine Nischenpolitik und spezialisierte sich neben dem Verkauf von aktuellen Produkten und einem Angebot von Dienstleistungen im Printbereich vor allem auf die analoge Fotografie und auf Gebrauchtkameras. «Ich bin unverändert der Ansicht, dass Kameras für Film eine grosse Zukunft haben», sagt Adrian Samuel, «und der Zuspruch, insbesondere auch einer Jungen Käuferschaft, bestätigen meine Annahme. Zudem besteht eine steigende Nachfrage nach guten und funktionsfähigen analogen Kameras, weil es kaum mehr neue Modelle gibt. Das ist meine Spezialität, und die doch recht erfreulich Geschäftsentwicklung der letzten Jahre hat mir recht gegeben.»

Urs Tillmanns

Lesen Sie auch:

• «Fotohaus Basel: Von der Trockenplatte zum neuen Webshop», Fotointern 04.04.2021

 

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